Als Chemnitzer Botschafter immer unterwegs
Besondere Ehrung für Prof. Dr. Thomas Geßner, dem Vorreiter der Mikrotechnologien – Sein Lebenswerk setzt hohe Maßstäbe für die Zukunft
Etwa 600 Persönlichkeiten aus Deutschland, China und Japan trafen am 8. September 2016 in Chemnitz zusammen, um Prof. Dr. Thomas Geßner, Direktor des Zentrums für Mikrotechnologien und Professor für Mikrotechnologie der Technischen Universität Chemnitz sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Nanosysteme ENAS, zu ehren. Er war vor wenigen Wochen in Tokio im Alter von 61 Jahren verstorben.
"Professor Geßner hat sich weit über das normale Maß hinaus für unsere Universität und unseren Wissenschaftsstandort engagiert. In seiner Amtszeit als Prorektor für Forschung der TU Chemnitz war er bereits Mitte der 1990er Jahre intensiv an der Profilierung der Forschung an unserer Universität beteiligt“, hob Prof. Dr. Heinrich Lang, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der TU Chemnitz, in seiner Begrüßung hervor. "Wir verlieren mit Thomas Geßner einen sehr engagierten, weitsichtigen und hervorragend vernetzten Hochschullehrer, einen international sehr geschätzten Wissenschaftler, dem insbesondere die Entwicklung und anwendungsbezogene Ausrichtung der Mikro- und Nanotechnologieforschung in Chemnitz wichtig war", so Lang. „Auch die Nachwuchsförderung lag Professor Geßner sehr am Herzen. So war er beispielsweise von 2006 bis 2015 Sprecher des internationalen Graduiertenkollegs >>Materialien und Konzepte für fortschrittliche Metallisierungssysteme´ Chemnitz/Berlin/Shanghai<<“, ergänzte der Prorektor.
Prof. Dr. Jan Mehner, Dekan der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik der TU Chemnitz, hob Geßners Verdienste für die Fakultät hervor, deren Geschicke Geßner selbst von 2006 bis 2009 lenkte. Im Mittelpunkt stand die Entwicklung des Zentrums für Mikrotechnologien, das Geßner seit 1991 leitete. 1993 erhielt er an der TU Chemnitz einen Ruf als Professor für Mikrotechnologie. „Geßner holte 1995 den ersten DFG-Sonderforschungsbereich an die Universität“, erinnert Mehner. Geßner leitete den SFB „Mikromechanische Sensor- und Aktorarrays“ bis 2006 und trieb die schnelle Überführung der Ergebnisse der Grundlagenforschung und der ersten Prototypen in die industrielle Anwendung voran. „In der studentischen Lehre setzte sich Thomas Geßner maßgeblich für die Einrichtung des interdisziplinären Studiengangs Mikrotechnik/Mechatronik ein, wofür er im Jahr 2000 mit dem Innovationspreis der Deutschen Gesellschaft für die Anwendung der Mikroelektronik e. V. geehrt wurde“, berichtet Mehner. Zudem habe er einen der ersten internationalen Studiengänge der TU Chemnitz – den Masterstudiengang „Micro and Nano Systems“ – auf den Weg gebracht.
Sachsens Wissenschaftsministerin Dr. Eva-Maria Stange erinnerte sich an viele Begegnungen mit Prof. Geßner. „Er war immer voller Neugier, Schnelligkeit, aber auch Ungeduld“, so die Ministerin, die ihn als Gesprächspartner sehr schätzte. Er sei mit voller Leidenschaft und Engagement und mit allen Fasern seines Körpers dem zugewandt gewesen, was er erreichen wollte. „Sachsen ist heute ein wichtiger Standort der Mikroelektronik – dies ist und bleibt ein Verdienst von Thomas Geßner“, bekräftigte Stange. Sie betonte auch, dass man jetzt nicht erstarren dürfe, sondern zielstrebig seine wissenschaftliche Arbeit fortsetzen müsse. "Professor Thomas Gessner war ein Garant dafür, aus Visionen Wirklichkeit werden zu lassen", unterstrich sie.
Während des Ehrenkolloquiums erinnerte die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig an einen Vortrag, den Geßner 2002 im Seniorenkolleg hielt, in dem er in das Jahr 2020 blickte. Viele technische Entwicklungen, die er vorausgesehen hat, sind eingetreten und für uns heute selbstverständlich. „Ist es nicht wunderbar, wenn man als Wissenschaftler Teil einer technischen Revolution sein kann?“, sagte Ludwig. Für Chemnitz habe Geßner viel bewirkt, zum Beispiel die Etablierung des Smart Systems Campus in unmittelbarer Nähe der Universität. Dieser Technologiepark verbindet heute auf kurzen, direkten Wegen renommierte wissenschaftlich-technische Einrichtungen mit Gründergeist, Unternehmertum und wirtschaftlichem Aufschwung. „Projekte derartiger Tragweite benötigen Menschen wie Thomas Geßner. Seine Leistungen sind ein großer, starker Nachlass für die Stadt Chemnitz“, so die Oberbürgermeisterin.
„Für mich war Prof. Geßner ein unverzichtbarer Ratgeber, wenn es um die Entwicklung des Wissenschaftsstandortes Chemnitz ging“, sagte Dr. Peter Seifert, langjähriger Oberbürgermeister der Stadt und seit 2010 Vorsitzender des Hochschulrates der TU Chemnitz. Geßner habe sich als einer der beiden universitätsinternen Mitglieder im Hochschulrat sehr für die weitere Profilierung und Internationalisierung seiner Universität eingesetzt. „Er hatte einen scharfen Verstand, der zu präzisen Analysen führte“, so Seifert. Bezogen auf die Chemnitzer Wirtschaft hob Seifert hervor, dass viele erfolgreiche Start-up-Unternehmen in der Stadt mit dem Wirken von Prof. Geßner als Forscher und Hochschullehrer verbunden seien.
Geßner ist es auch als international agierender Netzwerker gelungen, die Chemnitzer Forschung rund um die smarten Systeme in Europa und weit darüber hinaus bekannt zu machen. So gehörte er zu den Gründern der Europäischen Plattform für Smart Systems Integration (EPoSS). Dr. Stefan Finkbeiner, Member of the Board of EPoSS, hob während des Ehrenkolloquiums Geßners Verdienste in der Forschung auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik hervor. Prof. Geßner habe immer die enge Kooperation von Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen am Herzen gelegen und hier für viele erfolgreiche Vernetzungen gesorgt. So etablierte er seit 2007 erfolgreich die wissenschaftliche Konferenz und internationale Leistungsschau „Smart Systems Integration Conference and Exhibition“.
In seiner Laudatio zeichnete Prof. Dr. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, ein umfassendes Bild von Prof. Geßner. „Thomas Geßner hat wirksam zur Entwicklung der internationalen Sichtbarkeit der Fraunhofer-Gesellschaft beigetragen.“ So war er zum Beispiel seit 2008 Principal Investigator im Rahmen der japanischen Exzellenzinitiative an der Tohoku Universität Sendai. Im Rahmen des WPI-AIMR (World Premier International Research Initiative - Advanced Institut for Materials Research) etablierte Geßner eine internationale Forschergruppe an der Universität Tohoku in Sendai. Seit 2012 leitete er gemeinsam mit Prof. Esashi in Sendai das Fraunhofer-Projectcenter “NEMS / MEMS Devices and Manufacturing Technologies at Tohoku University”. Neugebauer erinnerte auch an die überaus positive Entwicklung der Mikrosystemtechnik in Chemnitz, die hier 1998 zur Gründung der Abteilung „Micro Devices and Equipment“ des Berliner Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM führte. Geßner leitete diese Abteilung bis 2007 und war darüber hinaus von 2006 bis 2008 Stellvertreter des Institutsleiters des Fraunhofer IZM und Leiter des Institutsteils Chemnitz des Fraunhofer IZM. Management und Belegschaft überzeugten unter Geßners Leitung mit ihrer dynamischen Entwicklung, so dass das Fraunhofer ENAS seit 2011 als eigenständiges Institut auftritt. Eng arbeiteten Fraunhofer und Universität zusammen, so habe sich Geßner auch für die Beantragung des Bundesexzellenzclusters MERGE eingesetzt. Für Neugebauer sei Geßner ein „wahrer Chemnitzer Patriot“ gewesen, dessen Herz für seine Heimatstadt schlug, der aber auch für die Stadt, für die Uni, für Fraunhofer pausenlos als Botschafter um den Globus jettete.
„Professor Geßner ist keinen Trends hinterhergelaufen, er hat sie gesetzt“, so Prof. Dr. Thomas Otto, kommissarischer Leiter des Fraunhofer ENAS. Er gab in seinem Vortrag einen beeindruckenden Überblick über die Forschungsleistungen, die unter Leitung von Prof. Geßner am Fraunhofer ENAs und am ZfM erbracht wurden. Er versprach, dass die Wissenschaftler in Chemnitz die von Prof. Geßner geknüpften Kontakte zu Wissenschaftlern und Praxispartnern rund um den Erdball pflegen, Forschungskooperationen weiter leben und so das Andenken an einen hochgeschätzten Wissenschaftler und Menschen bewahren.
Nach dem Ehrenkolloquium, das übrigens von „The 10String Orchestra“ musikalisch begleitet und von Prof. Dr. Stefan E. Schulz, stellvertretender Leiter des Fraunhofer ENAS, moderiert wurde, fand am Nachmittag noch ein wissenschaftliches Ehrensymposium statt.
Lesen Sie auch "Experte für die Zukunft der Mikrotechnologie gesucht" (Freie Presse, 8.9.2016).
Mario Steinebach
08.09.2016