Rekristallisationsmechanismus produziert spiralförmige Mikrostrukturen
Forscher der TU Chemnitz, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und des Leibniz-Institut IFW-Dresden entdecken selbstorganisierende, spiralförmige Mikrostrukturen
Kristallisation lässt sich nicht nur im größeren Maßstab in Form von Schneekristallen beobachten, sie spielt auch in vielen technologischen Bereichen eine fundamentale Rolle, darunter in der Halbleiterindustrie. Ihr Verständnis ist deshalb ein wichtiger Baustein für technologischen Fortschritt. In einer aktuellen Veröffentlichung in dem angesehenen amerikanischen „Journal of Applied Physics“ beschreiben die Wissenschaftler von der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik der Technischen Universität Chemnitz gemeinsam mit Forschern des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf und des Leibniz-Institut IFW in Dresden einen neuen Typus der bereits seit längerer Zeit bekannten sogenannten „Explosivkristallisation“. Der Begriff nimmt Bezug auf das reale Phänomen der Explosion, da auch hier gebundene Energie durch einen Zündfunken freigesetzt wird. Diese Form der Kristallisation betrifft amorphe, also ungeordnete, Materialien, die meist metastabil sind, das heißt vom energetischen Standpunkt aus eine höhere Energie aufweisen, aber aufgrund einer energetischen Barriere nicht direkt kristallisieren und sich damit in einen Zustand niedrigerer Energie umwandeln können. Hierzu bedarf es einer Initialzündung.
In der Untersuchung wurde eine Blitzlampe aktiviert, um einen starken Temperaturanstieg in einer dünnen Schicht Germaniummangan hervorzurufen. Hier hatten die Forscher bereits in einer anderen Untersuchung selbstorganisierende Strukturen gefunden. Kleine Störungen auf der Oberfläche nach dem Lichtimpuls verursachten sogenannte Hotspots, also Bereiche, welche durch erhöhte Energieaufnahme besonders stark erhitzt wurden und als Zündfunke für die darauffolgende Explosivkristallisation dienten. Üblicherweise sind in diesen Fällen kreisförmige Ausdehnungen der kristallisierenden Bereiche zu erwarten. Anders jedoch im vorliegenden Materialsystem: „Es gab Zentren, von denen die Kristallisationsfront eine Vorzugsrichtung aufwies. Verantwortlich hierfür ist das Mangan, welches sich wahrscheinlich in einer extrem dünnen flüssigen Zone an der Kristallisationsfront zunehmend anreichert“, erklärt Dr. Danilo Bürger, Postdoc an der Professur Materialsysteme der Nanoelektronik. Diese flüssige Zone mit erhöhter Mangankonzentration weise eine deutlich reduzierte Schmelztemperatur auf, sodass eine kleine vorgegebene richtungsweisende Störung auf der Oberfläche ausreichen könnt, um die gerichtete Kristallisation in Gang zu setzen.
Die Besonderheit der beobachteten Mikrostruktur liegt allerdings im Verlauf der nachfolgenden gerichteten Kristallisationsfront, deren „Ecken“ die spezielle Form der sogenannten logarithmischen Spirale beschreiben. Dieser Spiraltyp besitzt besondere Eigenschaften wie die sogenannte „Selbstähnlichkeit“. Das heißt, dass logarithmische Spiralen die ihr zugrundeliegende Struktur beim hinein- und hinauszoomen nicht ändern. Logarithmische Strukturen sind auch aus der Natur bekannt, z. B. bilden Galaxien oder biologische Objekte wie Pflanzen oder Schnecken oftmals diese Strukturen aus. In der Physik der kondensierten Materie, in Unterscheidung zur Elementarteilchenphysik oder Atomphysik, ist die logarithmische Spirale allerdings ein äußerst seltenes Phänomen. Alles in allem ist für die Entstehung der logarithmischen Spirale ein sehr komplexes Zusammenspiel von Reaktions- und Diffusionsprozessen verantwortlich.
Weit vom Spiralzentrum entfernt hingegen breitet sich die Kristallisationsfront, wie von der Explosivkristallisation bekannt, kreisförmig aus. Dies legt die sehr gute Übereinstimmung der theoretisch berechneten und den sichtbaren Grenzverläufen zwischen zwei aufeinandertreffenden Kristallisationsfronten unterschiedlichen Ursprungs nahe. Das diese Art der selbstorganisierten Strukturbildung mittels Technologien, welche auch in der Halbleiterindustrie zum Einsatz kommen, so lange unentdeckt blieb, ist nach Meinung der Wissenschaftler aufgrund der besonderen Herstellungsparameter nicht ungewöhnlich, zeigt nun aber neue Forschungswege zum tieferen Verständnis von Kristallisationsprozessen auf.
Originalveröffentlichung:
Bürger et al., Journal of Applied Physics 121, 184901 (2017): http://dx.doi.org/10.1063/1.4983068
Weitere Informationen: Dr. Danilo Bürger, Professur Materialsysteme der Nanoelektronik der TU Chemnitz, E-Mail: danilo.buerger@etit.tu-chemnitz.de, Tel.: 0371 531-32889
Matthias Fejes
09.06.2017