Seit 140 Jahren gehen im Böttcher-Bau Studierende ein und aus
Das heutige Hauptgebäude der Technischen Universität Chemnitz wurde am 16. Oktober 1877 eingeweiht
Bekannte Größen wie Gottfried Wilhelm Leibniz, Galileo Galilei und James Watt fanden im Oktober 1877 in Chemnitz eine neue „Heimat“. Dies gelang Prof. Alwin Gottschaldt, einem Chemnitzer Architekten und Lehrer der Bauwissenschaft an der Baugewerkenschule. Er hat sie alle vereint – am Neubau der Technischen Staatslehranstalten zu Chemnitz. Seitdem sind an dem Gebäude am Schillerplatz die Porträtköpfe der Wissenschaftler Karl Karmarsch, Gottfried Wilhelm Leibniz, Galileo Galilei, Jöns Jakob Berzelius, Leonard Euler, James Watt, Karl-Friedrich Schinkel und Gaspard Monge zu sehen. Ihr Platz ist an den Wandpfeilern zwischen den Fenstern im vierten Stock.
Am 16. Oktober 1877, also vor 140 Jahren, erfolgte die feierliche Weihe dieses prachtvollen Historismusbaus der Technischen Staatslehranstalten. Unter diesem Sammelnamen vereinigte sie die Höhere Gewerbschule, die Baugewerkenschule, die Werkmeisterschule und die Gewerbzeichenschule. Das nach modernsten Gesichtspunkten ausgestattete Gebäude, in dem zu jener Zeit 612 Schüler unterrichtet wurden, verfügte über 105 Räume mit insgesamt 6.613 Quadratmeter Fläche.
Eindrucksvolle Fassadengestaltung
Im Zentrum der insgesamt 74 Meter langen und 21 Meter hohen Gebäudefront befindet sich der Mittelteil, der – durch vier Reihen zu je sieben Fenstern getrennt – links und rechts von einem Vorbau umgeben ist. Und an jenem Mittelteil vereinigt sich der bildnerische Schmuck der Natursteinfassade, die aus Granit-, Porphyr- und Sandsteinelementen besteht. Drei Figurenpaare über den großen Haupteingängen deuten auf die Wissenschaften hin, die damals in diesem Gebäude gelehrt wurden: Mathematik und Physik, Textilindustrie und chemische Technik sowie Maschinen- und Bautechnik.
Etwas weiter oben, in Höhe der ehemaligen Aulafenster, haben an den Seiten des Mittelteils zwei 2,25 Meter große Standbilder ihren Platz gefunden. Die linke Figur symbolisiert, mit Zahnrad und Zirkel ausgestattet, die Technik. Das rechte Bild stellt die Wissenschaft dar – bekräftigt durch das Buch und die dozierende Haltung. Sämtliche Figuren, auch die Porträts der Wissenschaftler, wurden von dem Bildhauer Anton Händler modelliert, der an der Gewerbzeichenschule unterrichtet hat.
Auf dem Dach des Gebäudes, direkt über den Porträts in der vierten Etage, befindet sich eine Brüstungsmauer. Auf ihr war damals der Schriftzug "Königliche Technische Lehranstalten" zu lesen, der mittlerweile durch die Aufschrift "Technische Universität" ersetzt worden ist. Abgerundet wird das Bild von zwei Löwen, die das mit einer goldenen Krone verzierte sächsische Wappen halten. Dies geht zum einen auf das Jahr 1806 zurück, als Sachsen Königreich wurde und das alte Wappen des Herzogtums Sachsen-Wittenberg durch eine Krone ergänzt wurde. Zum anderen ließ König Johann 1859 bei der Prägung neuer Ein-Taler-Stücke Veränderungen beim damaligen Wappen vornehmen. Somit wurden zwei Löwen als Schildhalter hinzugefügt. Diese Variante setzte sich bei den königlichen Ministerien und Behörden aber erst nach 1873 durch.
Er gab dem Böttcher-Bau seinen Namen
Professor Eduard Theodor Böttcher (1829 – 1893), Direktor und Lehrer im Maschinenbau ist es zu danken, dass am 2. September 1875 die Grundsteinlegung zu diesem repräsentativen Bau erfolgen und damit das bisherige Schulgebäude an der Dresdner Straße aufgegeben werden konnte. Bereits 1876 konnte das dem Bahnhof zugewandte Gebäude des Laboratoriums übergeben werden. Aus dieser Zeit stammen auch die Büsten von Berzelius und Humboldt im dortigen Treppenaufgang. Seit dem 150-jährigen Jubiläum der Ingenieurausbildung im Jahr 1986 trägt das Hauptgebäude der Technischen Universität den Namen „Eduard-Theodor-Böttcher-Bau“.
Stichwort: Acht abgebildete Wissenschaftler
Galileo Galilei (1564 - 1642): Der Begründer der modernen Naturwissenschaft hat mithilfe seines nachgebauten Fernrohres die Gebirgslandschaft des Mondes entdeckt. Zudem veröffentlichte der italienische Mathematiker, Physiker und Astronom die Gesetze der Pendelbewegung.
Karl Friedrich Schinkel (1781 - 1841): Der preußische Architekt, Stadtplaner und Maler gilt als Hauptvertreter des Berliner Klassizismus. Er war als Oberbaurat dafür verantwortlich, Berlin als repräsentative Hauptstadt für Preußen zu gestalten. So schuf er dort beispielsweise die Neue Wache sowie das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt und das Alte Museum am Lustgarten.
Gottfried Wilhelm Leibniz (1646 - 1716): Der Philosoph, Mathematiker und Naturforscher war eines der ersten ausländischen Mitglieder der französischen Akademie der Wissenschaften. Ihm ist es zu verdanken, dass der Doppelpunkt eine weitere Funktion hat: als Zeichen für die Division.
Jöns Jakob Berzelius (1779 - 1848): Der schwedische Chemiker war einer der bedeutendsten Naturforscher seiner Zeit. Er entdeckte die Elemente Thor und Selen und berechnete das relative Atomgewicht von 45 Elementen. Dieses veröffentlichte er 1818 in einer Atomgewichtstabelle. Außerdem führte er die Begriffe Isomerie und Katalysator ein.
Leonhard Euler (1707 - 1783): Der Mathematiker, Physiker und Astronom beschäftigte sich unter anderem mit der Differential- und Integralrechnung und führte die Schreibweise f(x) für eine Funktion ein. Auch die Basis des natürlichen Logarithmus, die Eulersche Zahl "e", geht auf ihn zurück.
Gaspard Monge (1746 - 1818): Der französische Mathematiker und Physiker untersuchte die Luftspiegelungen in der Wüste und konnte damit die Fata Morgana erstmals richtig deuten. der Pariser Professor gilt zudem als Begründer der darstellenden Geometrie.
James Watt (1736 - 1819): Der in Schottland geborene Erfinder und Mechaniker leistete einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Dampfmaschine und verhalf damit zum industriellen Durchbruch. Er gilt zudem als Erfinder der Kopierpresse und des Dampfkondensators. Ihm zu Ehren wird die Einheit der Leistung mit Watt bezeichnet.
Karl Karmarsch (1803 - 1879): Der in Wien geborene Ingenieur war der Gründer der Höheren Gewerbeschule in Hannover, der heutigen Leibniz Universität, und leitete sie 44 Jahre lang. Der Schriftsteller und Gelehrte gilt zudem als Begründer der mechanischen Technologie.
(Quelle: "175. Das etwas andere Jubiläumsbuch.")
Mario Steinebach
05.10.2017