Gelingt der Abschied vom „Elterntaxi“?
TU Chemnitz und Universität Hamburg forschen mit Schülern und Schülerinnen ihrer Städte an alternativen Mobilitätsformen
Jeden Morgen ein ähnliches Bild vor Deutschlands Schulen: Wilde Parkmanöver direkt vor dem Schultor, ein Drängeln und Hupen von „Elterntaxis“ und Kinder, die nahezu aus dem Auto ins Klassenzimmer fallen. „Dadurch, dass immer mehr Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen, steigt auch das Unfallrisiko vor den Schulen für die anderen Kinder“, meint Anne Reimers, Juniorprofessorin für Sportpädagogik mit Schwerpunkt in Prävention und Rehabilitation an der Technischen Universität Chemnitz. Diese Entwicklung habe auch langfristige Auswirkungen auf die Gesellschaft, da das von Gewohnheiten geprägte Mobilitätsverhalten vom Kindes- in das Erwachsenenalter transferiert werde.
Ein wissenschaftliches Projekt von Schülern und Schülerinnen, Lehrkräften und Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus Chemnitz und Hamburg widmet sich diesem Thema und soll Alternativen hervorbringen. Schüler und Schülerinnen sollen dazu animiert werden, selbst aktiv mobil zur Schule zu gelangen – sei es mit dem Fahrrad, zu Fuß oder auch mit einem Tretroller, Skateboard oder ähnlichem. Gefördert wird das Projekt von der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Programms „Our common future“ mit rund 45.000 Euro.
Wissenschaft und Schule - Gemeinsam für aktive Mobilität
Angeleitet von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der TU Chemnitz und der Universität Hamburg und unterstützt von ihren Lehrkräften werden Schüler und Schülerinnen des Dr.-Wilhelm-Andre-Gymnasiums in Chemnitz und der Stadtteilschule Hamburg-Poppenbüttel innerhalb und außerhalb von Workshops erkunden, welche Möglichkeiten der aktiven Mobilität ihnen und Jugendlichen im Allgemeinen zur Verfügung stehen und wie sie diese nachhaltig gestalten und nutzen können. Dabei geht es sowohl um die oben angesprochenen Wege zur Schule, aber auch andere Wege, z. B. zum Sportverein oder zu Freunden, können aktiver und nachhaltiger gestaltet werden. Um einen regen Austausch der Klassen untereinander zu fördern, werden die Kinder auch zu einem der Workshops in die jeweils andere Stadt reisen.
Das sogenannte „Jugendliche sind mobil-Projekt“ (JumP) startet am 25. Oktober 2018 mit einem Auftaktworkshop an der Stadtteilschule Hamburg-Poppenbüttel mit den Hamburger Schülern und Schülerinnen der 5. Klasse. Am Dr.-Wilhelm-André-Gymnasium Chemnitz findet der erste Workshop mit Mädchen und Jungen der Profilklasse Sport der 8. Jahrgangsstufe am 30. Oktober statt. „Danach werden die Schüler und Schülerinnen in beiden Städten Forschungskonzepte entwickeln, die sie selbst praktisch ausprobieren und umsetzen“, sagt Reimers. Hierfür erhalten sie neben den Workshops über das Schuljahr hinweg Aufgaben, die das Thema weiter vertiefen. „Die Schüler und Schülerinnen selbst werden als Forscher oder Forscherinnen im Themenbereich der aktiven Mobilität tätig – das ist das Besondere an diesem Projekt“, sagt Prof. Dr. Claus Krieger, Erziehungswissenschaftler der Universität Hamburg, der am Projekt beteiligt ist.
Der Weg ist das Ziel
„Aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen ist bereits bekannt, dass jegliche Art der körperlichen Aktivität für die Entwicklung und Gesundheit eines Kindes von großer Bedeutung ist. Dennoch zeigen aktuelle Studien, dass die Kinder in Deutschland sich zunehmend weniger bewegen“, so Krieger. „Das JumP-Projekt bietet nun Kindern die Möglichkeit, ihre eigene Mobilität zu reflektieren, Alternativen auszuprobieren und ein nachhaltiges Bewusstsein für Bewegung und aktive Mobilität in ihnen zu wecken und somit Wege aus dem alltäglichen Verkehrschaos vor deutschen Schulen zu finden“, fügt Reimers hinzu.
Weitere Informationen erteilen Jun.-Prof. Dr. Anne Kerstin Reimers, Telefon 0371 531-31141, E-Mail anne.reimers@hsw.tu-chemnitz.de, und Prof. Dr. Claus Krieger, Telefon 040 42838-3186, E-Mail claus.krieger@uni-hamburg.de
Mario Steinebach
18.10.2018