21. Werkstofftechnisches Kolloquium in Chemnitz
Fraunhofer-Präsident Prof. Dr. Reimund Neugebauer gab forschungs- und innovationspolitische Ausblicke
Im Rahmen des 21. Werkstofftechnischen Kolloquiums an der Technischen Universität Chemnitz sprach Prof. Dr.-Ing. Reimund Neugebauer, Präsident der Fraunhofer-Gesellschaft, über Forschungs- und Innovationspolitik, die deutsche Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Umfeld und notwendige Hightech-Strategien. Zum Teilnehmerkreis der renommierten Konferenz zählten Vertreterinnen und Vertreter der Universitätsleitung, der Fakultäten und der interessierten Hochschulöffentlichkeit aus verschiedenen Forschungs- und -Entwicklungsfeldern an der TU Chemnitz.
Drängende Herausforderungen – Forschungspotentiale heben
In seinem Vortrag skizzierte Prof. Neugebauer, der zugleich Mitglied im Steuerkreis des Innovationsdialogs zwischen Bundesregierung, Wirtschaft und Wissenschaft sowie Co-Vorsitzender des Hightech-Forums der Bundesregierung ist, drängende gesellschaftliche und technische Herausforderungen in einer globalisierten Welt, sowie mögliche Lösungsszenarien.
„Global steigt die Konkurrenz der Akteure in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Innovation und neue Technologien“, erläuterte Neugebauer. „Neben den USA hat insbesondere China sich zu einem ernstzunehmenden Mitspieler bei Forschungsvorhaben und Zukunftstechnologien entwickelt und mit seinen administrativen Befehlsstrukturen viel aufgeholt. Doch in Deutschland und Europa ist die freie Entfaltung der Mitarbeiter, die Möglichkeit sich offen und kreativ zu entwickeln, ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.“ Obwohl der Standort Deutschland sich im internationalen Vergleich hinsichtlich der Wirtschafts- und Innovationskraft sehr gut behaupte und insgesamt gut aufgestellt sei, fehle es speziell in Mitteldeutschland aktuell mancherorts an Großforschungsvorhaben. Die Forschung in der Region stütze sich überwiegend auf zahlreiche kleinere Einzelprojekte, die zwar bereits wertvolle Ergebnisse und Erkenntnisse ermöglichen, aber noch deutliche Ausbaufähigkeiten und Synergiepotenziale für bundesweite oder gar internationale Bedeutung beherbergen.
Anreize für Großforschungsvorhaben setzen
„Maßnahmen wie die Exzellenzstrategie des Bundes oder die rasche Umsetzung der im vergangenen Jahr beschlossenen KI-Strategie der Bundesregierung sind sehr begrüßenswert“, so der Fraunhofer-Präsident. „Initiativen in weiteren aktuellen Forschungs- und Innovationsfeldern wie beispielsweise E-Mobilität, effiziente Produktion und Biologische Transformation sollten vorangetrieben werden. Investitionen in Bildung und Forschung sowie geeignete finanzielle Anreize von Bund und Ländern auch für Großforschungsvorhaben sind dabei ebenso gefragt.“
Dass Chemnitz ein Ausgangspunkt derartiger Vorhaben sein kann, hat sich in der Bewilligung diverser Sonderforschungsbereiche sowie eines Bundesexzellenzclusters (MERGE) in der Vergangenheit bereits mehrfach bestätigt. Als Innovationsstandort bietet Chemnitz ideale Voraussetzungen für zukunftsorientierte Großprojekte, von denen die ganze Region profitieren kann.
Themen frühzeitig identifizieren
„Es ist essentiell, Forschung nicht nur exzellent zu betreiben, sondern neue Themen frühzeitig zu identifizieren und Zukunftsimpulse zu setzen. Um nachhaltige Erfolge zu verbuchen, müssen neue Forschungs- und Entwicklungsthemen zudem interdisziplinär aufgegriffen werden“, erklärte Prof. Neugebauer. „Bei Fraunhofer bündeln wir die Kompetenzen unserer Institute in prioritären strategischen Initiativen, um umfassende Systemlösungen für strategisch wichtige Fragestellungen zu erarbeiten. Kognitive Systeme, Künstliche Intelligenz und Datensouveränität, Batteriezellfertigung, Programmierbare Materialien, Quantentechnologie, Translationale Medizin, Öffentliche Sicherheit und die Biologische Transformation bilden den aktuellen Themenkanon.“
Das vom Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik (IWW), vertreten durch die Professoren Thomas Lampke, Guntram Wagner und Martin F.-X. Wagner, veranstaltete Kolloquium bot dafür eine herausragende Plattform. Etwa 180 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft und Industrie tauschten aktuelle Forschungsergebnisse der Werkstoff-, Oberflächen- und Fügetechnik aus und standen im regen Diskurs zu grundlagen- und anwendungsorientierten Themen.
Best-Paper und Poster-Verleihung
Den Auftakt der Abendveranstaltung in der Mensa bildete das Chemnitzer Sportensemble, dessen junge Akrobatinnen eine mitreißende Show boten. Der Abend wurde gekrönt mit der Verleihung der dotierten Awards für das „Best Paper“ und das „Best Poster“. Die ersten Plätze belegten: Dr.-Ing. Marcel Graf von der TU Chemnitz (Best Paper) sowie Frau Prof. Jolanta Janczak-Rusch von der EMPA aus der Schweiz (Best Poster).
Dr. Andreas Dietz, Geschäftsfeldleiter Luft- und Raumfahrt des Fraunhofer-Instituts für Schicht- und Oberflächentechnik IST, animierte am zweiten Veranstaltungstag mit seinem Abschlussvortrag „Fly me to the moon - und dann?“ die Zuhörer zum Weiterdenken und sprach über die Rolle der Galvanotechnik in extraterrestrischen Produktionsverfahren, um einen dauerhaften Aufenthalt des Menschen auf dem Mond zu ermöglichen. Seine Ausführungen wurden mit großem Interesse aufgenommen und gaben einen Ausblick auf die Ziele der Raumfahrt in den nächsten Jahrzehnten.
Eine besondere Bereicherung war erneut die traditionell zum WTK gehörende Industrieausstellung, bei der sich in diesem Jahr die namhaften Firmen Anton Paar, ATM, Cloeren, DataPhysics Instruments, InfraTec, Kulzer, Lunovu, Olympus und Polytec den interessierten Tagungsteilnehmern präsentierten und ihre Produkte und Kompetenzen vorstellten. Ebenfalls vertreten waren Studierende des T.U.C. Racing-Teams mit ihrem Rennboliden „GreenHORNet“.
Tagungsbeiträge (engl.) online verfügbar
Mit Blick auf die Schonung der Umwelt und der Ressourcen, wurde der Tagungsband erstmalig in digitaler Form an die Teilnehmenden übergeben. Für alle Interessierten sind die englischsprachigen Beiträge der auf den vielfältigen Themengebieten Forschenden bei IOP Conference Series: Materials Science and Engineering unter https://iopscience.iop.org/issue/1757-899X/480/1 zugänglich.
(Autoren: Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik der TU Chemnitz, vertr. durch Prof. Dr. Thomas Lampke, Prof. Dr. Guntram Wagner und Prof. Dr. Martin F.-X. Wagner)
Matthias Fejes
29.03.2019