International und kreativ: Leichtbau-Technologien zur 4th IMTC 2019
Unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer präsentierten 67 Expertinnen und Experten aus acht Ländern vom 18. bis zum 19. September 2019 vielfältige Fachbeiträge zu den Themen Leichtbau und Technologieentwicklung an der TU Chemnitz
Klimawandel und Umweltschutz sind aktuell die wichtigsten Handlungsfelder vieler Staaten. Schadstoffemissionen müssen für einen nachhaltigen Klimaschutz schnellstmöglich reduziert und gleichzeitig neue Formen der Mobilität aufgezeigt werden. Die Schlüsseltechnologie „Leichtbau“ insgesamt und die hybridisierten Leichtbautechnologien im Speziellen bieten hierfür besondere Lösungsansätze. Auf der 4th International MERGE Technologies Conference (IMTC) tauschten sich vom 18. bis 19. September 2019 an der Technischen Universität Chemnitz mehr als 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Neuseeland, Australien, Thailand, Portugal, Italien, Polen und Deutschland sowie zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter namhafter Unternehmen und Forschungsinstitutionen zu den aktuellen Entwicklungen und Leichtbautrends aus.
Die interdisziplinäre Tagungsplattform unter der Schirmherrschaft des Sächsischen Ministerpräsidenten, Michael Kretschmer bot ein vielfältiges Informationsangebot. In parallel stattfindenden Sessions wurden die Themen „Materialien und Halbzeuge“, „Herstellungstechnologien“, „Modellierung und Simulation“ sowie „Smart Systems Integration für die Großserienfertigung von Leichtbauprodukten“ betrachtet. Außerdem warfen die am Exzellenzcluster MERGE beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Schlaglicht auf knapp sieben Jahre interdisziplinäre Leichtbauforschung. Eine Poster-Session sowie eine begleitende Fachmesse rundeten die Tagung ab.
Mit technologischem Fortschritt und starken Kooperationen zu mehr Klimaschutz
Prof. Dr. Lothar Kroll, Koordinator des Exzellenzclusters MERGE und Tagungsgastgeber, fand zu Beginn der Veranstaltung mahnende Worte: Er verwies auf den Earth-Overshoot-Day, ein von der Organisation „Global Footprint Network“ errechnetes Datum, an dem die Ressourcennachfrage der Menschen die Kapazitäten der Erde zur Reproduktion dieser Rohstoffe übersteigt. „1990 war dieses Datum noch der 7. Dezember, in diesem Jahr haben wir den Tag bereits überschritten, denn es war der 29. Juli“, so Kroll in seiner Eröffnungsrede. „Insbesondere im Transportsektor haben wir mit Leichtbau das Instrument, nachhaltig und weltweit den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Nutzen wir diese Chance, diskutieren wir über Lösungen, vernetzen wir uns und tragen wir mit neuen Innovationen und modernen Mobilitätsformen zu mehr Klimaschutz bei. Nicht Verbote, sondern technologischer Fortschritt und starke Kooperationen sollten das Gebot der Stunde sein“, erklärte der MERGE-Koordinator.
Auch Dr. Eva-Maria Stange, Sächsische Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, betonte zum Auftakt der Veranstaltung in ihrem Grußwort: „Es ist Zeit zu handeln. Investitionen in Leichtbautechnologien heißt ‚sparen‘ an der richtigen Stelle. Mit der IMTC hat sich die interdisziplinäre und interkulturelle Möglichkeit ergeben, dass Wissenschaft und Industrie auf internationaler Ebene noch näher zusammen rücken.“ Das unerwartete Ausscheiden des Exzellenzclusters MERGE in der aktuellen Runde der Exzellenzstrategie von Bund und Ländern ändere daher nichts daran, dass der Freistaat Sachsen die Leichtbauaktivitäten von MERGE auch weiterhin unterstützen werde, so Stange.
Die internationale Ausrichtung der Konferenz lobte in seinem Grußwort ebenfalls Prof. Dr. Jörn Ihlemann, Prorektor für Forschung und wissenschaftlichen Nachwuchs der TU Chemnitz. Insbesondere der grenzübergreifende Austausch erlaube die Verknüpfung weltweit erforschter Leichtbautechnologien sowie ein hohes Maß an grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung, so Ihlemann.
„Wir brauchen starke Kooperationen und Netzwerke auf dem Weg zum Leichtbauerfolg“, betonte auch Werner Loscheider, Leiter des Referats IVB4 Bauwirtschaft, Leichtbau/Neue Werkstoffe, Ressourceneffizienz im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Damit unterstrich er den Querschnittscharakter der Game-Changer-Technologien Leichtbau und neue Werkstoffe sowie die erforderlichen Vernetzungs- und Kooperationsstrukturen. Laut seiner Einschätzung bieten die Schlüsseltechnologien Leichtbau und neue Werkstoffe zahlreiche Win-Win-Win-Möglichkeiten, die es zu nutzen gelte: für Arbeitsplätze, Umwelt und Unternehmen.
Conference Dinner mit vielen Gewinnern und Ehrungen
Zur Abendveranstaltung der 4th IMTC sprach Thomas Schmidt, Sächsischer Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, in seiner Dinner Speech über die Bedeutung des Leichtbaus und der Technologie-Entwicklung, u. a. im Bereich der Landmaschinenproduktion. Die Verbindung von Stadtentwicklung, den aktuell stattfindenden „Tagen der Industriekultur“ und der Bewerbung von Chemnitz als Europäische Kulturhauptstadt 2025 im Einklang mit neuen Leichtbauinnovationen betonte Sören Uhle, Geschäftsführer der Chemnitzer Wirtschaftsförderungs- und Entwicklungsgesellschaft mbH (CWE).
Am Abend wurden auch die Gewinner des Best Paper und Best Poster Awards ausgezeichnet: Toni Dirk Großmann und seine Co-Autoren vom Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme ENAS und der TU Chemnitz hatten das am besten bewertete Paper mit dem Titel “Reflection based Strain Sensing using Metamaterials“ eingereicht. Jens H. Lippmann und seine Co-Autoren vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU überzeugten mit ihrem Poster “Potential of a novel integration technology for high-strength welding of metal-FRP hybrid structures with the help of welding inserts (WI)“ und sicherten sich den ersten Platz des Best Poster Awards. Sie freuten sich neben Urkunde und Geschenk über einen Pokal in Form der MERGE-Spirale – gefertigt an der TU Chemnitz.
Kreativer Blick auf Leichtbauinnovationen
Eine Neuerung der diesjährigen Konferenz galt dem künstlerischen Blick auf das Themenfeld „Leichtbau“. 37 Beiträge, darunter Fotografien, Grafiken, Skulpturen und Simulationen, wurden in einer Ausstellung während der Veranstaltung präsentiert und von einer Fachjury, bestehend aus Dr. Eva-Maria Stange, Peter Patt (Mitglied des Sächsischen Landtags) und Prof. Dr. Jörn Ihlemann sowie vom Publikum bewertet. Als Vertreter der Jury würdigte Patt die Gewinner im Rahmen des Conference Dinners und überreichte die Preise und Urkunden.
Vertrag unterstreicht international nachgefragte Leichtbaukompetenz
Am Rande der Konferenz unterzeichneten Prof. Russel Varley von der Deakin University in Australien, Prof. Dr. Lothar Kroll und Dr. Isabelle Roth-Panke, Leiterin der Stiftungsprofessur „Hochleistungsfasern und Verarbeitung“ (HLF) an der TU Chemnitz ein „Memorandum of Understanding“ zur Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Erforschung von Kohlenstofffasern. Ihr Ziel ist es, künftig eine komplette Prozesskette darzustellen – „Von der Faserherstellung bis hin zu komplexen faserverstärkten Kunststoffbauteilen". Diese Prozesskette soll in Funktion und Geometrie industriellen Standards entsprechen. Zur Realisierung von Forschungsprojekten und für die Herstellung von Kohlenstofffasern vereinbarten die Partnerinnen und Partner außerdem die Bereitstellung der jeweils vorhandenen Infrastruktur in Australien und an der TU Chemnitz.
Kohlenstofffasern gelten aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer extrem hohen mechanischen Eigenschaften als d i e Tragsysteme zur Verstärkung von Ultra-Leichtstrukturen. Doch noch ist die Herstellung der Fasern sehr energieintensiv und damit sehr kostspielig. Die Forschung an der Stiftungsprofessur HLF, gestiftet vom polnischen Unternehmen Jastrzębska Spółka Węglowa Innowacje S.A. (JSW Innowacje), basiert darauf, geförderte Steinkohle nicht zur Verstromung in Kohlekraftwerken zu nutzen, sondern über chemischen Prozesse kostengünstige Fasern herzustellen. Aufbauend auf bisherigen Erkenntnissen zur Aufbereitung, Isolierung und Reinigung der kostbaren Rohstoffe aus Braun- und Steinkohle erforschen die Chemnitzer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gemeinsam mit ihren Stiftungspartnerinnen und -partner, welche der Rohstoffe sich ebenfalls als geeignete Ausgangsprodukte zur Kohlenstoff-Synthese eignen.
(Autorin: Diana Schreiterer)
Matthias Fejes
27.09.2019