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Gigantisch: 38 Kilometer Bibliotheks- und Archivgut zieht um

Angela Malz, Direktorin der Universitätsbibliothek der TU Chemnitz, spricht im Interview über den bevorstehenden Umzug der Bibliotheksbestände in die „Alte Aktienspinnerei“

Das Areal hinter dem Busbahnhof ist derzeit eine der bedeutendsten Baustellen der Stadt Chemnitz, nicht nur mit Bezug auf das Finanzvolumen von etwa 52 Millionen Euro, sondern auch mit Blick auf die wechselvolle Geschichte des Gebäudes der „Alten Aktienspinnerei“. In diesem Jahr wird in dem ehemaligen Fabrikgebäude die neue Universitätsbibliothek der Technischen Universität Chemnitz eröffnet. Mario Steinebach, Leiter der Pressestelle und Crossmedia-Redaktion der TU Chemnitz, sprach dazu mit Angela Malz, Direktorin der Universitätsbibliothek.

Von außen ist das Gebäude hinter dem Busbahnhof schon als Universitätsbibliothek erkennbar, denn der Namenszug an der neuen Fassade ist weithin sichtbar. Warum hat der Umzug der UB noch nicht begonnen?

Ja, von außen sieht das Gebäude schon sehr schön aus. Aber im Inneren gibt es noch sehr viel zu tun. Die Ausbauarbeiten befinden sich in der finalen Phase. Und auch die sicherheitstechnische Überprüfung des Hauses steht noch aus. Wenn alles nach Plan verläuft, bekommt die TU Chemnitz das Haus am 31. März vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement übergeben – der Umzug von mehr als 1,2 Millionen Büchern und des umfangreichen Archivgutes in die 12.300 Quadratmeter umfassende neue Universitätsbibliothek kann dann aber immer noch nicht beginnen.

Was ist vor dem Umzug der Bibliotheksbestände noch zu tun?

Ab 1. April, und das ist kein Aprilscherz, beginnt die Möblierung der Bibliothek. Bis dahin werden zwar alle festen Einbauten, wie die Magazinregale, die Lesesaaleinbauten und die Theken für Auskunft und Ausleihe, vorhanden sein, aber alle beweglichen Möbel müssen noch geliefert und eingebaut werden. Das betrifft zuerst die Freihandbereiche. Mehr als 22.000 Regalmeter müssen aufgebaut werden. Dann werden die Lern- und Kommunikationsbereiche, die Schulungsräume, die PC-Arbeitsplätze und die Gruppenarbeitsräume noch mit Möbeln und Technik ausgestattet.

Das klingt ja nach einer Mammutaufgabe. Wann beginnt denn dann der eigentliche Umzug?

Ab 2. Juni 2020 beginnt erst einmal der Umzug der Magazinbestände der beiden Campusbibliotheken und der Zentralbibliothek, die übrigens weiterhin normal geöffnet sind. Die Magazinbestände sind trotz Umzug eingeschränkt nutzbar. Abhängig vom Fortgang des Umzuges werden die angefragten Bestände entweder aus dem alten Magazin oder schon aus dem neuen Magazin in der Aktienspinnerei geholt und in der alten Bibliothek zur Verfügung gestellt. Dabei kann es natürlich zu Verzögerungen kommen, was sicher jeder nachvollziehen kann.

Und wann ziehen die Freihandbestände in die neuen Regale?

Der Umzug der Freihandbestände der Campusbibliothek I startet am 3. August. Diese Bibliothek wird geschlossen. Deren Bestände sind jedoch in dringenden Fällen eingeschränkt nutzbar, das heißt, sie müssen wie die Magazinbestände bestellt werden und abhängig vom Stand des Umzuges können sie in der Zentralbibliothek ausgeliehen werden. Diese Bibliothek und die Campusbibliothek II haben weiterhin normal geöffnet. Einen Monat später, also am 31. August, beginnt dann der Umzug der Freihandbestände der Campusbibliothek II. An dem Tag schließt auch diese Bibliothek und die Freihandbestände sind so nutzbar, wie die der Campusbibliothek I. Am 21. September schließt auch die Zentralbibliothek und der Umzug der Bestände dieser Bibliothek beginnt. Im Zeitraum vom 21. bis 30. September haben alle bisherigen Bibliotheksstandorte geschlossen und es können keine gedruckten Medien zur Verfügung gestellt werden. Unsere Leihfristen werden wir entsprechend anpassen. Während der gesamten Umzugsphase stehen jedoch alle elektronischen Medien wie gewohnt zur Verfügung, für die digitale UB gibt es also keinerlei Einschränkungen.

Wer übernimmt denn diesen gigantischen Umzug?

Gigantisch ist wohl das richtige Wort dafür. Insgesamt ziehen mehr als 38 Kilometer Bibliotheks- und Archivgut um. Würde man alle Medien hintereinander aufstellen, ergäbe das eine Strecke, die länger ist als die Entfernung zwischen Chemnitz und Freiberg. Für den Umzug wird eine Firma beauftragt. Der Auswahlprozess dafür läuft aktuell. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UB werden den Umzug nach Kräften unterstützen und das Ein- und Auspacken der Bestände kontrollieren. Nach dem Auspacken in der Aktienspinnerei müssen die gedruckten Bücher und Zeitschriften neu geordnet werden, weil die Bestände der drei jetzigen Standorte in eine Reihenfolge gebracht werden. Diese Arbeiten übernehmen die UB-Mitarbeitenden. Weil das eine Mammutaufgabe ist, bitten wir schon jetzt unsere Nutzerinnen und Nutzer, sich vor Schließung der Bibliotheksstandorte alle Medien auszuleihen, die sie während der Umzugsphase benötigen. Klar werden wir versuchen, auch während des Umzuges in dringenden Fällen die gewünschten Medien zur Verfügung zu stellen, aber davon sollte wirklich nur im Ausnahmefall Gebrauch gemacht werden.

Wann wird die Bibliothek in der Aktienspinnerei eröffnet?

Mit dem Start des Wintersemesters 2020/2021 wird die Bibliothek in der Aktienspinnerei eröffnet. Die Öffnungszeiten werden so aussehen: Montag bis Freitag, 09:00 Uhr bis 24:00 Uhr, und Samstag, 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr. Wie schon jetzt in unseren Campusbibliotheken wird das Bibliothekspersonal nicht während der gesamten Öffnungszeit anwesend sein können. Wir sind wochentags bis 19:00 Uhr und am Samstag bis 13:00 Uhr da. Danach übernimmt ein Sicherheitsdienst die Aufsicht über die Bibliothek. Auch wenn die Bibliothek schon geöffnet hat, ist der Umzug noch nicht ganz beendet. Hinter den Kulissen werden noch die gedruckten Bestände des Patentinformationszentrums und weitere Magazinbestände umziehen sowie Möbel und Büros der UB-Mitarbeitenden. Und im November 2020 zieht dann das Universitätsarchiv um.

Zieht dann endlich der Alltag in die neue Bibliothek ein?

Ab Dezember 2020 sind zwar alle Bestände und alle UB-Mitarbeitenden in der Alten Aktienspinnerei. Aber Alltag wird noch nicht einziehen, weil alle Abläufe und alle technischen Einrichtungen erst im Alltag bestehen müssen. Wir planen dafür eine Testphase bis März 2021 ein. Dann muss aber alles perfekt sein, denn am 1. April 2021 wollen wir unsere Öffnungszeiten erweitern und 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche öffnen. Damit sind wir die einzige 24/7-Bibliothek in Sachsen, die ihre gesamte Bibliothek rund um die Uhr öffnet.

Wie funktioniert eine 24/7-Bibliothek?

Wir setzen viel auf Technikunterstützung. Es wird Automaten für die Ausleihe der Medien geben und Rückgabeautomaten. Diese sind gekoppelt mit einem Buchtransportsystem, das die Bücher auf die Etagen fährt. In die Regale eingeordnet werden sie dann aber von unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In den Nachtstunden, am Wochenende und an den Feiertagen wird ein Wachdienst für die Sicherheit in der Aktienspinnerei sorgen.

Gibt es in der neuen Bibliothek genug Arbeitsplätze?

Ich denke schon, denn es wird mehr als 700 Plätze für verschiedene Arbeitsgewohnheiten geben. Wer es ganz still möchte, kann sich in den Lesesaal setzen oder eine Arbeitskabine mieten. Es wird sowohl Einzelplätze in den Freihandbereichen geben als auch Plätze für kleinere Gruppen für all die, die nicht die totale Stille mögen. Zur Verfügung stehen zudem vier größere Gruppenarbeitsräume für gemeinsames Lernen und Arbeiten. Im Erdgeschoss wird es eine große Fläche geben, die als Kommunikationsbereich gedacht ist. In mehrere Inseln aufgeteilt, stehen Plätze zur Verfügung für all die, die lesen, lernen, kommunizieren und Freunde treffen wollen – und das alles zusammen. Hier gibt es auch Eltern-Kind-Bereiche – einen für die ganz kleinen und einen für die größeren Kinder bis etwa zwölf Jahre. Bei schönem Wetter kann dann auch ein Lesegarten genutzt werden. Und die Gruppenarbeitsräume können bei Bedarf auch in größere Veranstaltungsräume verwandelt werden.

Ändert sich künftig etwas an der Bibliotheksnutzung?

Alle Nutzungsmöglichkeiten bleiben wie bisher bestehen und natürlich sind auch alle Bibliotheksausweise weiterhin gültig. Neu ist, dass alle Bibliotheksangebote zentral unter einem Dach vereint sind und dass unsere Nutzerinnen und Nutzer in der Bibliothek genau den Platz finden werden, der zu ihren Arbeitsgewohnheiten passt. Wir arbeiten natürlich auch an neuen Serviceleistungen. So soll es eine größere Auswahl an buchbaren Angeboten geben und neue Veranstaltungsformate. Nach wie vor werden die Bibliotheksmitarbeitenden allen Nutzerinnen und Nutzern mit Rat und Tat zur Verfügung stehen. Verstärkt wird unser Team übrigens durch einen neuen Mitarbeiter, der sich in Größe und Gestalt sehr von uns allen unterscheiden wird. Wer das sein wird, ist eine Überraschung.

Dann sind wir auf den geheimnisvollen Mitarbeiter und natürlich auf unsere neue Universitätsbibliothek sehr gespannt. Wir wünschen Ihnen und Ihrem Team nun viel Kraft für die heiße Phase des Umzugs. Mögen Sie nie den Überblick verlieren. Herzlichen Dank für das sehr informative Gespräch!

Mario Steinebach
23.01.2020

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