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Auf die Nähe kommt es an: Wie Kristall den Widerstand von Graphen beeinflusst

Forschungsteam unter Leitung der Universität Göttingen und mit Beteiligung der TU Chemnitz beobachtet größere Variation als bislang angenommen - Veröffentlichung in Nature Communications

(Hinweis: Die folgende Original-Meldung der Georg-August-Universität Göttingen enthält als Ergänzung eine Einordnung von Prof. Dr. Thomas Seyller und Prof. Dr. Christoph Tegenkamp, die in das Projekt involviert waren. Die Original-Meldung ist am 28. Januar 2020 auf der Homepage der Universität Göttingen erschienen: www.uni-goettingen.de/de/3240.html?id=5795)

(pug) Graphen wird oft als Wundermaterial der Zukunft bezeichnet. Mittlerweile können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler perfekte Graphen-Lagen auf Quadratzentimeter großen Kristallen wachsen lassen. Ein Forschungsteam der Universität Göttingen hat gemeinsam mit der Technischen Universität Chemnitz (Prof. Dr. Thomas Seyller und Prof. Dr. Christoph Tegenkamp) und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt Braunschweig den Einfluss des darunter liegenden Kristalls auf den elektrischen Widerstand des Graphens untersucht. Entgegen bisheriger Annahmen zeigen die neuen Ergebnisse, dass der im englischen als Proximity-Effekt bezeichnete Prozess lokal stark variiert. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift "Nature Communications" erschienen.

Die Zusammensetzung von Graphen ist denkbar einfach. Es handelt sich um eine einzelne atomare Lage von Kohlenstoffatomen, angeordnet in einer Bienenwabenstruktur. Das dreidimensionale Analogon ist aus unserem alltäglichen Leben nicht wegzudenken, denn es ist eine einfache Bleistiftmine. Trotzdem konnte das zweidimensionale Material Graphen erst im Jahr 2004 im Labor synthetisiert werden. Um den elektrischen Widerstand auf kleinster Längenskala zu bestimmen, verwendeten die Physikerinnen und Physiker ein Rastertunnelmikroskop. Dieses kann atomare Strukturen sichtbar machen, indem es mittels einer feinen Metallspitze die Oberfläche abrastert. Mit der Spitze des Rastertunnelmikroskops maß das Team außerdem den Spannungsabfall und damit den elektrischen Widerstand der Graphen-Probe.

Abhängig von der Messposition ermittelten die Forscher stark unterschiedliche Werte für den elektrischen Widerstand. Als Begründung hierfür führen sie den Proximity-Effekt an. „Die räumlich variierende Wechselwirkung zwischen Graphen und dem darunter liegenden Kristall führt dazu, dass wir abhängig von der Position unterschiedliche elektrische Widerstände messen“, erläutert Anna Sinterhauf, Erstautorin und Doktorandin im IV. Physikalischen Institut der Universität Göttingen.

Bei tiefen Temperaturen von 8 Kelvin, welches etwa minus 265 Grad Celsius entspricht, fand das Team Variationen im lokalen Widerstand von bis zu 270 Prozent. „Dieses Ergebnis legt nahe, dass der elektrische Widerstand von epitaktischem Graphen nicht einfach mit einem gemittelten, makroskopischen Wert beschrieben werden kann“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Dr. Martin Wenderoth. Das Team geht davon aus, dass der Proximity-Effekt auch für andere zweidimensionale Materialien eine wichtige Rolle spielen könnte.

Proximity-Effekte in 2D-Materialien wie Graphen, die durch den Kontakt der atomar dünnen Schicht mit einem anderen Material – hier dem Substrat – verursacht werden, stellen einen Schwerpunkt in der Forschung von Prof. Dr. Thomas Seyller, Professur für Experimentalphysik mit dem Schwerpunkt Technische Physik an der TU Chemnitz, und Prof. Dr. Christoph Tegenkamp, Professur Analytik an Festkörperoberflächen an der TU, dar. Die Zusammenarbeit mit den Gruppen aus Göttingen und Braunschweig zeigt, wie wichtig es ist, derartige Wechselwirkungen im Detail zu untersuchen, um das Verhalten von Quasiteilchen in neuartigen Quantenmaterialien zu verstehen. "Das langfristige Ziel ist es, mit Hilfe von Proximity-Effekten 2D-Materialien gezielt zu modifizieren und für eine Anwendung, zum Beispiel in der Elektronik oder Spintronik, nutzbar zu machen", ordnet Thomas Seyller die Ergebnisse ein. Seyller hat maßgebliche Grundlagen in der Graphen-Forschung gelegt.

Originalveröffentlichung: Anna Sinterhauf et al. Substrate induced nanoscale resistance variation in epitaxial graphene, Nature communications (2020). www.nature.com/articles/s41467-019-14192-0

Multimedia: Im Podcast „TUCpersönlich“ gibt Prof. Dr. Thomas Seyller Einblick in die Graphen-Forschung, wie er es erlebt hat, zu den meistzitierten Forschern der Welt zu zählen und wie er seine Bratwurst am liebsten isst.

Prof. Dr. Christoph Tegenkamp berichtet im Podcast von seiner Begeisterung für Physik, seinem Forschungsaufenthalt in den USA und warum er fast Tischler geworden wäre.

Weitere Informationen erteilen Prof. Dr. Thomas Seyller, Professur für Experimentalphysik mit dem Schwerpunkt Technische Physik, Tel. +49 (0)371/531-21770, E-Mail thomas.seyller@physik.tu-chemnitz.de und Prof. Dr. Christoph Tegenkamp, Professur Analytik an Festkörperoberflächen, Tel. +49 (0)371/531-33103, E-Mail christoph.tegenkamp@physik.tu-chemnitz.de

Matthias Fejes
06.02.2020

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