"Wer die Zukunft gestalten möchte, muss seine Vergangenheit kennen"
Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, eröffnete an der TU Chemnitz die Wanderausstellung „Die Rosenburg – das Bundesjustizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit“
Bis zum 5. März 2020, dem Chemnitzer Friedenstag, ist die Wanderausstellung „Die Rosenburg – Das Bundesjustizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit“ im Foyer des Hörsaalgebäudes der Technischen Universität Chemnitz zu sehen. Am 6. Februar 2020 wurde sie von Christine Lambrecht, Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, gemeinsam mit dem Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Gerd Strohmeier, offiziell eröffnet.
"Wer die Zukunft gestalten möchte, muss seine Vergangenheit kennen", sagte Lambrecht zur Eröffnung. Sie zeigte auf, dass die Weimarer Republik deshalb scheitern musste, da zu wenige Demokratinnen und Demokraten zu ihr gestanden haben. Mit Bezug auf das Bundesjustizministerium und die Rosenburg-Ausstellung sagte Lambrecht: "Es ist wichtig, Unrecht klar zu benennen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen." Es sei außerdem wichtig, die Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung der NS-Vergangenheit ihres Hauses der Öffentlichkeit zu vermitteln. Deshalb habe sie sich gefreut, dass der Rektor der TU Chemnitz auf sie zugekommen sei, die Ausstellung an die TU Chemnitz zu holen. Für Strohmeier sei es bedrückend zu sehen, wie viele Vertreter eines unfassbar großen Unrechtsregimes im Bundesjustizministerium Fuß fassen konnten, es sei aber auch erhellend zu sehen, wie das Ministerium mit seiner Vergangenheit umgehe. "Wichtig ist in diesem Kontext, dass eine Demokratie ohne Demokraten nicht funktionieren kann, eine demokratische Struktur einer demokratische Kultur bedarf und es einen Unterschied zwischen Legalität und Legitimität gibt", so der Rektor im Rahmen der Ausstellungseröffnung.
Prof. Dr. Manfred Görtemaker, Leiter des „Rosenburg-Projektes“ und ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte mit dem Schwerpunkt 19./20. Jahrhundert an der Universität Potsdam, stellte auszugsweise die in der „Akte Rosenburg“ zusammengefasste wissenschaftliche Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des Bundesjustizministerium vor (siehe Hintergrund). Er zeigte auf, wie es den deutschen Juristinnen und Juristen gelang, sich kollektiv zu entnazifizieren und ging in diesem Zusammenhang auf die "Kalte Amnestie" ein, die letztendlich zur Straffreiheit von NS-Verbrechen führte.
Auf neun Stelen bringt die Ausstellung die Vergangenheit des Bundesministeriums sprichwörtlich ans Licht. Überdimensionale Bürolampen erleuchten die ehemals dunkle Seite und die Verstrickung in das NS-Unrecht. Mit Zeitzeugenberichten, Opfer- und Täterbiografien sowie beispielhaften Gesetzestexten arbeitet die Ausstellung die Vergangenheit auf. Ziel dieser Ausstellung ist, die Erkenntnisse der „Akte Rosenburg“ einem breiten Publikum vorzustellen und dadurch das Bewusstsein für das historische Unrecht zu schärfen.
Öffnungszeiten der Ausstellung: Die Ausstellung ist im Foyer des Hörsaalgebäudes der TU Chemnitz, Reichenhainer Straße 90, zu sehen. Öffnungszeiten: Montag bis Freitag: 07:00 bis 20:30 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Hintergrund: Von der „Akte Rosenburg“ zur Wanderausstellung
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Bundesministerium der Justiz geschaffen. Seinen ersten Dienstsitz hatte es in der „Rosenburg“, einem Landhaus im neoromanischen Stil in Bonn-Kessenich. Das Führungspersonal, das der erste Bundesjustizminister Thomas Dehler und sein Staatssekretär Walter Strauß einstellten, war zu einem großen Teil in das NS-Regime verstrickt gewesen. Die Zahl der ehemaligen NSDAP-Mitglieder lag zur „Rosenburg-Zeit“ regelmäßig bei über 50 Prozent, Ende der 1950er Jahre sogar bei über 70 Prozent. In der Strafrechtsabteilung lag der Anteil der NS-belasteten Mitarbeiter in dieser Zeit bei 100 Prozent. Doppelmitgliedschaften in der SA waren dabei keine Ausnahme. Einzelne Beamte hatten dem NS-Regime auch als Block-Leiter („Blockwarte“) gedient. Dies ist nur ein winziges, jedoch folgenreiches Detail aus der wissenschaftlichen Aufarbeitung der personellen und sachlichen Verwobenheit des jungen Bundesjustizministeriums mit der NS-Zeit im Rahmen des sogenannten „Rosenburg-Projektes“. Die personelle Konstellation blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Sacharbeit des Ministeriums. Hier liegen mögliche Erklärungsansätze dafür, warum sich die Strafverfolgung der Nazi-Verbrechen so lange hinzog, das Leid der Opfer viel zu lange ignoriert und viele Opfergruppen – wie Homosexuelle oder Sinti und Roma – in der Bundesrepublik erneut diskriminiert wurden. 600 Seiten stark ist der Abschlussbericht der 2012 vom Ministerium eingesetzten Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission. Sein Buchtitel lautet „Die Akte Rosenburg“.
Damit diese historischen Erkenntnisse nicht nur zwischen zwei Buchdeckeln verschwinden, wurde aus der „Akte Rosenburg“ die Wanderausstellung „Die Rosenburg – Das Bundesjustizministerium im Schatten der NS-Vergangenheit“. Die Ausstellung wurde so konzipiert, dass sie die zwei Seiten der Rosenburg deutlich zeigt: einerseits die Vorderseite, die helle Fassade – andererseits die Rückseite, die Schattenseite mit ihren dunklen Hintergründen. Weitere Informationen: www.bmjv.de/rosenburg
Multimedia: Bundesjustizministerin Christine Lambrecht erläutert in einem Video-Clip im YouTube-Kanal der TU Chemnitz, warum die Ausstellung auch an der TU Chemnitz gezeigt wird.
Im Instagram-Kanal der TU kann eine Instagram-Story zur Ausstellungseröffnung abgerufen werden (eigener Account erforderlich).
Zudem ist ein kurzer Video-Bericht von der Eröffnung im YouTube-Kanal der TU verfügbar.
Mario Steinebach
06.02.2020