Laufende Forschungsprojekte
Solidarität mit Hindernissen. Die schwierige Verständigung von Solidarność-Mitgliedern in Westdeutschland zu Beginn der 1980er Jahre
Projektziel:
Die Ausrufung des Kriegsrechts im Dezember 1981 in Polen ging mit einem Verbot der Solidarność einher. Viele Mitglieder emigrierten ins Ausland unter anderem nach Westdeutschland. Dort begann ein intensiver Diskurs mit westdeutschen Gewerkschaften und Intellektuellen über die grundsätzliche (Un-)Reformierbarkeit des Sozialismus, die gewerkschaftliche Arbeit, die nationale Frage in Polen und in Deutschland, Deutschland und Polen in der europäischen Außenpolitik sowie die Vision eines Europas nach dem Ende von Staatssozialismus und Kaltem Krieg. Im westdeutschen gewerkschaftlichen Milieu wurde vertieft über gewerkschaftliches Selbstverständnis und Handlungsmöglichkeiten diskutiert, auf polnischer Seite führten die Kontakte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Praxis der Gewerkschaftsarbeit im Westen. Die hier in Gang gesetzten Debatten beeinflussten nicht nur das Denken beider Seiten, sondern ermöglichten auch wesentlich die deutsch-polnische Verständigung nach 1989.
Projektbeschreibung:
1. Kontext
Die Neuordnung Europas nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und die Wahrnehmung einer von den kommunistischen Machthabern sich unabhängig machenden Gesellschaft wurde auch in den Kontakten zwischen deutschen und polnischen Gewerkschaftlern vorbereitet. Die Verortung der Diskurspartner auf beiden Seiten in einem gewerkschaftlichen Milieu schuf eine Nähe, die die Aufnahme von Beziehungen ermöglichte. Beim Nahkontakt stellten sich jedoch unerwartete Differenzen heraus, an denen sich eine intensive diskursive Arbeit entzündete. Diskutiert wurden damals Themenkomplexe wie das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und Kirche, Fragen der deutsch-polnischen Versöhnung und der grundsätzlichen (Un-)Reformierbarkeit des Sozialismus.
2. Fragestellung
Analysiert werden die Diskurse von Vertretern der Solidarność in Westdeutschland sowie polnischer Emigranten mit westdeutschen Gewerkschaften und Linksintellektuellen nach der Verhängung des Kriegsrechts in Polen im Dezember 1981 bis zum Ende des Sozialismus im Frühjahr 1989. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt dabei auf dem Zeitraum direkt nach der Verhängung des Kriegsrechts. Erkenntnisleitend ist dabei die These, dass am Diskurs der Gewerkschaftsvertreter und Intellektuellen eine thematische Verflechtung und wechselseitige Beeinflussung beider Gesellschaften in bestimmten Milieus eruiert werden kann, die über eine einseitige karitative Haltung Westdeutschlands gegenüber Polen weit hinausgeht. Gefragt wird nach dem Stellenwert der westdeutsch-polnischen Kontakte für die weitere Entwicklung des deutsch-polnischen Verhältnisses, nach den Grundlagen dieser Gespräche, nach eventuellen Erfolgen und Missverständnissen in diesem Verhältnis sowie nach den Nachwirkungen nach 1989.
3. Untersuchungsmethoden
Analysiert werden Zeitungen und Periodika der beteiligten Akteure, außerdem werden Zeitzeugeninterviews geführt. Untersucht wird das Verhalten der Akteure anlässlich einer Reihe ausgewählter Schlüsselereignisse sowie im Wandel der Zeit. Als lokales Fallbeispiel werden Möglichkeiten und Grenzen des konkreten Zusammenwirkens zwischen Solidarność-Anhängern und westdeutschen Intellektuellen in Bremen erforscht, wo die Aktivitäten der westdeutschen Exilgruppe der Solidarnosc; zeitweilig koordiniert wurden. Das Projekt geht über die bereits vorliegenden Untersuchungen zu den westdeutsch-polnischen Kontakten in diesem Zeitraum hinaus, da es die Annäherungsprozesse lokal fokussiert analysiert.
Pogląd Polskie lato
Przekazy Wiadomości Kolońskie
Projektdauer: Februar 2016 - Januar 2018
Projektleitung und Bearbeiter/in:
Projektleitung: Prof. Dr. Stefan Garsztecki
TU Chemnitz Institut für Europäische Studien
E-Mail: stefan.garsztecki@…
Bearbeiter: Dr. Rüdiger Ritter
TU Chemnitz Institut für Europäische Studien
E-Mail: RRitter@…
Das Projekt wird gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung mit einer Summe von rund 80.000 Euro.