Teilnehmerinnenbericht von Iris Keck, Bianca Suche, Janine Hölzel, Hannah Olbricht, Ruth Paßen
Dienstag, den 28.09.2010
An diesem Tag besichtigten wir das berühmte Prado-Museum. In einer kurzen gemeinsamen Besichtigung unter der Führung von Frau Pinheiro konnten wir viele Erinnerungsorte des spanischen Zentralismus wieder finden.
Doch zunächst erhielten wir einige interessante historische Informationen über das Museum. Das Gebäude wurde von Karl III. ursprünglich als Naturkundemuseum erbaut und erst 1819, nach der französischen Besatzung, unter Ferdinand VII. als königliche Gemäldesammlung eröffnet. Früher war die Sammlung dem Publikum nur mittwochs zugänglich. Während des Bürgerkriegs in Spanien wurden die Gemälde in die Schweiz gebracht und überstanden den Krieg so größtenteils unversehrt, das Gebäude erlitt jedoch einige Schäden.
Das Museum umfasst nicht nur Werke von spanischen Künstlern, sondern unter anderem auch flämische und deutsche Malerei. Wir konzentrierten uns aber auf Gemälde, in denen die Entstehung des Gedankens einer nationalen Identität Spaniens deutlich wird, wie zum Beispiel Isabel la Catolica von Eduardo Rosales, auf dem die spanische Königin zu sehen ist, wie sie aus dem Sterbebett ihr Testament diktiert.
Das spanische Heldentum im Unabhängigkeitskrieg wird auf drei Bildern deutlich: Die Erschießung der Aufständischen(sp. Los fusilamientos del tres de mayo) und Kampf gegen die Mamelucken (sp. La carga de los mamelucos en la Puerta del Sol) von Francisco de Goya und Übergabe von BailénvonJosé Casado del Alisal. Goya zeigt in sehr nahe gehender Art und Weise die Erschießung von aufständischen Spaniern durch die französischen Besatzer. Casado del Alisal hingegen präsentiert die Spanier schon wieder als Sieger, die gerade ihren ersten Triumph über die Franzosen genießen. Gerade bei diesen Bildern wurde uns klar, wie die Idee einer nationalen Identität durch die Geschichte entstehen kann.
Das Bild vom Prado, das die Chemnitzer Besucherinnen am meisten beeindruckte, war sicherlich Die Hoffräulein (sp. Las Meninas) von Diego Velázquez: Es zeigt die Infantin Margarita, die Tochter Philipps IV. von Spanien, im Kreise ihrer Hofdamen. Spannend an diesem Bild sind vor allem die verschiedenen Interpretationen, die es im Laufe der Zeit hervorrief.
Der Museumsbesuch hat es uns auf interessante Weise möglich gemacht, die Entstehung einer spanischen Identität anhand von Bildern zu verfolgen. Nach der gemeinsamen Besichtigung hatten wir Zeit, den Prado und seine Gemälde auf eigene Faust zu erkunden: Einige zog es zu Rubens Grazien, andere interessierten sich für Goyas dunkle Phase, manche ließen sich auch einfach treiben, bis es uns wieder hinaus ins warme Sonnenlicht zog.
Am Nachmittag zogen wir mit unseren Fotoapparaten auf der Suche nach Motiven für die Ausstellung „Aspekte der Einwanderung“ los. Der Großteil der Gruppe machte sich auf den Weg zu den Stadtteilen nahe den Metrostationen La Latina und Lavapiés. Eine kleinere Gruppe brach nach Vallecas auf. Unsere Aufgabe war es, in den unweit vom Zentrum Madrids gelegenen Migrantenvierteln, Fotos für die Ausstellung ‚Bilder eines interkulturellen Europa’ zu schießen. Was einfach klingt, war anspruchsvoll und erforderte viel Feingefühl. Man musste ein Auge für die richtigen Bilder und ein Gespür für die perfekte Situation entwickeln. Es galt unter anderem zwischen Touristen und Migranten zu unterscheiden, dann den richtigen Blickwinkel zu finden und schließlich aussagekräftige Fotos zu machen.
Um die Persönlichkeitsrechte zu wahren, baten wir die Personen, die wir fotografierten, vorher um Erlaubnis und erhielten dabei die unterschiedlichsten Reaktionen. Von der freundlichen Zustimmung mit dem anschließend stolz-lächelnden Schulterklopfen eines älteren muslimischen Herrn, über eine Einladung zum Mittagessen von einer Gruppe afrikanischer Jugendlicher, bis hin zu der Ablehnung aus Angst oder Misstrauen bzw. der Aufforderung, die ab und an heimlich geschossenen Fotos wieder zu löschen, war alles dabei. Obwohl wir mehrmals erläutert hatten, dass die Fotos ausschließlich für eine Ausstellung an unserer Uni sind und keinesfalls im Internet veröffentlicht werden, stellten wir häufig fest, dass wir die Menschen mit unseren drei Kameras stark verunsicherten. Teilweise hatten wir auch mit einer Art doppelten Sprachbarriere zu kämpfen, da weder wir noch die fotografierten Personen spanische Muttersprachler sind. Die angespannte Lage vor dem spanischen Generalstreik und die Angst von (ausländischen) Ladenbesitzern vor Randale vereinfachten die Lage nicht.
Passend zum Thema der Kulturenvielfalt haben wir uns zum Abendessen im Restaurant La Colonial, bei uns um die Ecke – Huertas 66 – getroffen. Dort konnten wir ein informelles Gespräch mit der katalanischen Wissenschaftlerin, Dr. Isabel Oltra, führen. Frau Oltra ist Dozentin an der Universitat Rovira i Vergili, Tarragona, und forscht zurzeit am Consejo Superior de Investigaciones Científicas in Madrid. Sie stand Frage und Antwort zu Themen unseres Seminars und darüber hinaus: Wie lebt es sich als Katalanin in der Hauptstadt des spanischen Zentralismus? Ist das neue katalanische Statut Teil eines Kräftemessens zwischen Madrid und Katalonien? Und ist das Verbot des Stierkamps die katalanische Replik darauf? Was wäre die Roja ohne die katalanischen Spieler? Was wären sie ohne die Roja? Wir hatten auch Gelegenheit, unsere Suche nach dem interkulturellen Spanien zu berichten und Erfahrungen auszutauschen. Ach, und gegessen haben wir außerdem auch. In La Colonial hatten wir die Wahl zwischen kubanischen und spanischen Spezialitäten – ganz nach dem Prinzip der multikulturellen Vielfalt.
Iris Keck, Bianca Suche, Janine Hölzel, Hannah Olbricht, Ruth Paßen