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Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
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Pressemitteilung vom 16.9.1997

Doktoranden-Getuschel auf der elektronischen Pinwand

Uni-Kooperation bietet schöne "Aussichten" für Nachwuchs- wissenschaftler

Da sitzt er nun einsam in seinem stillen Kämmerlein oder auch in einer großen Unibibliothek: der deutsche Doktorand. Denn zumindest in den Geisteswissenschaften bleibt meist mehr oder weniger sich selbst überlassen, wer an seiner Doktorarbeit sitzt - eine fundierte und durchgängige Betreuung, der wissenschaftliche Austausch mit anderen Doktoranden oder gar ein spezielles Studienprogramm wie in den USA und Frankreich sind eher die Ausnahme. Und besonders arm dran sind jene Jungwissenschaftler, die fächerübergreifend forschen - etwa im neuen Fachgebiet Interkulturelle Kommunikation.

Doch das soll jetzt anders werden, wenn es nach dem Willen von Prof. Bernd Müller-Jacquier von der Chemnitzer Uni geht. Gemeinsam mit seinen Kollegen Prof. Hartmut Schröder von der Europa-Universität in Frankfurt an der Oder und Prof. Karlfried Knapp von der Pädagogischen Hochschule/Universität in Erfurt hat der Kommunikationswissenschaftler "Widok" ins Leben gerufen, das Virtuelle Doktorandenkolloqium. In der vergangenen Woche wurde es auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Nein, da fehlt kein "V" in Widok - weil die Euro-Uni an der Oder sehr viele osteuropäische, besonders polnische, Studenten ausbildet, hat man sich aus Respekt dieses Wortspiel ausgedacht: Widok ist auch das polnische Wort für "Aussicht".

Die Aussichten sind in der Tat gut: Über das Internet werden Doktoranden verschiedener Länder bei ihren Forschungen betreut, können ihre Ergebnisse untereinander oder mit den beteiligten Hochschullehrern diskutieren - und das wahlweise in deutsch oder englisch. Selbst die Sprechstunden der Profs finden im Internet statt, entweder zeitversetzt über die elektronische Post oder direkt nach vorheriger Verabredung. Sogar Videokonferenzen mit den Professoren und den anderen Teilnehmern sind im Endausbau möglich. Daneben bildet sich gerade ein Beirat mit Hochschullehrern aus den USA, Australien, Finnland, Dänemark und Polen, der den Doktoranden ebenfalls mit Rat und Tat zur Seite stehen wird - ein Vorgeschmack auf die in Zukunft geplante europaweite Ausdehnung des Programms. Außerdem kann schon jetzt auf verschiedene Hilfsmittel, etwa eine Datenbank oder vorbereitete Suchmaschinen, im Netz zugegriffen werden.

Gedacht ist das Internet-Kolloquium für Studenten der Interkulturellen Kommunikation. Dieses neue Fach erforscht die Schwierigkeiten und - die Möglichkeiten der Verständigung zwischen verschiedenen Kulturen - nicht nur für Diplomaten, auch für Geschäftsleute, Ingenieure und Touristen mehr und mehr wichtig, wollen sie nicht ungewollt in jedes Fettnäpfchen treten und dadurch vielleicht sogar lebenswichtige Aufträge für unsere Wirtschaft verlieren. Und gerade in diesem Fach kann man auf Austausch nicht verzichten - es gibt bisher nur eine einzige deutsche Professur, die von Prof. Müller-Jacquier an der Chemnitzer Uni. An anderen Unis wird das Gebiet von Hochschullehrern verwandter Fächer mitbetreut.

Wer am Kolloquium teilnehmen möchte, muß einen Zugang zum Internet und eine eigene e-mail-Adresse haben, die möglichst auch vom eigenen Computer zuhause aus genutzt werden können. Einen solchen Anschluß bieten mittlerweile die meisten Hochschulen an. An der Chemnitzer Uni etwa, einem der Pioniere des Internets, bekommt inzwischen jeder Student schon bei der Einschreibung seine e-mail-Adresse. Neben den öffentlichen Seiten, die von der Europa-Universität betreut werden (http://viadrina.euv-frankfurt- o.de/~sw2/Doktoranden/) und einer Liste mit den e-mail-Adressen aller Teilnehmer gibt es auch noch einen geschlossenen Diskussionsraum, den man nur mit einem Paßwort betreten kann. Dadurch soll verhindert werden, daß Fremde die Forschungsergebnisse einfach für eigene Zwecke abkupfern können. Dieser Diskussionsraum, das "Basic Support for Cooperative Working - Pinboard" (etwa: Anschlagtafel mit Grundunterstützung für die Zusammenarbeit) ist das eigentliche Herzstück des Vorhabens. Hier sollen die Beteiligten nicht nur neue Methoden der Sozialforschung diskutieren, sondern gleichzeitig auch künftige Formen des akademischen Arbeitens und Lehrens erproben.

(Autor: Hubert J. Gieß)

Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Philosophische Fakultät, Thüringer Weg 11, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier, Tel. 0371/531-3966, Fax 0371/531-2933, e-mail: mue-jac@phil.tu-chemnitz.de