Pressemitteilung vom 23.02.1998
ENVITEC ´98: Neues Recyclingverfahren für Gummi
Was man aus alten Reifen noch alles machen kann
Chemnitzer Wissenschaftler entwickeln neues Recyclingverfahren für
Gummi
(Pressemitteilung 45/98)
Die Maya in Mittelamerika hatten es noch einfach. Zwar stellten sie
bereits gegen Nässe imprägnierte Schuhe und Mäntel her - aus Latex,
dem Saft des Gummibaums. Und ihre Nachbarn, die Azteken, spielten
sogar schon mit Gummibällen. Aber damals war das Gummi noch nicht
haltbar, wurde rasch brüchig, verrottete mit der Zeit. Das änderte
sich erst, als man im vergangenen Jahrhundert lernte, den Gummi zu
vulkanisieren. Dabei werden die langen Kettenmoleküle des
Rohkautschuks miteinander vernetzt. Erst jetzt war es möglich, so
elastische, haltbare und nützliche Dinge wie Autoreifen oder Kondome
herzustellen.
Doch damit begannen auch die Probleme. Einmal vernetzter Kautschuk
nämlich läßt sich nicht wieder durch Zufuhr von Wärme formbar machen
und deshalb nicht mehr zu neuen Produkten verarbeiten - Reifen wie
Kondome lassen sich nur einmal verwenden. Allein in Deutschland fallen
deshalb Jahr für Jahr rund 600.000 Tonnen Altreifen an, dazu kommen
noch einmal 420.000 Tonnen sonstige Gummiabfälle. Und die landeten in
der Vergangenheit oft genug auf der nächsten Deponie oder wurden
einfach verbrannt.
Das freilich gefällt der Öffentlichkeit schon lange nicht mehr, und so
sucht man seit langem verzweifelt nach Möglichkeiten der
Wiederverwertung. Bisher mußte man sich notgedrungen damit zufrieden
geben, den Gummi zu zerkleinern und dann das entstandene Gummimehl als
Füllstoff anderen Materialien, etwa beim Straßenbau, unterzumischen.
Jetzt haben Kunststofftechniker der Chemnitzer Uni um Prof. Dr. Günter
Mennig und Dr. Hannes Michael ein neues, mittlerweile patentiertes
Verfahren entwickelt, um aus Gummiabfällen wieder einen brauchbaren
Kunststoff, ein sogenanntes thermoplastisches Elastomer (TPE), zu
machen. Die Chemnitzer Wissenschaftler wurden dafür kürzlich mit dem
"Silbernen Umwelttaler" der Stadtwerke Chemnitz und der Chemnitzer
Freien Presse ausgezeichnet. Vom 2. März bis 6. März 1998 werden die
Forscher ihr Verfahren auf der Umweltmesse ENVITEC in Düsseldorf,
Halle 7, auf dem Stand A74 "Forschungsland Sachsen" der Öffentlichkeit
vorstellen.
Die Idee der Chemnitzer Forscher bestand darin, das Gummimehl mit
einem Netzmittel oberflächlich so zu aktivieren, daß es sich mit einem
zugesetzten Kunststoff, einem Polypropylen, wieder verbinden kann.
Gerade diese Eigenschaft geht nämlich bei einer Vulkanisation
verloren. Das sogenannte "Schmelzemischen mit dynamischer
Stabilisation" führt zu einem völlig neuen Werkstoff. Er läßt sich
immer wieder aufschmelzen und wiederverwenden, gehört also zu den
Thermoplasten. Besonders überrascht waren die Wissenschaftler über die
hohe Zugfestigkeit und das gute Dehnungsverhalten des neuen Materials:
es läßt sich um mehr als das Doppelte in die Länge ziehen, bevor es
reißt - normalerweise ist dies schon bei einer Dehnung von mehr als 40
Prozent der Fall. Zudem lassen sich diese Werte durch bestimmte
Zuschlagstoffe, je nach Einsatzgebiet, in einem weiten Bereich
variieren.
Der neuartige Kunststoff aus Altreifen läßt sich spritzgießen,
entsprechende Teile stellen die Chemnitzer in Düsseldorf vor. Zudem
ist er auch als Bindemittel bei Ölkatastrophen geeignet, da er auf dem
Wasser schwimmt und dabei Öl, jedoch kein Wasser aufnimmt.
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für
Maschinenbau und Verfahrenstechnik, Institut für Allgemeinen
Maschinenbau und Kunststofftechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107
Chemnitz, Prof. Dr. Günter Mennig, Telefon (03 71) 5 31-23 83, Fax
(03 71) 5 31-37 76, E-mail: guenter.mennig@mb3.tu-chemnitz.de, Dr.
Hannes Michael, Tel. (03 71) 5 31-23 82, E-mail:
hannes.michael@mb3.tu-chemnitz.de oder auf der ENVITEC vom 2. bis 6.
März 1998 in Düsseldorf, Halle 7, Stand A 74 "Forschungsland Sachsen".