Pressemitteilung vom 11.02.1999
CeBIT ´99: Im Handumdrehen zu neuen Chips
Im Handumdrehen zu neuen ChipsChemnitzer Wissenschaftler helfen, die Entwicklung neuer Produkte zu verkürzen
Können Sie sich noch an die Handys von vor drei, vier Jahren erinnern? Gegenüber den Modellen dieses Jahres waren sie geradezu klobig, sie strahlten verhältnismäßig viel Energie ab, weshalb auch der Akku meist nicht lange durchhielt, und so leistungsfähig wie die heutigen Geräte waren sie auch nicht. Für Computer gilt das gleiche: Etwa 3.500 Mark mußte man noch vor einigen Jahren für einen halbwegs akzeptablen Computer samt 14-Zoll-Monitor, Drucker, einem Vierfach-CD-ROM-Laufwerk und einer Festplatte von vielleicht 800 Megabyte zahlen - heute bekommt man für 2000 Mark einen Rechner mit 17-Zoll-Bildschirm, der im Preis enthaltene Drucker wird auch mit Farbe fertig, das CD-ROM-Laufwerk dreht sich mit 32facher Geschwindigkeit, die Festplatte hat locker einige Gigabyte, und eine tolle Soundkarte samt zwei Lautsprechern ist ebenfalls im Preis enthalten. Und natürlich ist auch das Herzstück des Computers, der Prozessor, mindestens sechsmal so schnell.
Die Beispiele sollen deutlich machen: Die Entwicklungszyklen für neue Produkte sind rasend schnell geworden - wann immer ein technologisch hochwertiges Gerät auf den Markt kommt, ist es praktisch schon veraltet. Die neue Produktgeneration ist meist nicht nur viel leistungsfähiger, sondern auch noch preiswerter. Doch die Zeit, die man benötigt, ein neues Produkt zu entwickeln, ist nicht selten länger als die Zeit, in der es sich am Markt auch verkaufen läßt. Daher ist es nötig, die Entwicklungszeiten so kurz wie möglich zu gestalten. Wer da nicht mithalten kann, wird besonders im Zeitalter der internationalen wirtschaftlichen Verflechtung schnell aus dem Markt katapultiert - wer zuerst kommt, macht den Umsatz. Besonders kleine und mittelständische Firmen haben es da schwer.
Gerade diesen Firmen soll ein neuartiges Entwicklungssystem helfen, das Wissenschaftler der Technischen Universität Chemnitz um den Informationstechniker Prof. Dr. Dietmar Müller entwickelt haben. Das System mit dem Namen "Hardware Prototyping mittels FPGA" wird erstmals vom 18. bis 24. März 1999 auf der CeBIT in Hannover vorgestellt. Bei der Entwicklung neuartiger technischer Produkte, etwa einer neuen Schaltung aus der Mikroelektronik, wird das Produkt oft vorher auf einem Rechner simuliert und so sein Verhalten und seine Funktionsfähigkeit getestet. Die Chemnitzer Wissenschaftler hingegen emulieren Schaltungen, indem sie spezielle Bausteine progammieren. Solche Bausteine werden FPGAs (Field Programmable Gate Array, etwa: Frei programmierbare Logikbausteine) genannt, weil sie sich leicht, und zwar innerhalb weniger Sekunden, umprogammieren lassen. Der gleiche Baustein kann so beispielsweise äußerst schnell umfangreiche mathematische Berechnungen vornehmen und wird schon Minuten später zu einem Standardprozessor, ohne daß äußerlich etwas an ihm verändert werden muß.
Der Unterschied zwischen Simulation und Emulation: Bei der Simulation existiert die Schaltung nur als Programm in einem Rechner, das dort Schritt für Schritt abgearbeitet wird. Die Schaltung wird also dort gewissermaßen nachgeahmt. Bei der Emulation hingegen ist die Schaltung auf den FPGAs (obwohl sie leicht geändert werden kann) praktisch fest verdrahtet. Jedesmal, wenn ein FPGA neu programmiert wird, entsteht quasi ein neuer Prototyp eines Chips - daher der Name "Hardware Prototyping". Ein solcher Chip aber ist im Vergleich zu herkömmlichen Prototypen ungleich flexibler. Deshalb kann eine neue Schaltung tausendmal, ja bis zu hunderttausendmal schneller getestet werden als bei einer Simulation. Während eine Simulation auf einem Rechner schon mal mehrere Wochen dauern kann, ist die Emulation in wenigen Stunden oder gar Minuten beendet. Nicht nur die Zeit von der Entwicklung bis zur Markteinführung wird so bedeutend kürzer, auch die Kosten sinken im gleichen Maße.
Die Idee selbst ist nicht neu: Kommerzielle Systeme ähnlicher Art gibt es schon seit einiger Zeit auf dem Markt. Der Vorteil der Chemnitzer Lösung besteht darin, daß sie erheblich kostengünstiger ist. Die Forscher haben damit bisher zum Beispiel eine neue Echtzeit-Bildverarbeitung und eine Schaltung, die Schwingungen auswerten kann, entwickelt. Zudem erarbeiteten sie ein Verfahren, mit dem sich die Qualität von Oberflächen untersuchen läßt, was zum Beispiel häufig in der Papier- und Textilindustrie der Fall ist.
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Straße 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Dietmar Müller, Telefon 03 71/5 31-31 95, Fax 03 71/5 31-31 93, E-mail: dietmar.mueller@infotech.tu-chemnitz.de oder auf der CeBIT vom 18. bis 24. März 1999 in Hannover, Stand B 23 "Forschungsland Sachsen", Halle 16.