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Pressemitteilung vom 04.06.1999

Hoffnungsvolles Talent aus den USA auf dem Chemnitzer Eis

Hoffungsvolles Talent aus den USA auf dem Chemnitzer Eis
Tochter eines Mathe-Gastprofessors bereitet sich auf ihre Profikarriere vor

Fragt man einen Fremden, was er über Chemnitz weiß, ist die Antwort meist bescheiden. Doch das ändert sich schnell, wenn man etwa den Namen Kati Witt erwähnt, und meist fallen dem Gegenüber dann auch noch eine ganze Reihe weiterer Namen ein: Als Sportstadt ist Chemnitz weltberühmt. Und auch als Stadt der Wissenschaft wird der Ort immer bekannter - längst zieht die Uni Forscher aus aller Welt an. Wie den US-Mathematiker Prof. David Watkins. Der 50jährige Hochschullehrer von der Washington State University (WSU) forscht bis Ende Juli nächsten Jahres an der Chemnitzer Uni, auf seinem Spezialgebiet, der Numerischen Analysis. Dieses nützliche Teilgebiet der Mathematik befaßt sich mit dem Entwurf von Rechenverfahren, mit denen sich etwa die Standfestigkeit von Gebäuden ermitteln, die Bahn von Satelliten im Weltall berechnen und möglicherweise in Zukunft sogar Erdbeben voraussagen lassen.

Der gute Ruf der Chemnitzer Mathe war allerdings nur einer der Gründe für Prof. Watkins, nach Chemnitz zu kommen. Der zweite: Sport, oder genauer - Eislauf. Nicht nur, daß der Professor selbst ein begeisterte Eisläufer ist, er hat auch seine elfjährige Tochter Sally mitgebracht, ein hoffnungsvolles Nachwuchstalent in dieser Sportart. Seine Frau, eine Versicherungs-mathematikerin, mußte dagegen aus beruflichen Gründen in den USA bleiben. Prof. Watkins und seine Tochter werden sie wohl erst im Sommerurlaub und dann für einige Tage zu Weihnachten wiedersehen.

Schon mit drei Jahren hat Sally mit dem Schlittschuhlaufen angefangen, trainiert seit ihrem achten Lebensjahr ernsthaft - und wo könnte man das besser als in Chemnitz? Zehn Stunden pro Woche übt die junge Amerikanerin inzwischen mit fünf oder sechs anderen Kindern ihrer Altersklasse in der Eissporthalle, weitere zehn Stunden gehen für Ballet- und Athletikübungen drauf. Ihre Trainer: allesamt erfahrene Ex-Eislaufprofis mit viel Erfahrung und noch viel mehr pädagogischem Geschick. Das Training läßt sich ihr Vater einiges kosten, "aber es ist billiger als in den USA, da mietet man sich einen Trainer immer nur stundenweise", so Prof. Watkins. Das findet auch Sally: "Das Training hier in Chemnitz ist besser als in Seattle, die Trainer sind einfach erfahrener." Sie sagt es in nahezu perfektem Deutsch - ein Jahr lang lernte sie es in den USA in der Schule, danach erhielt sie noch ein weiteres Jahr lang jeden Sonnabend Privatunterricht. Mit diesen Grundkenntnissen fiel ihr der Schuleinstieg leicht, wenn sie auch ein Jahr tiefer eingestuft wurde.

Ihr Vater nahm sie auch deshalb mit nach Deutschland, damit sie eine fremde Sprache lernt und eine fremde Kultur genauer kennenlernt. Damit Sally es nicht allzuweit zum Training hat, besucht sie die nahegelegene Schloßschule, die sich in einem eigenen Schulteil besonders um junge Sportler kümmert. Dort hat sie auch schon Freundinnen gefunden, mit denen sie sich auf deutsch unterhält. Mittlerweile kann sie sogar "schon besser deutsch lesen, als ein Junge in meiner Klasse", wie sie stolz berichtet. Zwar schlechter als seine Tochter, aber doch recht gut, spricht auch ihr Vater deutsch. Prof. Watkins ist nämlich nicht das erste Mal in Deutschland: Bereits 1985 war er ein Jahr lang an der Uni Bielefeld, besuchte damals auch Berlin. Chemnitz besuchte er erstmals 1996 für einige Tage, als Gast seines Mathematik-Kollegen Prof. Dr. Volker Mehrmann, der ihn jetzt für anderthalb Jahre an die Uni holte. Das wäre ohne Hilfe des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes nicht möglich gewesen.

Wer Sally auf dem Eis herumwirbeln sieht, wie sie ihre Doppelsprünge macht, der glaubt ihr sofort, wenn sie sagt "Ich will die Beste werden." Dazu ist aber, wie sie zugibt, noch viel Schweiß und Training nötig. Ihr Vater ist da nüchterner: "Warten wir einfach ab, wie weit sie's schaffen wird:" Vorbilder jedenfalls gibt's in Chemnitz genug, und das Paar Mandy Wötzel / Ingo Steuer hat Sally schon persönlich kennengelernt. Zu gern würde sie auch mal Kati Witt treffen, aber das war bisher nicht möglich.

Auf die Frage nach den Unterschieden zwischen ihrem Wohnort Seattle und Chemnitz fällt Sally auf, wie früh hier die Schule anfängt - schon um 7.15 Uhr, in den USA dagegen erst um 9.00 Uhr. Ihrem Vater fällt dagegen eher auf, was an den Unis anders ist: "An der WSU haben wir ungefähr 30 Mathe-Professoren. Das hört sich nach viel an, ist es aber nicht. Der Mittelbau hier in Deutschland ist viel stärker, es gibt mehr Assistenten, die meisten Professoren haben eine ganze Reihe von Mitarbeitern."

Und wie gefällt es den beiden in Chemnitz? "Die Umgebung ist wunderschön", sind sich Vater und Tochter einig. Mit dem Auto haben Sie schon eine Reihe Schlösser und Burgen abgeklappert, "sowas gibt es bei uns ja nicht." Die Sachsen seien überaus freundliche Menschen, besonders auf dem Regionalschulamt sei man sehr hilfsbereit gewesen. Lediglich auf die Ausländerbehörde ist Prof. Watkins nicht gut zu sprechen - das sei die einzige Stelle, wo er schlechte Erfahrungen gemacht habe.

Damit steht er nicht allein: Noch immer beklagen sich ausländische Gäste über die Arbeitsweise dieser Behörde, die dem Ruf der Uni als Stätte der weltoffenen Begegnung - eine Grundvoraussetzung für alle Wissenschaft - nicht gerade dienlich ist. Und auch Prof. Mehrmann, der seinen Kollegen hier betreut, wundert sich: "Warum geht das mit der Aufenthalts- und der Arbeitserlaubnis in Bielefeld in drei Tagen, und warum dauert es in Chemnitz Monate?"

Weitere Informationen erteilen Prof. David Watkins, Tel. 03 71/531-44 71, und Prof. Dr. Volker Mehrmann, Tel. 03 71/531-83 67.