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Pressemitteilung vom 13.04.2000

Dreidimensionale Bilder, die frei im Raum schweben

Elektrotechnik - Informationstechnik

Dreidimensionale Bilder, die frei im Raum schweben

Schüler aus Niedersachsen stellen findiges Abbildungssystem an Chemnitzer Uni vor

Warum können wir überhaupt Entfernungen schätzen und erkennen, ob etwas dünn oder dick ist? Weil wir zwei Augen haben. Die werfen zwei unterschiedliche Bilder auf die Netzhaut, die sich dann in unserem Hirn überlagern. Erst dadurch ist räumliches Sehen möglich. Filme, Fotos, Gemälde dagegen liegen in einer Ebene, sie sind zweidimensional. Wenn wir auf einem Foto trotzdem sehen können, wie weit zum Beispiel ein Auto oder ein Baum entfernt sind, spielt uns in Wirklichkeit unser Gehirn einen Streich: Wir wissen nämlich aus Erfahrung, dass kleinere Dinge weiter entfernt sind und wir kennen ihre Größenverhältnisse untereinander. Diese Erfahrung und das, was wir tatsächlich sehen, wird in unserem Kopf geschickt überlagert - worauf übrigens auch unzählige optische Täuschungen beruhen.

Bereits seit Jahrhunderten träumen Maler, Fotografen und Filmer davon, Bilder räumlich darzustellen. Was wurde da nicht alles versucht: Schon vor langer Zeit erfanden Maler die perspektivische Darstellung - auf Fotos ist sie allerdings automatisch enthalten. Später nahmen die Fotografen zwei getrennte Bilder auf und verschoben zwischendurch die Kamera um den Augenabstand, noch später wurden ausgefeilte Filmaufnahmeverfahren und schließlich die Holografie entwickelt. Doch alle diese Prozeduren hatten ihre Nachteile: Häufig musste man beim Betrachten Spezialbrillen tragen, die entweder schwer oder lästig (oft beides) waren, und obendrein noch teuer dazu. Die Farben stimmten dabei vielfach nicht mit der Wirklichkeit überein, zudem kann man das räumliche Bild meist nur aus einem sehr engen Blickwinkel aus sehen - was uns heutzutage als "virtuelle Realität" verkauft wird, hat daran bisher nicht viel geändert.

Jetzt hat ausgerechnet eine Gruppe von Schülern aus Stade (in der Nähe von Hamburg) der Industrie und den großen Forschungsinstituten gezeigt, wie man's besser macht - und das alles ohne eine müde Mark aus öffentlichen Geldern. Ausgehend von einer Erfindung aus den siebziger Jahren entwickelten die Jungforscher ein Verfahren, bei dem die Bilder wirklich im Raum stehen und von allen Seiten betrachtet werden können.

Am Montag, dem 17. April 2000 um 9.30 Uhr führen die Stader Jugendlichen die neueste Generation ihres "Felix 3D" genannten Verfahrens im Neuen Hörsaalgebäude der Chemnitzer Uni, Reichenhainer Str. 70, Hörsaal N 001, vor. Eingeladen dazu hat sie der Chemnitzer Experte für Schaltungs- und Systementwurf, Prof. Dietmar Müller, nicht ganz von ungefähr. Schließlich haben er und seine Arbeitsgruppe für das Felix-Projekt einen Spezialchip so programmiert, dass sich das Verfahren mit weniger Aufwand als bisher steuern lässt.

Die Felix-Gruppe ging aus einer Arbeitsgemeinschaft an einem Stader Gymnasium hervor. Betreut wird sie von dem Studiendirektor und Diplom-Physiker Knut Langhans. Die Mitglieder opfern für ihr Projekt Nachmittage, Wochenenden und sogar ihre Ferien - und bestätigen damit den Ausspruch von Thomas Alva Edison, wonach große Ideen aus "einem Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpiration" bestehen. Das Geheimnis des Felix-Raumbildschirms liegt in einer schraubenförmigen Projektionsfläche, die sich in einem Zylinder dreht. Dadurch wird aus dieser Fläche ein ausgedehnter Projektionszylinder, der dem Auge den fehlenden Raum vorgaukelt. Als Lichtquelle dienen drei Laser in den Grundfarben rot, grün und blau, deren Strahlen über elektronisch gesteuerte Kippspiegel das Bild erzeugen.

Noch ist das Verfahren nicht marktreif, dazu ist die Auflösung bisher nicht hoch genug. Doch immer neue Generationen von Jugendlichen arbeiten an diesem Problem - die früheren Gymnasiasten haben nämlich die Schule längst verlassen und studieren oder stehen inzwischen im Beruf. Die meisten von ihnen fühlen sich der Gruppe aber weiterhin verbunden und steuern ihre Erfahrung und ihr Wissen bei.

Inzwischen interessiert sich auch die Industrie für das Projekt und macht schon mal die eine oder andere Mark locker. Die wirklich lohnenden Anwendungen liegen auch nicht bei der bloßen Bildwiedergabe, sondern im Bereich von Medizin, Wissenschaft, Technik und Unterhaltung. So könnte etwa in Zukunft der Luftraum über einem Flughafen oder das Innere des menschlichen Körpers dreidimensional dargestellt werden - die Bilder selbst würden dann von einem Radargerät oder einem Computertomographen geliefert. Ebenso könnte das Verfahren in Spielkonsolen oder als dreidimensionales Anzeigesystem in der Werbung genutzt werden.

Mittlerweile haben die Jugendlichen ihr Verfahren mehrfach auf wissenschaftlichen Tagungen und Industrieschauen in Italien, den USA und sogar in China vorgestellt. Sogar die amerikanische National Science Foundation hat die Gruppe engagiert - als Gutachter für die Beurteilung von Forschungsvorhaben. Dennoch haben die jungen Forscher laufend mit Geldproblemen zu kämpfen. Zudem sind viele Geräte nur geliehen und müssen nach einiger Zeit zurück gegeben werden. Das verzögert die weitere Arbeit ungemein. Dabei haben die Schüler und ihr Betreuer noch eine Menge Ideen im Kopf. So möchten sie bis 2001 die Auflösung ihres Abbildungsverfahrens erhöhen und es mit einer Schnittstelle für computerunterstütztes Entwerfen versehen. Dabei sollen auch mikromechanische Bauteile eingesetzt werden. Sponsoren sind daher hochwillkommen.

Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Dietmar Müller, Telefon (03 71)5 31-31 95, Fax (03 71)5 31-31 93, E-Mail: dietmar.mueller@infotech.tu-chemnitz.de

Hinweis für die Medien: Zu diesem Thema können Sie in unserer Pressestelle zwei Fotos anfordern. Es zeigt die Jugendlichen mit ihrem Betreuer vor dem von ihnen entwickelten Raumbildschirm.