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Pressemitteilung vom 12.03.2002

Warum Moslems schneller alt werden

Am 15. März: Guten Rutsch ins Jahr 1423

Warum Moslems schneller alt werden Emeritierter Mathe-Professor verrät die Geheimnisse des islamischen Kalenders

Beim Blättern in Ihrem Kalender werden Sie feststellen: Am 14. März 2002 ist Neumond. Wenn Sie am Tag danach, am 15. März, kurz vor 19 Uhr zum westlichen Abendhimmel blicken, wird Ihnen bei gutem Wetter ein eindrucksvolles Bild geboten. Dicht bei der ganz schmalen Sichel des Mondes leuchtet der Abendstern, die Venus. Das Erscheinen dieses "Neulichts" feiern gläubige Muslime in aller Welt als Neujahrstag, mit dem nunmehr das Jahr 1423 des islamischen Kalenders beginnt. Warum aber die niedrige Jahreszahl 1423? Der Grund: Die Jahreszählung des islamischen Kalenders beginnt erst ab dem September des Jahres 622 n. Chr. mit der "Hedschra", der Übersiedlung des Propheten Mohammed von Mekka nach Medina.

Während das uns bekannte Jahr 365 Tage währt, ist das islamische Jahr (meistens) um elf Tage kürzer. Daher können Muslime zwar öfter Geburtstag feiern, allerdings bedeutet das auch, dass sie schneller altern! 34 Jahre des islamischen Kalenders entsprechen etwa 33 Jahren unseres Kalenders. Hierfür dürfte die Begründung kaum bekannt sein: Der islamische Kalender ist ein reiner Mondkalender, der sich nur nach der Bewegung des Erdtrabanten richtet. Während es in unserem Kalender insgesamt vier verschiedene Monatstypen mit 28, 29, 30 und 31 Tagen gibt, wechseln sich im islamischen Kalender Monate von 30 Tagen mit solchen von 29 Tagen Länge ganz regelmäßig ab, weshalb ein gewöhnliches islamisches Jahr also nur 354 Tage dauert. Nur ein Schaltjahr ist einen Tag länger, weil der letzte Monat des Jahres noch einmal 30 statt 29 Tage hat. Solche Schaltjahre treten allerdings häufiger auf, als wir es gewohnt sind: In der islamischen Welt ist in 30 aufeinanderfolgenden Jahren insgesamt elfmal Schaltjahr.

Das alles garantiert, dass jeder Monat auf lange Sicht in der zeitlichen Nähe zum Neumond - genauer zum "Neulicht" - beginnt. Wer also zu Vollmond geboren wurde, hat - anders als bei unserem Kalender - stets auch zu Vollmond Geburtstag. Die alleinige Orientierung am Lauf des Mondes bringt allerdings mit sich, dass der Jahresanfang und mit ihm alle Monate - ebenso der bekannte Fastenmonat Ramadan - ständig durch die Jahreszeiten wandern. Wir dagegen sind daran gewöhnt, dass Ostern stets im Frühjahr und Weihnachten im Winter stattfindet.

Nach dem außerordentlich exakten islamischen Kalender liegen zwischen zwei Neumond-Terminen - rechnen Sie es ruhig nach - 29 Tage, 12 Stunden und 44 Minuten. Der astronomisch exakte Wert ist nach den heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nur ganze 2,8 Sekunden länger. Dadurch verschiebt sich der (mittlere) Monatsbeginn langsam gegen den astronomisch exakten Neumond-Termin. Diese Abweichung summiert sich in mehr als 2.000 Jahren auf Seite 2 der PM 57/2002

insgesamt einen Tag. Dann liegt also der kalendarische Monatsbeginn im Mittel dauerhaft einen Tag vor dem "Neulicht" des Mondes. Dem wäre leicht abzuhelfen: Man schiebe nur ein zusätzliches Schaltjahr ein, und das Problem ist für die nächsten 2.000 Jahre gelöst.

Übrigens: Wie weiß man, ob ein gewöhnliches oder ein Schaltjahr im islamischen Kalender beginnt? Dazu sollten Sie sich einen Taschenrechner sowie Stift und Zettel zurechtlegen. Los geht´s: Multiplizieren Sie die entsprechende Jahreszahl mit der Zahl 11 und addieren Sie noch einmal die Zahl 14 dazu. Das bevorstehende Jahr 1423 mal 11 plus 14 ergibt den Wert 15.667. Notieren Sie sich diese Zahl auf dem Zettel. Nun dividieren sie diesen Wert durch 30: 15.667 durch 30 ergibt das unrunde Ergebnis 522,2333. Runden Sie den ermittelten Wert immer ab - im konkreten Fall muss also auf 522 abgerundet werden. Multiplizieren Sie wiederum die Zahl 30 dazu - 522 mal 30 gleich 15.660 - und nun vergleichen Sie dieses Ergebnis mit dem Wert, den Sie sich notiert haben. Ist der Abstand zwischen beiden kleiner als 11, handelt es sich um ein Schaltjahr, sonst ist es keines. Für das neue Jahr offenbart der Vergleich zwischen den Zahl 15.660 auf dem Taschenrechner und der Zahl 15.667 auf dem Papier eine Differenz von 7 - also ist´s ein Schaltjahr. Genug verwirrt?

Obwohl die einfache und genaue Zeitrechnung nach dem islamischen Kalender erst im Jahre 622 n. Chr. begann, ist derselbe etwa 900 Jahre älter als der heute in der übrigen Welt gebräuchliche. Er wurde in den ersten Jahrzehnten nach der Hedschra, wohl unter Kalif Omar I., festgelegt. Seine Grundlagen stehen - wie so vieles in der islamischen Kultur - schon im Koran. In der 9. Sure.

Übrigens: Die Länge eines Mondumlaufs, die der islamische Kalender so erstaunlich gut trifft, ist schon seit vielen Jahrhunderten recht genau bekannt. Kein Wunder, denn der Mond mit seinen charakteristischen Phasen und seinem sanften Licht ist viel leichter zu beobachten als die helle Sonne. Falls Sie also am 15. März in den westliches Abendhimmel blicken und die ganz schmale Mondsichel entdecken und vielleicht einen muslimischen Bekannten haben: Wünschen wir uns gemeinsam ein friedliches Jahr 1423!

Autor: Prof. Dr. Eberhard Lanckau, emeritierter Professor für Angewandte Mathematik der Technischen Universität Chemnitz, Telefon: (03 71) 725 44 21, E-Mail: e.lanckau@gmx.de