Pressemitteilung vom 22.07.2022
Bessere Energie-Ausbeute durch Verständnis des Leistungsverlusts bei organischen Solarzellen
Gemeinsame Forschungsarbeit der TU Chemnitz und mehrerer Partneruniversitäten zeigt, wie langsame Elektronen den Wirkungsgrad neuartiger organischer Solarzellen verringern – Veröffentlichung im renommierten Journal „Nature Communications“
Photovoltaik wird eine Schlüsselrolle bei der künftigen Energieversorgung spielen. Bereits herkömmliche Solarzellen, die zum Beispiel auf dem bekannten Halbleiter-Material Silizium basieren, sind inzwischen hoch entwickelt und werden bereits in großem Umfang eingesetzt. Die Herstellung ist jedoch aufwendig, denn sie erfordert ein Hochvakuum mit hohen Temperaturen. So kann es bis zu fünf Jahre dauern, bis die für die Produktion eingesetzte Energie durch den Betrieb kompensiert ist. Hier können Solarzellen auf der Basis organischer Halbleiter einen Unterschied machen, da sie energie- und kostensparend gedruckt werden können. Es gibt aber Begrenzungen des Wirkungsgrades, die näher beleuchtet werden müssen. Ein Forschungsteam unter der Leitung der Professur Physik: Optik und Photonik kondensierter Materie (Leitung: Prof. Dr. Carsten Deibel) der Technischen Universität Chemnitz hat untersucht, welche Hauptfaktoren für die Leistungsbegrenzung organischer Solarzellen entscheidend sind.
Erstautor der Untersuchung ist Christopher Wöpke, Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Optik und Photonik der kondensierten Materie der TU Chemnitz. Neben ihm arbeiteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universitäten Bayreuth, Bern (CH), Durham (UK), Erlangen-Nürnberg und dem Advanced Light Source Berkeley Lab (USA). Das Team fand unter anderem heraus, dass insbesondere der Transportwiderstand die Leistung organischer Solarzellen stark begrenzt. Die Bedeutung dieser Ergebnisse für die Entwicklung effizienterer Solarzellen mit hohem Wirkungsgrad zeigt sich insbesondere vor dem Hintergrund der Energiewende. Da organische Halbleiter im Gegensatz zu ihren Silizium-Pendants bereits bei Raumtemperatur mittels Druckverfahren hergestellt werden können, benötigen sie bei vergleichbaren Wirkungsgraden deutlich weniger Energie für die Produktion. Zudem nähern sich neuartige organische Solarzellen unter Laborbedingungen einem Wirkungsgrad von 20 Prozent. Damit werden sie zunehmend wettbewerbsfähig.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ erschienen.
Herausragende Bedeutung des Transportwiderstand nachgewiesen
Organische Halbleiter in Solarzellen können Sonnenlicht sehr gut einfangen, Sonnenenergie effizient in elektrische Energie umwandeln und warten mit einer sehr guten Energiebilanz auf. Allerdings ist die geringe Mobilität der Ladungsträger in diesen Materialien noch eine große technologische Herausforderung. Denn davon sind Leitfähigkeit und Effizienz abhängig. Eine bekannte Herausforderung besteht darin, dass die langsamen Ladungsträger aus der organischen Solarzelle extrahiert werden müssen, bevor eine Rekombination stattfinden kann. Denn nur so kann der Solarstrom auch genutzt werden.
Eine weitere Herausforderung, die erst vor wenigen Jahren von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Freiburg und Potsdam für organische Solarzellen beschrieben wurde, ist der Verlust der Photo-Spannung am Punkt der maximalen Leistung. Das liegt an den sich langsam bewegenden Ladungsträgern. Dieser Verlust wird bei einer Alterung organischer Solarzellen ausgeprägter, was einen negativen Einfluss auf den Wirkungsgrad hat. Wie wichtig es ist, diesen Verlustmechanismus, also der Spannungsverlust aufgrund des Transportwiderstands, zu verstehen, wird erst durch die nun von Chemnitzer Forschern vorgelegte Veröffentlichung so richtig klar.
Mehr Defekte durch Alterung des organischen Materials
Die effizienten organischen Solarzellen, bestehend aus einem Gemisch aus Polymeren und „Nicht-Fulleren-Akzeptoren“ genannten Molekülen, wurden auf verschiedene Weisen beschleunigt gealtert. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten diese photovoltaischen Bauteile mit sich gut ergänzenden Methoden. „Für die thermisch beschleunigte Degradation bei hohen Temperaturen konnten wir zeigen, dass die Eigenschaften des Absorbermaterials und der Grenzflächen bemerkenswert stabil bleiben“, sagt Prof. Dr. Carsten Deibel. Das sogenannte „Absorbermaterial“ ist die lichtabsorbierende Schicht. Die sogenannte „Grenzfläche“ beschreibt alle Bereiche wo die beiden Halbleiter die Elektroden berühren. Eine Ausnahme ist die alterungsbedingte Bildung von Defektzuständen aufgrund von Veränderungen in der Nanostruktur der photo-aktiven Schicht, die das Team beobachten konnte, so Deibel. Die Forschungsgruppe fand heraus, dass der damit verbundene Anstieg des Transportwiderstandes der Hauptgrund für den Rückgang des sogenannten „Füllfaktors“ aufgrund der thermisch beschleunigten Degradation ist. Der Füllfaktor ist einer von drei Faktoren zur Bestimmung der Leistungsfähigkeit einer Solarzelle. Der durch Alterung geringere Füllfaktor mindert also den Wirkungsgrad bei der Energieumwandlung
„Wir brauchten umfangreiche, ergänzende Methoden, um zwischen Veränderungen in der Absorberschicht und der Grenzfläche zu den Elektroden, zwischen Rekombination und Transportwiderstand zu unterscheiden. Daher war die multidisziplinäre Expertise aller Teams von unschätzbarem Wert“, betont Wöpke. „Eines der wichtigsten Ergebnisse unserer Studie ist, dass der Transportwiderstand ein dominanter leistungsbegrenzender Mechanismus in modernen organischen Solarzellen ist, den es zu beheben gilt“, ergänzt Prof. Deibel. „Selbst frisch prozessierte Photovoltaik-Bauelemente zeigen diesen Verlust, der bereits durch eine leichte Unterdrückung der Fallenbildung überwunden werden könnte.“
In zukünftigen Studien sollen Wege zur Verringerung der Fallenbildung und zur Erhöhung der Leitfähigkeit in organischen Solarzellen erforscht werden.
Veröffentlichung: Wöpke, C., Göhler, C., Saladina, M. et al. Traps and transport resistance are the next frontiers for stable non-fullerene acceptor solar cells. Nat Commun 13, 3786 (2022).
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-022-31326-z
Hintergrund: Professur Optik und Photonik der kondensierten Materie
Prof. Dr. Carsten Deibel ist seit 2014 Professor für Experimentalphysik in Chemnitz. Die Kernkompetenz seiner Gruppe liegt in der experimentellen Charakterisierung und Simulation von organischen Halbleiterschichten und photovoltaischen Bauelementen.
Kontakt:
Prof. Dr. Carsten Deibel, Professur Physik: Optik und Photonik kondensierter Materie der TU Chemnitz, Tel.: +49 371 531-34878, E-Mail: deibel@....