„Not macht auch in der Corona-Krise erfinderisch“
Wenn Messen ausfallen und der Markteintritt schwierig wird: TUClab-Startup NOVAJET der TU Chemnitz und die weitere TU-Ausgründung VRENDEX meistern die aktuelle Krisensituation gemeinsam
So hat sich das Startup NOVAJET der Technischen Universität Chemnitz den Sprung in die geschäftliche Selbstständigkeit nicht vorgestellt, obwohl alles so gut begann: Im September 2019 gehörte das dreiköpfige Gründerteam zu den Siegern des zweiten TUClab-Wettbewerbs der TU und wurde dadurch in ein besonderes Programm aufgenommen, das innovative Ausgründungen mit Bezug zu den Kernkompetenzen der Universität fördert. Das junge Unternehmen hat ein neues Fertigungsverfahren im Bereich der Wasserstrahltechnik entwickelt. Mit seiner Präzision, Leistungsfähigkeit und flexiblen Einsatzfähigkeit setzt der sogenannte Suspensionsstrahl neue Maßstäbe und erweitert damit das Spektrum der materialabtragenden Fertigungsverfahren. „Die an der Professur Werkzeugmaschinenkonstruktion und Umformtechnik der TU Chemnitz im Rahmen eines EXIST-Forschungstransfers bis zur Vorserienreife entwickelte Anlagentechnik ermöglicht völlig neue Bauteil-Geometrien im Bereich der Präzisionsbearbeitung von konventionellen und Hochleistungswerkstoffen, wie technischen Keramiken, Hartmetall oder Faserverbundwerkstoffen“, berichtet Stefan Seidel, Mitgründer und technischer Leiter von NOVAJET. Und damit wollte man im ersten Halbjahr 2020 so richtig durchstarten.
Vom geplatzten Messeauftritt hinein in die „begehbare“ Maschine
Die Markteinführung der Suspensionsanlagen sollte eigentlich in der letzten Aprilwoche auf der Cutting World 2020 in Essen erfolgen. Dies ist die einzige und erste Fachmesse, die die gesamte Prozesskette zum Thema Schneiden fokussiert „Da wir im März unsere Geschäftstätigkeit aufgenommen haben, wäre das für uns der ideale Zeitpunkt gewesen, um potentiellen Kunden unsere Lohnfertigung sowie Kaufinteressenten unsere Anlagentechnik näherzubringen. Unsere Anlagen sind zugegebenermaßen nicht selbsterklärend. Da die Wasserstrahltechnik seit den 1980er Jahren in der industriellen Fertigung eingesetzt wird, kommt schnell die Frage auf, was wir anders machen. Und genau hier ist der direkte Kundenkontakt von elementarer Bedeutung“, so Seidel.
„Doch die Corona-Pandemie und die damit verbundene Absage der Messe hat unsere Markteinführungsstrategie völlig auf den Kopf gestellt“, erklärt Geschäftsführer und Mitgründer Markus Dittrich und ergänzt: „Wir mussten schnell alternative Marketingkanäle finden. Hier konnten wir auf die Kompetenzen einer weiteren Ausgründung der TU Chemnitz im Gründernetzwerk SAXEED bauen. Mit dem Start-up VRENDEX haben wir innerhalb weniger Wochen eine Visualisierung unserer neuen Werkzeugmaschine umgesetzt. So können wir nun auch zu Zeiten des Kontaktverbotes unsere Anlagentechnik öffentlichkeitswirksam vermarkten und die Technologie potentiellen Anwendern virtuell und aus der Ferne näher bringen.“ Das Ergebnis ist ein 90-sekündiger Videoclip, der die NOVAJET-Technologie und die erste Ausbaustufe der Anlagentechnik veranschaulicht. Die Maschine wird so nahezu begehbar. „Wir werden das Video nun in die Kommunikation mit potenziellen Kunden einbeziehen“, so Dittrich.
Die Zusammenarbeit bei der Konzeptionierung und Erstellung des Videos erfolgte vor allem digital, um den Beschränkungen in den letzten Wochen gerecht zu werden. „Auch ohne Vor-Ort-Präsentationen hat alles super funktioniert, da wir seit Gründung unserer VRENDEX GmbH die Themen Home-Office und digitales Zusammenarbeiten stark forciert haben und daher die Umstellung nicht groß war“, sagt Manuel Dudczig, Mitgründer und Geschäftsführer von VRENDEX. Die Visualisierung einer noch nicht fotografierbaren Maschine mit Blicken in technologische Prozesse sei eine der Kerndisziplinen seiner Firma. „Wir wollen die Realität für unsere Kunden erweitern – dies hat auch im Videoprojekt mit den Jungs von NOVAJET sehr gut funktioniert“, fasst er zusammen.
Synergien im Gründernetzwerk der TU Chemnitz
„Da derzeit national wie international Messen und Kongresse ausfallen, sind immer mehr Firmen auf innovative Lösungen im virtuellen Raum angewiesen“, sagt die langjährige SAXEED-Projektleiterin und aktuelle SAXEED.JET-Leiterin Prof. Dr. Cornelia Zanger, die an der TU Chemnitz auch auf dem Gebiet des Eventmarketings forscht. Krisen als Chancen zu verstehen, sei aktuell nicht ganz einfach. „Doch Not macht auch in der Corona-Krise erfinderisch, die digitale Transformation wird nun eine deutliche Beschleunigung erfahren. Die wirkungsvolle Verzahnung realer und virtueller Erlebniswelten wird auch die Kommunikation von Unternehmen mit ihren Kundinnen und Kunden verändern“, ist Zanger überzeugt. Es freue sie deshalb sehr, dass NOVAJET innerhalb des Gründernetzwerkes der TU Chemnitz eine Alternative für den Wegfall des Messeauftrittes gefunden habe. „Auch die Synergien zwischen Start-ups wie in Chemnitz tragen dazu bei, Existenzgründern durch die Corona-Krise zu helfen“, sagt die Marketingexpertin.
Stichwort: TUClab-Wettbewerb
Der zweite TUClab-Wettbewerb um Gründungsförderung von Start-ups wurde im Juni 2019 an der TU Chemnitz ausgelobt. Er wurde seitens der Sächsischen Aufbaubank als Förderbank des Freistaates Sachsen und der TU durch die Einrichtung eines sogenannten „TUClab“ zur gemeinsamen unbürokratischen Unterstützung und Förderung für Gründerinnen und Gründer initiiert. Im Rahmen dieses Wettbewerbs konnten 2019 bis zu drei ausgewählte Unternehmensgründungen eine Startfinanzierung in Form eines Beteiligungskapitals der Sächsischen Beteiligungsgesellschaft mbh (SBG) erhalten. Für die drei Unternehmen stehen in Summe maximal 900.000 Euro zur Verfügung. Hinzu kommen der Zugang zur Infrastruktur der TU Chemnitz bzw. ausgewählter Transferpartner sowie die Einbindung in Transfer- und Mentoren-Netzwerke der Universität. Die Gründer-Teams von NOVAJET, TROWIS und mecorad setzten sich im September 2019 beim Finale des TUClab-Wettbewerbs mit ihren Geschäftskonzepten durch. Der TUClab-Wettbewerb 2020 findet am 2. Oktober statt, Bewerbungen können ab dem 1. Juli eingereicht werden. Weitere Informationen: www.tu-chemnitz.de/tuclab
Mario Steinebach
20.04.2020