„Die eigentliche Aufgabe der Integration von ukrainischen Geflüchteten fängt erst an“
TUC-Geflüchtetenhilfegruppe wurde innerhalb der letzten zwei Monate ein wichtiger Teil eines lokalen Netzwerks, das Geflüchtete aus der Ukraine bei der Lösung von Problemen schnell und unkompliziert unterstützt
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine überqueren viele Menschen die Grenzen ihres Heimatlandes. Meistens sind es Frauen und Kinder, die vor Zerstörung und Not fliehen. Um den zahlreich in Chemnitz ankommenden Geflüchteten aus der Ukraine zu helfen, hat sich im März 2022 an der Technischen Universität Chemnitz sehr schnell eine Gruppe zur Koordination der Unterstützungsleistungen gebildet. Am Gründungstreffen der sogenannten „TUC-Geflüchtetenhilfegruppe“ nahmen etwa 70 Studierende, Beschäftigte sowie Absolventinnen und Absolventen der TU Chemnitz teil, davon brachten 40 Personen dringend benötigte Sprachkenntnisse von Russisch und Ukrainisch mit. „Schnell wurde klar, wir werden in Chemnitz gebraucht und das so schnell wie möglich. Nach der Einteilung in sechs Gruppen und eine Springer-Gruppe mit jeweils drei bis acht Personen konnte die Arbeit vor Ort schon wenige Tage später beginnen“, berichtet Prof. Dr. Vladimir Shikhman, Inhaber der Professur Wirtschaftsmathematik an der TU Chemnitz, der gemeinsam mit Greti Kneita vom Student_innenrat (StuRa) der TU die Gesamtkoordination der Gruppen übernommen hat. Technische Unterstützung geben Ben Trinks und Marius Hirschfeld vom StuRa.
Lehramtsstudierende helfen bei didaktisch ausgestalteter Kinderbetreuung
Je nach Einrichtung koordinieren die Gruppenleiterinnen und Gruppenleiter ihre Einsätze mit den Trägerorganisationen. Das sind auf der staatlichen Ebene die Landesdirektion Sachsen und die Stadt Chemnitz, auf der ehrenamtlichen Ebene die Hilfsorganisationen Malteser und Johanniter. „Die Unterstützung der ukrainischen Geflüchteten ist mannigfaltig. Die Kinderbetreuung ist zum Beispiel ein wesentlicher Teil unserer Arbeit in Chemnitz. In manchen Wohnheimen beziehungsweise Sammelunterkünften machen Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren fast die Hälfte der dort aufgenommenen Geflüchteten aus. Für diese Kids haben wir regelmäßige Angebote eingerichtet. Mehrmals die Woche spielen, malen und basteln wir zusammen“, sagt Kneita. Dabei helfen Studierende vom Zentrum für Lehrerbildung der TU Chemnitz, die Kinderbetreuung didaktisch sinnvoll auszugestalten und unterstützen die Kinder dabei, erste Erfahrungen mit der deutschen Sprache zu machen. Ansprechpartner hier ist Florian Bauske, der die Koordination mit den Studierenden und Lehrenden des Grundschullehramts von Beginn an gestaltet hat.
Weitreichende Unterstützung bei der Aufnahme der Geflüchteten
Eine andere wichtige Aufgabe, die in den Wohnheimen der Stadt anfällt, ist die Hilfe bei der Aufnahme von Geflüchteten. „Besonders am Anfang des Krieges kamen immer wieder große Gruppen von Geflüchteten in den Unterkünften an, die nicht wussten, wie es jetzt mit ihnen und ihren Familien weiter gehen soll. Unsere Ehrenamtlichen halfen bei der Einweisung, Einteilung in die Wohnräume, Erklärung der Regeln des Zusammenlebens und klärten erste Fragen, etwa zur Verpflegung, Aussicht auf eine eigene Wohnung und Behördengänge“, so Shikhman. Die Überwindung der Sprachbarriere zwischen Hilfskräften und Geflüchteten, die in der Regel über keine Deutschkenntnisse verfügen, ist eine der wichtigsten Aufgaben der TUC-Geflüchtetenhilfegruppe. „Übersetzungsarbeit bei Fragen, Problemen aber auch Symptomen im Fall von Krankheiten war nötig. Hier haben wir lösungsorientiert gehandelt und waren oft in den Einrichtungen die ersten Ansprechpersonen, wenn es schnell zu helfen galt“, berichtet Kneita. In manchen Einrichtungen wurden sogar Schichten organisiert, sodass rund um die Uhr Hilfe beim Übersetzen zur Verfügung stand.
Von Führungen an der Uni und in der Stadt bis hin zur psychosozialen Hilfe
Darüber hinaus hat die TUC-Geflüchtetenhilfegruppe eine Reihe von Veranstaltungen durchgeführt bzw. mitorganisiert, die darauf abzielten, Geflüchtete in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. So wurde am 2. April eine Führung durch die TU Chemnitz für ukrainische Geflüchtete angeboten, an der rund 20 Personen teilgenommen haben. Am 13. April wurde eine Führung in der Chemnitzer Jakobi-Kirche für etwa zehn ukrainische Geflüchtete zusammen mit der evangelischen Pfarrerin Dorothee Lücke veranstaltet. „Zusammen mit Dr. Emily Richter von der Psychotherapeutischen Hochschul-Ambulanz der TU Chemnitz und Doreen Moschke, Notfallseelsorge vom Caritasverband für Chemnitz und Umgebung e. V., haben wir geholfen, eine psychosoziale Hilfegruppe für Geflüchtete aufzubauen. Hier hat uns der Direktor von der Aufnahmeeinrichtung im Dorint-Hotel, Thomas Reil, mit Räumlichkeiten versorgt“, so Shikhman.
Schwerpunkte der TUC-Geflüchtetenhilfegruppe passen sich der aktuellen Situation an
Während am Anfang der Arbeit der TUC-Geflüchtetenhilfegruppe der Fokus auf die Lösung akuter Probleme der Geflüchteten lag, ändert sich gerade der Tätigkeitsbereich der TUC-Geflüchtetenhilfegruppe. „Die Fluchtbewegung ebbt ab, viele Geflüchtete wurden aus den Wohnheimen bzw. Hotels auf die Kommunen verteilt und bekamen schon Wohnungen zugewiesen. Sie müssen demnächst bürokratische Hürden, sei es im Ausländer-, Einwohnermelde- und Sozialamt oder im Jobcenter, meistern“, so Kneita. Für die frisch an der TU Chemnitz immatrikulierten Studierenden aus der Ukraine hat die StuRa-Vertreterin diese Aufgabe übernommen und setzt sich zum Beispiel für eine rasche Unterbringung im Studierendenwohnheim ein. „Außerdem wird im Moment begonnen, an der TU Chemnitz eine zentrale Anlaufstelle zu organisieren, in der wir Geflüchtete weiter unterstützen. Sei es mit einer Kinderbetreuung, beim Ausfüllen von Anträgen oder alltäglichen Problemen. Auch hier freuen wir uns über jede helfende Hand“, sagt Kneita.
Wer Geflüchteten hilft, sammelt wertvolle Erfahrungen im sozialen Bereich
„Die eigentliche Aufgabe der Integration von ukrainischen Geflüchteten fängt erst an und wir wollen seitens der TU Chemnitz unseren Beitrag leisten“, sagt Shikhman und erläutert: „Zum einen sind wir in karitative Tätigkeiten eingebunden, vernetzen uns in der Stadt und repräsentieren die TU Chemnitz als einen aktiven Teil des städtischen Lebens. Zum anderen sammeln die Mitglieder unserer TUC-Geflüchtetenhilfegruppe wertvolle Erfahrungen im sozialen Bereich, was etwa bei den mitwirkenden Studierenden auch auf das eigene Studium unabhängig vom Fach und auf die persönliche Entwicklung und zukünftigen Berufseinstieg positive Auswirkungen haben wird.“ Nicht zu unterschätzen sei laut Kneita der Umstand, dass die TUC-Geflüchtetenhilfegruppe sehr heterogen ist. „In unserem Team agieren Studierende und Beschäftigte aus fast allen Fakultäten der TU Chemnitz, die sich mit dem Ziel zu helfen zusammengefunden haben. Ihre unterschiedlichen Geschichten, Herkunftsländer, Kulturen und natürlich Muttersprachen machen die Zusammenarbeit unglaublich abwechslungsreich und lehrreich. Auch außerhalb der Universität werden dadurch neue und spannende Kontakte geknüpft.“
Wer die TUC-Geflüchtetenhilfegruppe künftig gern unterstützen möchte, kann sich per E-Mail unter dialog-ukraine@stura.tu-chemnitz.de melden.
Mario Steinebach
09.06.2022