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„Deutschland ist das Land der Möglichkeiten“

Nach seiner Flucht aus Syrien studierte Nazim Iabed Anglistik an der TU Chemnitz – Heute arbeitet er als Lehrer in Chemnitz

Herr Iabed, können Sie sich kurz vorstellen.

Mein Name ist Nazim Iabed. Ich wurde 1990 im Osten Syriens geboren. Ich lebe seit 2016 in Chemnitz und arbeite hier inzwischen als Englischlehrer an einer Oberschule.

Wie verlief Ihr Weg von Syrien nach Deutschland?

Nachdem das syrische Regime alles zerstört hatte, war es für mich unmöglich, in meinem Heimatland sicher zu leben. Ich war gezwungen, mich von meinem Zuhause, meinen Eltern, meinen Freunden und meiner Ehefrau zu verabschieden und Syrien ziellos zu verlassen. Meine Tochter, die zehn Tage später zur Welt kam, durfte ich zunächst nicht sehen. Meine Familie lehnte eine Flucht aus Syrien ab, insbesondere weil sie sehr teuer ist und weit weg von der Heimat führte. Im Nachbarland Türkei war es mir leider nicht gelungen, eine sichere Arbeit zu finden und so verlief der schwierige Fluchtweg weiter durch Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich bis letztlich nach Deutschland. Ungefähr zwei Jahre später konnte ich meine Frau und meine Tochter nach Deutschland holen. Am Berliner Flughafen Tegel durfte ich meine damals zweijährige Tochter endlich kennenlernen und seither lebt meine Familie in Chemnitz.

Was haben Sie studiert? Und wie verliefen die Anfänge Ihres Studiums an der TU Chemnitz?

In Syrien hatte ich den Bachelor in Englischer Literatur erworben. Nachdem ich dann in Deutschland die deutsche Sprache gelernt hatte, wollte ich endlich meinen Traum verwirklichen, meinen Master zu machen und Lehrer zu werden. Doch wie man auf Deutsch sagt: Aller Anfang ist schwer, denn das Studium an einer deutschen Hochschule ist anders als in Syrien. Geholfen haben mir aber verschiedene Anlaufpunkte und Serviceeinrichtungen, wie das Internationale Universitätszentrum der TU Chemnitz, wo ich viel Unterstützung erhielt und wodurch die Anmeldung zum Studium am Institut für Anglistik und Amerikanistik relativ einfach verlief.

Was ist Ihre prägendste Erinnerung, wenn Sie an Ihre Studienzeit in Chemnitz zurückdenken?

Im Jahr 2016 konnte ich mich nicht immatrikulieren, weil ich noch kein A2-Sprachzertifikat hatte. Als ich mich 2017 erneut beworben habe, konnte sich die Mitarbeiterin im Studierendensekretariat an mich erinnern und hat sich sehr für mich gefreut. Und natürlich erinnere ich mich an den Moment, als ich meinen Abschluss bekommen habe.

Wie verlief Ihr Weg nach dem Studium?

Zunächst habe ich als Sprach- und Integrationsmittler beim Landesamt für Schule und Bildung gearbeitet. Da jedoch Lehrer dringend gesucht wurden, bekam ich die Gelegenheit, als Quereinsteiger an einer Oberschule in Chemnitz Englisch zu unterrichten.

Wie bekommen Sie Beruf und Familie unter einen Hut?

 Meine Frau hat ebenfalls an der TU Chemnitz studiert und ihr Studium im April 2024 abgeschlossen. Das war für uns als Familie mit inzwischen drei Kindern eine große Herausforderung. Die TU Chemnitz hat diese Umstände in den meisten Fällen auch wertgeschätzt, allerdings hätten wir uns manchmal noch mehr Unterstützung für studierende Eltern gewünscht.

Wie bewerten Sie das Leben in Chemnitz? Sind Sie hier heimisch geworden?

Einerseits habe ich in Chemnitz vieles von dem erreicht, was ich erreichen wollte, und dafür bin ich sehr dankbar. Andererseits finde ich Chemnitz aus Sicht eines Vaters manchmal recht langweilig, da es nur wenige Freizeitmöglichkeiten gibt. Auch ist es mir wichtig zu sagen, dass wir leider öfter unter Rassismus leiden und diese Situation nicht unbedingt besser wird. Manchmal hat man das Gefühl, dass man sich für Dinge entschuldigen muss, die man gar nicht getan hat. Zudem denke ich, dass die erfolgreiche Integration von Migranten – wofür es sicherlich zahlreiche Beispiele gibt – zu wenig hervorgehoben wird. Meistens wird nur über die negativen Vorkommnisse berichtet. Und genau deshalb freue ich mich sehr über dieses Interview.

Wofür begeistern Sie sich im Privaten am meisten? Was war Ihr nächstes großes Vorhaben?

Grundsätzlich kann ich sagen: Ich bin stolz auf mich. Trotz meiner Sehbehinderung von 70 Grad konnte ich mein großes Ziel, Lehrer zu werden, erreichen. Und dies gibt mir die Motivation, weiterzumachen. Ich habe mich nämlich entschieden, im Bereich „Teaching English to Speakers of Other Languages“ zu promovieren – eine neue Herausforderung, die sicherlich nicht einfach wird.

Welche Tipps haben Sie insbesondere für internationale Absolventinnen und Absolventen für den Berufseinstieg?

Ich sage meinen internationalen Schülern immer: „Deutschland ist das Land der Möglichkeiten. Nun sucht Euch Eure Chancen und legt los!“ Und: „Gebt nicht auf! Wie man auf Deutsch sagt: Lehrerjahre sind keine Herrenjahre.“ Studieren mit geringen Kosten, Lernen und dafür finanzielle Unterstützung erhalten, eine Hochschule besuchen und gleichzeitig arbeiten, einen Ausbildungsplatz mit viel Praxis finden oder ausländische Abschlüsse anerkennen lassen – das ist nicht überall möglich. Ich bin dankbar, dass ich aufgenommen wurde und so viele Chancen bekommen habe.

(Die Fragen stellte Stephanie Höber, Alumni-Koordinatorin der TU Chemnitz.)

Mario Steinebach
29.10.2024

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