Friederike Lippold - bekannt als "Freddy" - von Energy Sachsen ist bei Sachsens Jugendlichen sehr beliebt. Foto: NRj |
Perfekt geweckt in der Spaßgesellschaft
Chemnitzer Kommunikationswissenschaftler untersuchten sächsische Radio-Morningshows und deren Programmakzeptanz bei Jugendlichen
Perfekt geweckt – Morningshows im Radio haben seit ihrer Einführung vor mehr als fünf Jahren im sächsischen Raum eine große Fangemeinde. Zwischen 5 und 10 Uhr plätschert täglich ein bunter Mix aus Unterhaltung, Nachrichten und Information zu Wetter und Verkehr über den Äther, gespickt mit Comedy, Spiel- und Spaßaktivitäten sowie jeder Menge Musik. Und bei allen Sendern gilt es, das "Gute-Laune- Diktum" im Kampf um höhere Einschaltquoten wirkungsvoll zu vermitteln. Doch wie wirken die Morningshows auf junge Hörer? Was beeindruckt die Jugendlichen? Welche Bedürfnisse stellen sie an das Programm? Ein Forscherteam der Professur für Mediennutzung der TU Chemnitz ging diesen und weiteren Fragen im Auftrag der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) wissenschaftlich auf den Grund.
Das Ergebnis: Jeder vierte Jugendliche in Sachsen lässt sich von einer Radio-Morningshow wecken. Allerdings stellten die Kommunikationswissenschaftler auch fest, dass die junge Zielgruppe das Radio insbesondere in der Prime-Time zwischen 5 und 10 Uhr nur als Nebenbei-Medium nutzt. "Lediglich 18 Prozent der 604 befragten Kinder und Jugendlichen im Alter von 10 bis 18 Jahren gaben an, die Sendungen genauer zu verfolgen. Für gut 90 Prozent hat die Musik ohnehin einen höheren Stellenwert als die Moderationen. Rund 76 Prozent schätzten die Morningshows von Radio PSR, Antenne Sachsen, Energy Sachsen, Radio Leipzig und Radio Chemnitz, weil die Moderatoren sympathisch und die Musikauswahl gut sind", berichtet Dr. Dagmar Hoffmann, die die Studie leitete. Allerdings stellten die Wissenschaftler auch fest, dass Jugendliche mit zunehmendem Alter weniger zu beeindrucken sind.
35,3 Prozent der Befragten gaben an, das Energy Sachsen ihr Lieblingssender ist . "Hier scheint die Moderatorenpersönlichkeit eine ganz wichtige Rolle zu spielen", meint Dr. Hoffmann. Friederike Lippold, den meisten Hören nur als "Freddy" bekannt, brilliert jeden Morgen mit ihrer flotten und spritzigen Art. Knapp 15 Prozent der Jugendlichen favorisieren PSR und rund 11 Prozent Jump. Deutlich wird in der Studie auch, dass die Moderatoren trotz getimten Drehbuch sich und den Morningsshows eine besondere Note und einen eigentümlichen Charakter geben. Die Stimme und einige Eigenarten reichen hin, damit sich die Zuhörer ein Bild vom Moderator beziehungsweise der Moderatorin machen. Für Jugendliche im Alter von 10 bis 14 Jahren haben Moderatoren sogar eine Vorbildfunktion, so das Chemnitzer Forscherteam.
Im Gegensatz zu besonderen Programmformaten des Fernsehens wie die Talksendungen am Nachmittag, TV Total oder die Harald-Schmidt-Show erscheinen die sächsischen Morningshows nach medienpädagogischen Gesichtspunkten vergleichsweise moderat und zurückhaltend. Die Wissenschaftler ordnen sie ins Genre des Boulevard ein, denn auch in Morningshows finden sich Prominenten-Klatsch und Belustigungen, wie sie im Jugendalltag typisch sind, wieder: Man amüsiert sich auf Kosten anderer und attackiert gern Personen des öffentlichen Lebens - beispielsweise den Bundeskanzler. Inwieweit diese Form der Unterhaltung dem Diktat der "Spaßgesellschaft"unterliegt, wird in der Chemnitzer Studie nicht weiter beleuchtet. Fest steht, das die Mehrheit der befragten Jugendlichen die zwischen 5 und 10 Uhr präsentierten Witze und "anstößigen"Bemerkungen gut findet, 83 Prozent der Befragten sprechen sich gegen ein Verbot von unanständigen Witzen aus.
Beleuchtet man das Musikangebot der Morningshows– so bieten alle Sender "Mainstream-Musik"– also ein Musikangebot mit hoher Zuhörerakzeptanz, bei der man als Programmmacher nichts falsch machen kann. Dazu Dr. Hoffmann: "zwar behaupten die Sender, den neuen Sound, die neue Musik und die neuesten Hits zu präsentieren, doch letztlich ist im Programm wenig Platz für Neuerscheinungen oder extraordinäre Musikrichtungen vorgesehen."
Die Chemnitzer Studie beleuchtete aber auch die Senderbindung über verschiedene Aktionen: So besuchten etwa ein Drittel der Befragten bereits eine Party des Senders oder nahmen an einem Gewinnspiel teil. Rund 60 Prozent der Jugendlichen "surften" bereits zu den Internet-Seiten einer Radiostation. "Das Interaktionsbedürfnis ist hier relativ stark und die Hemmschwelle zur Kontaktaufnahme relativ niedrig", so Dr. Hoffmann.
Mario Steinebach
01.12.2003