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Emotionen in der Arbeits- und Lebenswelt von Polizisten

Soziologin der TU Chemnitz untersucht Gefühlswelt von Polizisten - Forschungsprojekt soll helfen, Arbeitsbedingungen von Polizisten zu verbessern

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Kein Verhör, sondern ein Interview, bei dem die Soziologin die Fragen stellt: Peggy Szymenderski geht den Emotionen von Polizisten auf den Grund. Foto: Wolfgang Schmidt

Das schwer verletzte Kind, das Entführungsdrama, Überfälle - Polizisten sind oftmals mit existenziellen Situationen konfrontiert. Ihr Beruf bringt sie ständig in Kontakt mit Menschen in Grenzsituationen und schlimmer Not - und damit auch oft an den Grenzbereich ihrer Gefühle, sowohl der eigenen als auch ihrer Mitmenschen. Doch wie gehen Polizisten mit solchen Erlebnissen, aber auch mit den Gefahren des Berufs um? Welchen psychischen und physischen Belastungen sind Polizisten ausgesetzt? Inwiefern wirken sich diese auf die private Lebenswelt aus? Inwiefern leisten Polizisten im Umgang mit den beruflichen Anforderungen Gefühlsarbeit? Was macht den Polizist als Gefühlsarbeiter aus?

Diesen Fragen widmet sich die Soziologin Peggy Szymenderski. Im Rahmen ihrer Dissertation an der Professur für Industrie- und Techniksoziologie der TU Chemnitz interviewte sie 23 Polizisten und 16 Polizistinnen; von 13 Befragten arbeitet auch der Partner bei der Polizei. Sie sind in unterschiedlichen Bereichen, wie Streifendienst, Ermittlungsdienst, Stabsbereich oder Kriminalpolizei, tätig. "Die Polizei ist ein spannendes Forschungsfeld und mit dem Gefühlsleben von Polizisten wurde sich bisher kaum befasst", so Szymenderski. Dass sie durch ihre Eltern, die auch Polizisten sind, einen persönlichen Zugang zum Feld hat, war ein weiterer Grund, sich dieser Berufsgruppe anzunähern.

Polizistinnen und Polizisten werden in ihrem Berufsalltag mit zahlreichen Emotionen konfrontiert, die auch sehr widersprüchlich sein können. Zum einen können Gefühle die Arbeit der Polizisten stören, weil sie etwa Ermittlungen behindern. Andererseits sind Gefühle und Emotionen eine wichtige Grundlage des Arbeitshandelns, wenn zum Beispiel in Familienkonflikten die Streitenden beruhigt werden müssen ohne dabei selbst unsachlich und ungeduldig zu werden. Auch im Umgang mit Opfern sexueller Gewalt oder zur Aufklärung von Straftaten sind Emotionen eine wesentliche Grundlage für das Erreichen des Arbeitsergebnisses. "Deshalb liegt es sehr nahe, sich damit zu beschäftigen, wie Polizistinnen und Polizisten Emotionen in ihren Alltag einbinden und inwiefern sie ‚Gefühlsarbeit’ leisten", so Szymenderski. Allerdings haben Emotionen in der Polizei als eine bürokratische Organisation nicht viel Platz und bürokratische Verfahren und Regeln nehmen auf situative Umstände keine Rücksicht. "Daher stimmen das Empfinden und Erleben der Polizisten oftmals nicht mit der bürokratischen Logik überein, wodurch Polizisten immer wieder in konfliktträchtige Situationen geraten, die sie bewältigen müssen", berichtet die 29-Jährige.

Die Daten hat die Chemnitzer Soziologin mit Hilfe von leitfadengestützten, erzählgenerierenden Interviews erhoben. Die Polizisten wurden unter anderem gefragt, welche polizeilichen Aufgaben sie wahrnehmen müssen, welche Erlebnisse sie bei ihrer Arbeit als sehr dramatisch empfunden haben, inwiefern die berufliche Tätigkeit auch zu Hause Thema ist und wie sich der Arbeitsalltag der Polizisten insgesamt gestaltet. Derzeit wertet Szymenderski die Interviews aus. "Meine Erfahrungen im Feld und die erste Auswertung der Interviews zeigen, dass es im Erleben und im Umgang mit Gefühlen bei der Polizei keine klassischen Geschlechterunterschiede gibt", berichtet Szymenderski. "Es lässt sich nicht sagen, dass Frauen emotionaler sind als Männer", so die Promovendin weiter. Es deutet sich darüber hinaus an, dass Polizisten im Umgang mit emotionalen Belastungen in sehr unterschiedlicher Weise Ressourcen aus dem familialen Kontext nutzen. So zeigt sich, dass einige Polizisten versuchen, ihre berufsbezogenen Emotionen vor der Familie zu verheimlichen, während andere ihr Erleben und ihre Emotionen bewusst in die private Lebenswelt hinein tragen. Dies wird auch dadurch moderiert, ob der Partner des Polizisten ebenfalls dieser Berufsgruppe angehört.

Mit dieser qualitativen Untersuchung will die junge Wissenschaftlerin den Umgang der Polizisten mit emotionalen Wechselwirkungen und Spannungen typisieren, unterschiedliche Praktiken zur Bewältigung von Gefühlen herausarbeiten sowie einen Beitrag zur Polizeiforschung leisten. Das Forschungsprojekt soll auch helfen, die Arbeitsbedingungen für Beamte im Polizeidienst zu verbessern. Gefördert wird die Promotion von der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Weitere Informationen erteilt Peggy Szymenderski, Telefon 0371 531-35561, E-Mail Peggy.Szymenderski@phil.tu-chemnitz.de.

(Autorin: Anett Stromer)

Katharina Thehos
21.10.2008

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