Energieeffizienzlabels für Maschinen?
Mitarbeiter des Chemnitzer Forschungsprojektes PEACH diskutierten auf der Messe SIT 2009 mit Experten aus der Automobilindustrie, dem Maschinenbau und dem Ingenieurdienstleistungsbereich
Nach dem Preisschock im letzten Jahr und dem Bekenntnis der Politik zu einem engagierten Klimaschutz ist das Thema Energieeffizienz in aller Munde. Doch wann ist etwas energieeffizient? Und wie kann die Energieeffizienz in möglichst vielen Lebensbereichen verbessert werden? Kühlschränke und Waschmaschinen tragen Energieeffizienzlabels, an denen sich die Konsumenten orientieren können. Für Maschinen und Anlagen in der Industrie sind solche Labels dagegen nicht bekannt, obwohl allein eine typische Automobilfabrik so viel Strom verbraucht wie 62.000 Drei-Personen-Haushalte.
Maschinenanwender und -hersteller sind sich dieser Tatsache durchaus bewusst. So beteiligten sich am 12. Juni 2009 20 Vertreter aus der Automobilindustrie, aus dem Maschinenbau und von Ingenieurdienstleistern an einer Expertendiskussion auf der Sächsischen Industrie- und Technologiemesse SIT in Chemnitz. Eingeladen hatte das Forschungsprojekt "Projektierung und Steuerung energieeffizienter Anlagen - Systemkompetenz aus Chemnitz" (PEACH). In dem Projekt entwickeln die Hiersemann Prozessautomation GmbH, die SITEC Industrieanlagen GmbH und die FEITEC GmbH gemeinsam mit der Professur für Fabrikplanung und Fabrikbetrieb der TU Chemnitz sowie dem IREGIA e. V. neue Ansätze und Instrumente, mit denen Hersteller und Anwender von Produktionsanlagen die Energieeffizienz ihrer Maschinen systematisch verbessern können. Im Fokus stehen dabei getaktete Fertigungs- und Montageanlagen, wie sie etwa im Automobilbau und in der Zulieferindustrie zum Einsatz kommen. Im Ergebnis des Projektes sollen beispielsweise Energiemonitoring-Systeme der Firma FEITEC enger mit den Anlagenleitständen der Hiersemann GmbH zusammenwachsen, um so Maschinen in energiesparenden Betriebsweisen steuern zu können. Bei der Beschaffung von Maschinen und Maschinenkomponenten sollen unter anderem Checklisten helfen, transparente Informationen zur Energieeffizienz der Maschinen zu gewinnen. Also doch Energieeffizienzlabels für Maschinen?
Energieeffizienz ist das Verhältnis von Energieaufwand zum Nutzen. Für Waschmaschinen und Kühlschränke lässt sich der Nutzen einigermaßen gut für eine gesamte Produktgruppe und für deren Einsatz in einem durchschnittlichen Haushalt definieren. Für Maschinen und insbesondere für hochspezialisierte Sondermaschinen im Automobilbau gelingt dies - auch nach Meinung der Teilnehmer der Diskussionsrunde - nicht. Kaum eine Maschine gleicht einer anderen und auch der Nutzen ist fraglich. An die Stelle der Energieeffizienzlabels müssen daher bei Sondermaschinen und komplexen Anlagen individuelle Berechnungen zur Energieeffizienz treten. Die Vertreter der sächsischen Fahrzeugwerke von Volkswagen und BMW zeigten sich in diesem Zusammenhang optimistisch, dass bei künftigen Investitionsentscheidungen die gesamten Lebenszykluskosten - also auch die Energiekosten - eine größere Rolle spielen werden. Derzeit entscheiden oft noch allein die Anschaffungskosten über den Kauf einer Maschine.
Dem Projekt PEACH wurde in diesem Zusammenhang bescheinigt, mit den von den Partnern TU Chemnitz und SITEC vorgestellten Ansätzen zur Ermittlung von Energieverbrauch und Energiekosten sowie zur Auswahl energieeffizienter Maschinenkomponenten auf dem richtigen Weg zu sein. Neben anspruchsvollen Instrumenten müssten jedoch auch immer wieder vermeintlich triviale Forderungen gestellt werden: So sollten Maschinen künftig während der Betriebsruhe in der Nacht oder am Wochenende komplett ausgeschaltet werden können, um die teils hohen Stand-by-Verbräuche zu sparen. Gerade in Zeiten schlechter Konjunktur und Kurzarbeit sei dies von besonderer Bedeutung. Derzeit sind viele Maschinen nicht in der Lage, nach einer Komplettabschaltung fehlerfrei wiederanzufahren.
Besonders die anwesenden Ingenieurdienstleister betonten, dass es wichtig sei, die Prozess- und Fabrikplaner mit den neuen Anforderungen seitens der Energieeffizienz nicht allein zu lassen. Es gelte, die Praktikabilität der Instrumente zu sichern und die Zusammenarbeit mit Einkauf und Controlling zu verbessern. Die Maschinenhersteller forderten dagegen vor allem, dass die Komponentenlieferanten künftige verbindlichere Informationen zum Energieverbrauch ihrer Bauteile liefern.
Abschließend erläuterte ein Vertreter der SLG Prüf- und Zertifizierungsgesellschaft GmbH das rechtliche Umfeld. Er bestätigte, dass das aktuelle Recht keine verbindlichen Festlegungen zur Energieeffizienz von Maschinen treffe. Dies böte die Chance, dass sich Maschinenkäufer und -hersteller freiwillig auf Angebots-, Liefer- und Abnahmebedingungen für energieeffiziente Anlagen verständigten. Auch solche individuellen Vereinbarungen könnten von einem unabhängigen Dritten zertifiziert werden.
Das Forschungsprojekt PEACH läuft noch bis Ende April 2010 und wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb des Rahmenkonzeptes "Forschung für die Produktion von morgen" mit 690.000 Euro unter dem Förderkennzeichen 02PK2009 gefördert und vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe (PTKA), Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PFT), betreut. Projektleiter ist Prof. Rolf Hiersemann von der Hiersemann Prozessautomation GmbH Chemnitz (Kontakt: Telefon 0371 400400). Die Leistungen der TU Chemnitz werden von der Professur für Fabrikplanung und Fabrikbetrieb unter Leitung von Prof. Egon Müller erbracht.
Weitere Informationen erteilt Dr. Thomas Löffler, Telefon 0371 531-36024, E-Mail thomas.loeffler@mb.tu-chemnitz.de.
Mario Steinebach
17.06.2009