Schriftsteller im Widerstand
Wissenschaftliche Tagung in Chemnitz zeigt vom 9. bis 11. Juli 2009 Facetten und Probleme der "Inneren Emigration"
Im Tagungshotel "Chemnitzer Hof" erwartet die Teilnehmer ein umfangreiches Programm. Foto: Bildarchiv |
Zum Thema "Widerstand im Dritten Reich" gibt es eine große Menge an Untersuchungen. Nahezu alle Felder und Bereiche der deutschen Geschichte nach 1933 haben in der neuen historischen Widerstandsforschung Beachtung gefunden und sind von ihr nach verschiedenen Seiten hin auf das in ihnen jeweils vorhandene "resistente Potential" untersucht worden. Dem Phänomen der kulturellen Resistenz und des intellektuellen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus, also den in der Regel höchst individuellen Verweigerungsformen im Bereich Literatur, der Bildenden Kunst und der Musik wurde lange Zeit wenig Aufmerksamkeit geschenkt, als es diesem für die Selbstdarstellung des Regimes wie für das Selbstverständnis seiner Gegner gleichermaßen zukommt.
"Die historische Forschung der 1950er und 1960er Jahre widmete sich vor allem der moralischen Dimension des politisch-militärischen Widerstandes", weiß Dr. Henrik Thoß, Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts der TU Chemnitz, und fügt hinzu: "In den 1960 und 1970er Jahren richtete sie ihr Augenmerk primär auf die sozial- und alltagsgeschichtlichen Aspekte oppositionellen Verhaltens. Erst das seit Beginn der 1990er Jahre neu belebte Interesse an kultur- und ideengeschichtlichen Fragestellungen hat erste Versuche zur Erhellung geistig-kultureller, besonders literarischer Widerstandsaktivitäten gebracht." Solche Versuche verstehen sich jedoch bislang allesamt als vorläufig, sie beschränken sich zumeist auf die Diskussion immanent literarischer Gesichtspunkte, und sie werden nicht selten in denunziatorischer Absicht unternommen - als Entlarvung vermeintlich bejahender Tendenzen in Leben und Werk, der zur "Inneren Emigration" zählenden Autorinnen und Autoren.
Solchen Hemmnissen und Beschränkungen will eine vom 9. bis 11. Juli 2009 in Chemnitz stattfindende Tagung mit dem Titel "Schriftsteller im Widerstand. Facetten und Probleme der Inneren Emigration" durch ein weit gestecktes und in dieser Form neuartiges Programm zu Leibe rücken. Die Tagung wird von der TU Chemnitz, Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, der Forschungsgemeinschaft 20. Juli 1944 e.V., der Stiftung 20. Juli 1944, vom Rheinischen Merkur und der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung veranstaltet. Tagungsort ist das Hotel "Chemnitzer Hof" am Theaterplatz. Am Donnerstag beginnt die Veranstaltung 14.30 Uhr und die beiden darauffolgenden Tag jeweils um 9 Uhr. Der Teilnehmerbeitrag beläuft sich auf 50 Euro; Studenten könnten kostenlos teilnehmen. Die Veranstaltung wird von Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll, Professur Europäische Geschichte im 19. und 20. Jahrhundert und mit Grußworten des Rektor der TU Chemnitz Prof. Dr. Klaus-Jürgen Matthes, des Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung RA Rüdiger von Voss, von Hans-Manfred Rahtgens, dem Vorsitzenden der Forschungsgemeinschaft und Dr. Bernd Heidenreich von der Hessischen Landeszentrale eröffnet.
Über drei Tage hinweg beschäftigen sich dreizehn Vorträge und ein Abendvortrag in der Villa Esche mit den Hauptvertretern literarischer Widerstands-Aktivitäten im Dritten Reich, mit maßgeblichen Themenbereichen, in denen sich die Autoren der "Inneren Emigration" artikuliert haben sowie mit Problemfeldern, welche die Chancen und Grenzen schriftstellerischer Opposition im Nationalsozialismus markieren. Auf diese Weise entsteht das facettenreiche Gesamtbild einer noch weitgehend unerschlossenen Literaturlandschaft, zu deren Neuentdeckung und Einbindung in den Horizont moderner internationaler Widerstandsforschung die Chemnitz Tagung einen Beitrag leisten soll. Des Weiteren soll der Umgang mit den literarischen Erzeugnissen der "Inneren Emigration" in seinen bisherigen Ergebnissen bilanziert, aus der literaturwissenschaftlichen Betrachterperspektive in einen stärkeren historischen Argumentationsrahmen eingebunden und aus der steril gewordenen Entgegensetzung zur Exilliteratur herausgeführt werden. Eine solche Sichtweise trägt den spezifischen Schwierigkeiten Rechnung, denen die im Dritten Reich lebenden und schreibenden regimekritischen Schriftsteller ausgesetzt waren.
Tagungsprogramm: http://www.tu-chemnitz.de/phil/geschichte/eg/docs/tagung_emigration_programm.pdf
Weitere Informationen erteilt Dr. Henrik Thoß, Professur Europäische Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Telefon 0371 531-32615, E-Mail henrik.thoss@phil.tu-chemnitz.de.
(Autorin: Anett Stromer)
Mario Steinebach
06.07.2009