Offener Brief
Aufforderung zur Beendigung der Besetzung von Räumlichkeiten der Technischen Universität Chemnitz
Foto: Bildarchiv der Pressestelle/Wolfgang Thieme |
Sehr geehrte Studierende, Professorinnen, Professoren, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Technischen Universität Chemnitz,
seit dem 25. November 2009 halten Mitglieder einer so genannten studentischen Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" den größten Hörsaal sowie einen Seminarraum unserer Universität besetzt und erarbeiteten einen teils recht allgemein gehaltenen Forderungskatalog, welchen sie dem Rektorat am 7. Dezember 2009 übergeben haben.
Das Rektorat nimmt diese Forderungen sehr ernst. Eine differenzierte Analyse der in den Forderungen enthaltenen Entwicklungsprobleme hat bereits begonnen. Dies wurde gegenüber den Mitgliedern der Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" auch zum Ausdruck gebracht. Da unsere Universität aufgrund der gesetzlichen Rahmenbedingungen gemäß dem Sächsischen Hochschulgesetz (SächsHSG) eine Gremienuniversität ist, bedarf es einer Diskussion der Forderungen in den legitimierten Gremien sowie des Dialoges zwischen diesen Gremien. Dies sind auf übergeordneter Ebene neben dem Rektorat als zentrale Universitätsleitung gemäß § 83 SächsHSG der Senat, welcher nach § 81 Abs. 1 SächsHSG insbesondere für fakultätsübergreifende Angelegenheiten in Lehre und Forschung sowie für die Stellungnahme zu Studien- und Prüfungsordnungen zuständig ist, einschließlich der Kommission für Lehre und Studium und der Erweiterte Senat, dessen Kompetenz zum Erlass und der Änderung der Grundordnung nach § 81a Abs. 2 SächsHSG hier angesprochen ist. Die Verantwortung für Änderungen oder Neuausrichtung von Studiengängen obliegt nach § 88 SächsHSG den Fakultätsräten, denen mit ihrer Zuständigkeit für den Erlass der Studien- und Prüfungsordnungen ein entsprechendes Initiativrecht, nicht zuletzt auch bezüglich der in den Studiengängen vorgesehenen Prüfungen, zukommt. Zu berücksichtigen ist hierbei insbesondere die zentrale Rolle der jeweiligen Studienkommissionen. In den Selbstverwaltungsgremien, d.h. im Senat, dem Erweiterten Senat, den Fakultätsräten einschließlich der Studienkommissionen ist die Mitgliedschaft von Studierenden gesetzlich vorgezeichnet. Neben den sich hieraus ergebenden Mitwirkungspflichten und -rechten der Studierenden werden deren Interessen insbesondere durch die legitimierten Vertretungen, die Fachschaftsräte und den Studentenrat gemäß § 25 Abs. 1 SächsHSG, wahrgenommen.
Die Diskussion über den Forderungskatalog als Voraussetzung für die Erarbeitung tragfähiger Lösungsmöglichkeiten wurde bereits mit Nachdruck angestoßen. Diese bedarf jedoch einer gewissen Zeitspanne. Entsprechend der gesetzlich vorgesehenen Gremienstruktur sollten die Forderungen vom 7. Dezember 2009 bereits in einer Senatssitzung am 8. Dezember 2009 thematisiert werden. Die erforderliche Vorbereitung der Sitzung und damit deren ordnungsgemäße Durchführung wurde von den die Sitzungsräumlichkeit besetzenden Studierenden verhindert, woraufhin die Sitzung nicht stattfinden konnte. Am gestrigen Tag erfolgte in einer Besprechung des Rektorates mit den Dekanen eine Erörterung und Weiterleitung des übergebenen, nunmehr jedoch mit vorläufig überschriebenen Forderungskataloges.
Mit der Besetzung wird der Lehr- und Studienbetrieb an der Technischen Universität Chemnitz empfindlich gestört. Aus den Reihen der Mitglieder der Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" war noch am 25. November 2009 zu hören, dass sie die Bildung an unserer Universität nicht be- oder verhindern wollen. Von diesem Versprechen haben sich die Mitglieder der Initiative mit zunehmender Dauer der Besetzung mehr und mehr entfernt. Die Gründe für die Besetzung mit ihren negativen Folgen für eine Vielzahl von Studierenden sind jedenfalls mit der Aufnahme der Diskussion der Forderungen in den legitimierten Gremien als Grundlage für zu treffende Entscheidungen entfallen. Zahlreiche Studierende und Mitglieder anderer Hochschulgruppen der Technischen Universität Chemnitz haben zwischenzeitlich ihr Unverständnis über die Besetzung ausgesprochen bzw. sich von dieser distanziert.
Die Mitglieder der studentischen Initiative kamen der Forderung, die besetzten Räumlichkeiten bis zum 11. Dezember 2009 zu räumen, nicht nach. Am gestrigen Tag übergaben sie dem Rektorat einen erweiterten Forderungskatalog. Weiterhin forderten sie in Form eines Ultimatums die Erfüllung eines Teils der dort enthaltenen Forderungen. Es liegt auf der Hand, dass Forderungen, die teils erst mit der gestrigen Übergabe bekannt wurden, keiner so kurzfristigen Erfüllung zugeführt werden können bzw. es erst einer Einigung hierüber bedarf. Darüber hinaus musste mit einiger Verwunderung die erklärtermaßen bestehende Vorläufigkeit des Forderungskataloges vor dem Hintergrund der seit dem 25. November 2009 andauernden Besetzung zur Kenntnis genommen werden. Die anstelle dessen bestehende, berechtigte Erwartung, dass die zunächst sehr allgemein gehaltenen Forderungen auf die nach Ansicht der Initiativmitglieder betroffenen Fakultäten bzw. Studiengänge konkretisiert würden, wurde nicht erfüllt. Soweit der Forderungskatalog beispielsweise die Durchführung hochschul- bzw. fakultätsöffentlicher Sitzungen der Gremien und Kommissionen enthält, ist dies an der Technischen Universität Chemnitz entsprechend der gesetzlichen Regelung des § 56 Abs. 1 SächsHSG gängige Praxis. Demnach tagen der Senat und der Erweiterte Senat hochschulöffentlich, der Fakultätsrat fakultätsöffentlich. Die anderen Organe tagen nach § 56 Abs. 1 S. 3 SächsHSG in der Regel nicht öffentlich. Im Rahmen der Sitzungsöffentlichkeit und der weiterhin geforderten Veröffentlichung aller Beschlüsse der Universitätsgremien ist jedoch die ausdrückliche gesetzliche Forderung gemäß § 56 Abs. 2 SächsHSG, wonach Personal- und Prüfungsangelegenheiten aus nachvollziehbaren Gründen nichtöffentlich behandelt werden, zwingend zu beachten. Weiterhin werden beispielsweise die Protokolle der Senatssitzungen im Internetauftritt der Universität veröffentlicht. Mit anderen Worten enthält der Katalog Forderungen, welche einer Umsetzung, jedenfalls an der Technischen Universität Chemnitz, nicht mehr bedürfen.
Ungeachtet dessen wurde zwischenzeitlich bekannt, dass die Besetzung auch über die vorlesungsfreie Zeit anlässlich der Weihnachtsfeiertage und des Jahreswechsels fortgeführt werden soll. Dies lehnen wir nachdrücklich ab. Seitens der Universitätsleitung wurde alles zur Findung von Lösungen für begründete Anliegen unternommen. Grundlage hierfür sind die Regelungen im SächsHSG. Mit Blick auf das nunmehrige Agieren der Mitglieder der Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" verbleibt festzustellen, dass ein Interesse dieser an einem ernsthaften Dialog, welcher für alle Studierenden vorteilhaft wäre, scheinbar nicht mehr besteht.
An jedem Tag der Besetzung fallen zusätzliche Kosten in einer Größenordung von ca. 1.000 Euro u. a. für zusätzliches Sicherheitspersonal und höhere Betriebskosten an. Diese stehen der Technischen Universität Chemnitz für den eigentlichen Zweck, der Verwendung für Forschung und Lehre nicht zur Verfügung. Nicht zuletzt im Hinblick auf die Höhe wird das Rektorat prüfen, ob entsprechende Regressansprüche gemäß des Verursacherprinzips geltend gemacht werden müssen.
Hiermit fordern wir die Mitglieder der studentischen Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" eindringlich auf, die besetzten Räumlichkeiten bis
Freitag, den 18.12.2009,
zu räumen und geräumt in dem Zustand zu verlassen, in welchem sie vorgefunden wurden. Für den Fall, dass dieser Forderung innerhalb der genannten Frist keine Folge geleistet wird, werden rechtliche Schritte unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten ausdrücklich vorbehalten.
Sehr geehrte Mitglieder der Universität,
ungeachtet der mangelnden Kooperationsbereitschaft der studentischen Initiative "Bildungsstreik 2009 Chemnitz" wird über den bisherigen Forderungskatalog gemeinsam mit den gewählten Gremien unserer Universität weiter mit dem Ziel einer Lösung entsprechend realisierbarer Forderungen diskutiert. Maßstab der Prüfung einer objektiven Realisierbarkeit müssen die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen, bezüglich welcher der Technischen Universität Chemnitz nur bedingt Einfluss zukommt, sein. Zu diesen Rahmenbedingungen zählt insbesondere auch die Befassung der Selbstverwaltungsorgane, welche mit den rechtlich erforderlichen Kompetenzen versehen sind, die durch die Wähler gerade auch für die Wahrnehmung dieser Aufgaben legitimiert wurden. Die Entwicklung von Parallelstrukturen ist dem Ziel, der Erarbeitung von Lösungen, nicht dienlich. Vielmehr würde dies zur Entwertung unserer gewählten Gremien führen.
Vor diesem Hintergrund wurden die Forderungen in der Beratung des Rektorates mit den Dekanen am gestrigen Tag konstruktiv erörtert. Entsprechend der dort bestehenden Kompetenzen für die Erarbeitung von Lösungen wird eine vertiefende Diskussion der bisherigen Forderungen in den Fakultäten unter Beteiligung der Studierenden erfolgen.
Die Dekane aller Fakultäten der Technischen Universität Chemnitz schließen sich der Forderung zur Räumung nachdrücklich an.
Hochachtungsvoll
Prof. Dr. Klaus-Jürgen Matthes
Rektor
Prof. Dr. Cornelia Zanger
Prorektorin für Marketing und internationale Beziehungen
Prof. Dr. Albrecht Hummel
Prorektor für Lehre, Studium und Weiterbildung
Prof. Dr. Dietrich R.T. Zahn
Prorektor für Forschung
Eberhard Alles
Kanzler
Prof. Dr. Karl Heinz Hoffmann
Dekan der Fakultät für Naturwissenschaften
Prof. Dr. Dieter Happel
Dekan der Fakultät für Mathematik
Prof. Dr. Klaus Nendel
Dekan der Fakultät für Maschinenbau
Prof. Dr. Madhukar Chandra
Dekan der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik
Prof. Dr. Wolfram Hardt
Dekan der Fakultät für Informatik
Prof. Dr. Ludwig Gramlich
Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Prof. Dr. Christoph Fasbender
Dekan der Philosophischen Fakultät
Prof. Dr. Astrid Schütz
Dekanin der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften
Mario Steinebach
17.12.2009