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"Die Revolution ist weiblich"

Studentinnen der Europa-Studien organisieren vom 17. bis 29. Mai 2010 eine Ausstellung zu acht aktiven Frauen während der Friedlichen Revolution 1989 sowie zwei Lesungen und eine Filmvorführung

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Frauen engagieren sich für Frauen: Ein Teil des Organisationsteams im Hörsaal. Foto: privat

Acht Studentinnen der Europa-Studien an der TU Chemnitz veranstalten vom 17. bis 29. Mai 2010 eine Ausstellung an der Chemnitzer Universität, die dem 20. Jahrestag der Friedlichen Revolution gewidmet ist. Unter dem Titel "Die Revolution ist weiblich" werden 18 Schautafeln der Tatkraft der damaligen Akteurinnen gedenken und diese würdigen. Die Tafeln werden vom "Archiv Bürgerbewegung Leipzig e.V." zur Verfügung gestellt. Um einen aktiven Beitrag für das Kultur- und Geistesleben an der Chemnitzer Universität zu leisten, erhält das Projekt durch diverse Programmpunkte einen lebendigen Rahmen: Am 17. Mai 2010 um 18 Uhr findet im Weinhold-Bau, Reichenhainer Straße 70, Hörsaal 3, eine Lesung mit der Chemnitzer Autorin Kerstin Hensel statt. Anschließend wird die Ausstellung im Foyer offiziell eröffnet. Am 27. Mai 2010 wird um 15.30 Uhr im Weinhold-Bau, Hörsaal 1, Dr. Karsten Dümmel, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung und Leiter des Bildungswerks Hamburgs, über sein Leben in der DDR und sein Engagement in der Friedensbewegung berichten. Am gleichen Tag um 19 Uhr wird Dümmel aus seinem Roman "Nachtstaub und Klopfzeichen oder Die Akte Robert" lesen. Ihren Ausklang findet die Veranstaltung mit einer Finissage am 27. Mai unter Beteiligung von Andreas Bochmann, Referent für Kultur der Stadt Chemnitz.

Die Ausstellung zeichnet in biografischer Weise Lebensstationen von acht Frauen aus verschiedenen Städten in Sachsen nach. "Jede der Frauen versuchte in den Zeiten der SED-Diktatur auf ihre eigene Art und Weise ihre Umwelt zu revolutionieren", weiß Nadine Wienke, Studentin der Europa-Studien an der TU Chemnitz und Mitorganisatorin der Ausstellung, und fügt hinzu: "Das ungebremste Engagement der Frauen vor und während der Friedlichen Revolution ist beeindruckend. Mit der Ausstellung soll diesen Frauen, die als Teil der Friedlichen Revolution die Geschichte der Region in einem solchen Maße verändert haben, eine öffentliche Anerkennung zuteil werden." Die porträtierten Frauen - Kathrin Hattenhauer, Maria Jacobi, Johanna Kalex, Gisela Kallenbach, Adelheid Liebetrau, Kathrin Mahler Walther, Gesine Oltmanns und Susanne Hartzsch-Trauer - engagierten sich in den 1980er Jahren in besonderem Maße in Frauen-, Friedens-, Menschenrechts- oder Umweltgruppen.

Kathrin Hattenhauer engagierte sich in systemkritischen Gruppen wie dem "Arbeitskreis Gerechtigkeit". In ihrem Studentenzimmer druckte sie gemeinsam mit oppositionellen Freunden illegale Schriften und Flugblätter und verteilte diese. Heute ist sie Malerin. Maria Jacobi engagierte sich seit 1982 in einer der wichtigsten und aktivsten Umweltgruppen im sächsischen Raum, dem Ökologischen Arbeitskreis der Dresdner Kirchenbezirke. Im Jahre 1998 gründete sie gemeinsam mit ihrer Tochter das ANAM CARA - Zentrum für HeilKunst & MärchenSpiel und leitet dort bis heute Seminare als Tanz- und Ausdruckstherapeutin. Annett Ebischbach alias Johanna Kalex bewegte sich als Jugendliche in der Dresdner Hippieszene, die nicht in das staatlich verordnete Jugendbild passte. 1981 rief sie mit einem Flugblatt zu einer Friedensdemonstration an der zerstörten Frauenkirche auf. Gemeinsam mit ihrem Ehemann war sie später Kristallisationspunkt der oppositionellen Gruppe "Wolfspelz", die ab Mitte der 1980er Jahre wiederholt Aktionen durchführte, die über den legalen Raum hinausgingen. Seit ca. zehn Jahren betreibt Kalex die Szenekneipe in der "Trotzdem" in der Dresdner Neustadt. Gisela Kallenbach, die sich bereits als Jugendliche der staatlich verordneten Jugendweihe entzog, engagierte sich später in der Leipziger "Arbeitsgruppe Umweltschutz". 2004 zieht sie als Abgeordnete der Grünen in das Europaparlament ein; 2009 wird sie in den Sächsischen Landtag gewählt. Adelheid Liebetrau studierte an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig Fotografie. Mit der Politik der SED nicht einverstanden, weigerte sie sich an Wahlen teilzunehmen und gründete Mitte der 1980er Jahre eine christliche Frauengruppe. Im Herbst 1989 dokumentierte Liebetrau mit ihrer Kamera die Ereignisse in Plauen. Nach 1990 wendet sich Liebetrau wieder verstärkt ihrem Beruf als Fotografin zu. Kathrin Mahler Walther war bereits früh unzufrieden mit den Möglichkeiten, die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu ändern. Ihr Engagement in mehreren Leipziger Oppositionsgruppen führte zur Bespitzelung durch die Staatssicherheit und zu einem Ausreiseverbot aus der DDR. Nach der Wende studierte sie Soziologie in Jena, Berlin und New York. Seit 1999 arbeitet Kathrin Mahler Walther bei der "Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft" und berät Unternehmen sowie Verbände zur Gewinnung und Förderung von Frauen mit Führungspotenzial. Gesine Oltmanns, bekannt geworden durch ihr mutiges Plakat mit der Aufschrift "Für ein offenes Land mit freien Menschen" auf der ersten Leipziger Montagsdemo im September 1989, engagierte sie sich in den 1980er Jahren mit zahlreichen öffentlichen Aktionen in oppositionellen Menschenrechtsgruppen in Leipzig. Nach 1989 arbeitete sie bis 1994 als Sachbearbeiterin bei der Gauck-Behörde, wo sie die Rehabilitierungsverfahren politisch Verfolgter aus DDR-Zeiten betreute. Die Zwickauerin Susanne Hartzsch-Trauer suchte im Jahr 1983 Kontakt zu kirchlichen Kreisen. Dort lernte sie mehrere systemkritische Personen kennen und freundet sich mit ihnen an. In den folgenden Jahren arbeitet sie in verschiedenen politisch-alternativen Gruppen mit; sie hält auch Verbindungen zur Opposition in Rumänien, die dem Staatssicherheitsdienst nicht verborgen bleiben. Zu Beginn der 1990er Jahre beschließt sie, gemeinsam mit sechs weiteren Frauen, ein Mütterzentrum in Zwickau zu errichten; 1991 wird das "MütZe" eröffnet. Sie ist bis heute dort tätig.

Alle acht Frauen stellten bereits zeitig politische und gesellschaftliche Bereiche in Frage, die in der SED-Diktatur zu den Tabuthemen gehörten, oder an der Legitimität des Staates rüttelten. Dafür nahmen die Frauen staatliche Repressionen, wie berufliche Einschränkungen oder Studien- und Bildungsverbote, in Kauf. An jeder Biografie lassen sich schließlich Einflussnahmen durch das Ministerium für Staatssicherheit ablesen. Die Frauen mussten Bespitzelung, Schikane, Disziplinierung, Einschüchterung, Verhör oder politische Haft ertragen.

Die Veranstaltung wird unterstützt vom Studentenrat der TU Chemnitz, dem Studentenwerk Chemnitz-Zwickau und der Braustolz GmbH.

Homepage der Veranstaltung: http://www.neunzehn89.de

(Autorin: Anett Stromer)

Mario Steinebach
11.05.2010

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