Das Gedächtnis der Universität
2.600 laufende Regalmeter wertvolles Archivgut: Im Chemnitzer Universitätsarchiv lagert lebendige Geschichte rund um die Technische Universität und ihre Vorläufereinrichtungen
Ein kleiner roter Knopf öffnet die massive Tür im Untergeschoss der Reichenhainer Straße 41, hinter der sich das Universitätsarchiv verbirgt. Hier befinden sich ungefähr 30 Räume angereichert mit dem, was als das Gedächtnis der Universität gilt. Zusammen mit den Magazinen in der Reichenhainer Straße 39 und dem Zwischenlager im Thüringer Weg 11 lagern auf circa 500 Quadratmetern über 2.600 laufende Regalmeter Archivgut.
Das Archiv entstand im Jahr 1956 und befindet sich seit 1971 in der Reichenhainer Straße sechs Etagen unter der CampusBibliothek II. Das Gebäude wurde ursprünglich als Wohnheim geplant, jedoch nur ein Jahr von Studenten genutzt. Noch heute ist im Archiv-Keller der Wohnheimcharakter deutlich an den kleinen Räumen und langen Fluren zu erkennen, in denen sich zahlreiche Dokumente zum Geschehen der Universität auftürmen. "Diese kleinen Räume sind allerdings sehr ungünstig", erklärt Archivleiter Stephan Luther, denn zum einen sei die Klimatisierung der Räume problematisch und zum anderen mangele es an Stellfläche. "Wir haben in diesem Jahr noch einen Raum dazubekommen, damit kommen wir vielleicht bis zum nächsten Jahr hin", ist sein Kommentar zum Platzproblem, dass sich bald ändern könnte. Gemeinsam mit der Bibliothek hofft das Universitätsarchiv in die "Alte Aktienspinnerei" umzuziehen, die sich momentan in der Projektierungsphase befindet.
Die Aufgaben des Archivs würden sich mit dem Umzug nicht ändern. Als Zentrale Einrichtung der Technischen Universität Chemnitz dient es der Bewahrung der Institutionsgeschichte. Archiviert werden Akten, Bilder und kleinere Gegenstände, die einen Bezug zur Universität oder ihren Vorläufereinrichtungen haben. "Laut Archivordnung ist jeder Universitätsbereich verpflichtet, seine Unterlagen, die er nicht mehr für den Dienstbetrieb benötigt, dem Archiv anzubieten", erläutert Luther. Jedoch werden nicht alle Dokumente aufgehoben. "Die Kunst des Archivierens besteht im Wegwerfen. Man sagt, so über den Daumen gepeilt, von allen entstehenden Informationen überdauern vielleicht ein bis fünf Prozent, der Rest fliegt weg", beschreibt der Leiter den Aussonderungsprozess. Welche Informationen gesichert werden, hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel von der Bekanntheit einer Person, wenn es sich um personenbezogene Unterlagen handelt wie die Studentenakten. Wichtig ist, dass Jahre später die Wirkungsweise der Institution nachvollziehbar ist. Damit dies gewährleistet werden kann, gehört es zur Aufgabe des Archivs, die Unterlagen zu bewahren, was auch deren Schutz mit einbezieht, zum Beispiel durch eine technische Bearbeitung. Wertvolle, sehr alte oder beschädigte Dokumente werden zuerst von den Mitarbeitern des Archivs von metallischen Gegenständen wie Heftklammern befreit, da diese rosten und dem Papier schaden können. In einem weiteren Schritt werden die Unterlagen in Archivkartonagen umgepackt, die den Zerfallsprozess des sauren Papiers bremsen. Von ausgewählten Beständen werden Filme zur Sicherung und Digitalisate für die Benutzung erstellt.
Das Archivgut nutzen darf jeder, der ein berechtigtes Interesse hat. Im Gegensatz zur Bibliothek kann man jedoch nicht einfach das gesuchte Dokument aus einem Regal ziehen. Der Benutzer muss eine Anfrage an das Archiv richten per E-Mail, Fax, Brief, Anruf oder durch eine Mitteilung im Briefkasten gegenüber dem Lift. Bei einer umfangreicheren Recherche stellt der Benutzer einen schriftlichen Benutzungsantrag und arbeitet vor Ort im Benutzerraum. Hier studiert er die Kataloge und Datenbanken und bestellt beim Archivar die für ihn relevanten Akten. Daraufhin wird das Dokument vom Archivar herausgesucht und vorbereitet. Personenbezogene Angaben, die dem Datenschutz unterliegen, werden entweder geschwärzt oder können gar nicht erst vorgelegt werden. Die Nutzung der einzigartigen Originale wird vom Archiv im Benutzerraum beaufsichtigt, denn "ein Archiv leiht nicht aus", betont Luther.
Neben zahlreichen Unterlagen befinden sich auch kleine Kostbarkeiten im Archiv, wobei "alles wertvoll und bedeutend ist, weil es einmalig ist", meint Luther und holt eine große Schachtel aus einem der vielen Schränke. In ihr befindet sich eine von drei Amtsketten, die die Rektoren in der Vergangenheit zu bestimmten Anlässen trugen. Die aktuelle Kette wird natürlich im Rektorat sicher verwahrt. Daneben lagern Kunstgegenstände wie Porträts, Preismedaillen, Fotos und kleinere Versuchsaufbauten im Archiv. Ein besonderes Stück Zeitgeschichte ist zudem ein Brief vom Luftschiffkonstrukteur Ferdinand Graf von Zeppelin an den Chemnitzer Absolventen und Maschinenbau-Ingenieur Carl von Bach, in dem Zeppelin Bach um fachlichen Rat für seine Luftschiffe bat.
Alle Schätze, die im Universitätsarchiv lagern, haben einen deutlichen Bezug zur Universität sowie deren Vorläufereinrichtungen und erzählen deren Geschichte, die auch für die nächsten Generationen bewahrt werden soll. Die Aufgabe des Archivs ist es aus diesem Grund, nicht nur Unterlagen zu archivieren und zu sichern, sondern auch aufzuarbeiten zum Beispiel in Form von Publikationen und Ausstellungen. Die letzte Ausstellung wurde 2011 beendet und befasste sich mit dem Mauerbau und seinen Auswirkungen auf Lehre und Forschung an den sächsischen Hochschulen vor 50 Jahren, die der Archivleiter und sein Team mit viel Hingabe umsetzten, um die Geschichte der Universität lebendig werden zu lassen.
Weitere Informationen zum Archiv: http://www.tu-chemnitz.de/uni-archiv/
(Autorin: Sandra Edel)
Katharina Thehos
04.04.2012