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Wenn die Gesetze nicht der Gesetzgeber schreibt

Michael Partmann von der TU Chemnitz erforscht das Outsourcing von Gesetzgebungsverfahren und referierte auf einem Förder-Kongress der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung

Das "Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes" klingt erstmal nicht besonders spannend - doch es hat eine Besonderheit: Formuliert wurde es nicht in einem Ministerium, sondern von einer Wirtschaftskanzlei. Das sorgte im Jahr 2009 für einigen öffentlichen Wirbel, auch wenn das Vorgehen kein neues war. "Zwischen 1990 und 2009 wurden in Deutschland 61 Gesetze mithilfe von externen Beratern formuliert. Auffällig ist aber ein deutlicher Anstieg in den vergangenen Jahren", sagt Michael Partmann, der an der Technischen Universität Chemnitz zum Prozess der Gesetzgebungsvorbereitung in der Ministerialverwaltung in Deutschland und den USA promoviert. "Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage vor wenigen Monaten hat zwar ergeben, dass die Nutzung jetzt wieder rückläufig ist. Das dürfte allerdings in Zusammenhang stehen mit der öffentlichen Debatte rund um das Gesetz zur Ergänzung des Kreditwesengesetzes und lässt noch keine Rückschlüsse auf die zukünftige Nutzung zu", so Partmann.

Der Chemnitzer Politikwissenschaftler beteiligte sich mit einem Vortrag zum Thema "Outsourcing von Gesetzgebungsverfahren - ein bedenkliches Phänomen?" am Förder-Kongress "Aufgeschlossen für Wandel - verankert in gemeinsamen Grundwerten: Demokratie und Wirtschaft in Deutschland und in der Europäischen Union". Der von der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und der Robert Bosch Stiftung betreute Kongress fand am 14. und 15. Juni 2012 in Leipzig statt. Er richtete sich sowohl an Wissenschaftler, als auch Vertreter aus der Praxis - etwa Politiker, Unternehmer und Medienvertreter. Die vorgestellten Ideen werden interdisziplinär diskutiert und anschließend in einem Tagungsband veröffentlicht. In einem zweistufigen Auswahlverfahren wurden zunächst deutschlandweit junge Nachwuchswissenschaftler von Hochschullehrern vorgeschlagen. Rund 100 Kandidaten wurden zum Kongress eingeladen. Von diesen wiederum sind nur 18 ausgewählt worden, ihre Thesen in einem Referat zu präsentieren. "Schon beim letzten Kongress der Stiftungen vor zwei Jahren hat mein Mitarbeiter Markus Lorenz einen Vortrag halten dürfen, damals zur Zukunft des Bundestages im europäischen Mehrebenensystem. Dass mit Michael Partmann zum zweiten Mal in Folge ein Mitarbeiter der Professur eingeladen wird und zugleich unter den Referenten vertreten ist, ist ein großer Erfolg", sagt Prof. Dr. Gerd Strohmeier, der die Chemnitzer Professur Europäische Regierungssysteme im Vergleich inne hat.

Partmann sieht das Outsourcing von Gesetzgebungsverfahren als durchaus problematisch an: "Der Einfluss von außerhalb der Ministerialverwaltung stehenden Experten nimmt zu, ohne dass dies transparent gemacht wird", gibt er zu bedenken, fügt jedoch hinzu: "Rechtlich betrachtet ist an dieser Auslagerung wenig auszusetzen. Weder Artikel 76 des Grundgesetzes noch die Geschäftsordnungen der Bundesministerien und der Bundesregierung geben für die Auslagerung von Gesetzentwürfen genaue Richtlinien vor." Partmanns These, die er auch bei seinem Vortrag beim Förder-Kongress erläuterte, lautet: "Die Auslagerung der Anfertigung von Gesetzentwürfen kann in Ausnahmefällen als sinnvoll betrachtet werden, da komplexer Sachverstand gerade unter Zeitdruck nicht ministeriumsintern sicherzustellen ist. Allerdings ist in diesen Fällen stärker als bisher auf Transparenz zu achten."

Als Beispiel, wann ein Outsourcing sogar sinnvoll ist, nennt der Chemnitzer Forscher das "Finanzmarktstabilisierungsgesetz", das im Oktober 2008 als Eilgesetz unter großem Zeitdruck verabschiedet wurde. "Die Expertise von Kanzleien kann nicht ohne immense Ressourcenerhöhung innerhalb der Ministerialverwaltung erbracht werden. Dies würde eine deutliche Verstärkung der Personaldecke sowie eine stärkere Spezialisierung der Ministerialbeamten voraussetzen, die kostenintensiv wäre und im gesetzgeberischen Normalfall nicht benötigt wird", begründet Partmann. Allerdings sei im Falle einer Auslagerung vor allem eine Voraussetzung zu beachten: höchstmögliche Transparenz. "Denkbar wäre, je nach Einzelfall, eine Ausschreibung der Leistung, die Markierung von extern erarbeiteten Teilen eines Gesetzentwurfs sowie eine regelmäßige öffentliche Berichterstattung der auftraggebenden Ministerien", sagt Partmann und ergänzt: "Außerdem sollte offen gelegt werden, wenn die Interessen der beauftragten Kanzleien zu Konflikten führen." Denn Kanzleien dürfen grundsätzlich auch Fälle annehmen, die von ihnen entworfene Gesetze betreffen. "Das ist einer der Punkte, an denen es problematisch wird. Kanzleien kennen bereits mögliche Lücken ihrer selbst formulierten Gesetzentwürfe und könnten diese theoretisch später ausnutzen", so Partmann. Daneben müsste die möglichst frühzeitige Beteiligung von Interessengruppen beachtet werden, die in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien gefordert ist.

Weitere Informationen erteilt Michael Partmann, Telefon 0371 531-38573, E-Mail michael.partmann@phil.tu-chemnitz.de.

Katharina Thehos
15.06.2012

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