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Der Mittelstand im Hörsaal

Das Programm "Unternehmenszukunft Sachsen" zieht eine positive Zwischenbilanz

  • Sebastian Münch erzählte beim Stammtisch von seinem Weg: Der 30-Jährige hat die Firma AEL Apparatebau GmbH Leisnig mit mehr als 150 Mitarbeitern von seinem Vater übernommen. Foto: Mario Geißler
  • Auch Prof. Dr. Reinhard Erfurth (r.) gab den Studierenden tiefe Einblicke in seinen Übergabeprozess der ERFURTH.PROJEKTDESIGN GmbH. Foto: privat

Bis 2014 stehen laut des Instituts für Mittelstandsforschung (IFM) in Bonn weit über 4.000 Unternehmen in Sachsen vor einem existenziellen Problem: Wer soll die Firma übernehmen? Das Qualifikationsprogramm "Unternehmenszukunft Sachsen" bereitet seit diesem Semester Studierende und Doktoranden der TU Chemnitz auf eine mögliche Zukunft als Unternehmensführer im Freistaat vor. Die ersten Teilnehmer ziehen ein positives Zwischenresümee.

Im April dieses Jahres startete der erste Durchgang des Zusatzqualifikationsprogramms Unternehmenszukunft Sachsen. Ziel des Programms ist die Sensibilisierung für die vielfältigen Aufgaben und Belange, die mit einer Unternehmensübernahme im Mittelstand einhergehen. Um dieses Ziel zu erreichen, erwartete die Teilnehmer ein umfangreiches und vielfältiges Programm aus Workshops, Praxisprojekten und Vorträgen von erfahrenen Unternehmern aus der Region. "So bekommt man einen Einblick in den Mittelstand aus erster Hand", schwärmt Monique Rücker, eine der Teilnehmerinnen. Die Masterstudentin des Studiengangs Management and Organisation Studies kann sich gut mit dem Ziel des Programms identifizieren. "Schließlich will ich genau dahin, in einer Führungsposition im Mittelstand hier in Sachsen arbeiten."

Dirk Eidner, Master-Student Kundenbeziehungsmanagement, kann sich ebenfalls eine Zukunft als Unternehmensführer vorstellen. "Ich habe inzwischen ein ganz neues Bild von der Unternehmensübergabe bekommen. Mir war anfangs gar nicht klar, dass es sich dabei um so einen komplexen und vor allem so langfristigen Prozess handelt. Auch die emotionale Komponente, die ja während aller Praxisvorträge immer wieder betont wird, war mir in diesem Ausmaß nicht bewusst." Genau hier zeigt sich, dass das Konzept des Programms aufgeht. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis lässt die Teilnehmer neue und vielfältige Perspektiven auf das Thema entdecken. Da die Hintergründe der Studierenden sehr unterschiedlich sind und von Stochastik über Kundenbeziehungsmanagement hin zur Elektrotechnik reichen, ist die fachliche Komponente unabdingbar. Aber den realen Einblick in die Alltagswelt des Unternehmers bekommen die Teilnehmer vor allem durch zahlreiche Gespräche und Vorträge von Experten, die selbst gerade eine Übergabe vorbereiten oder bereits erfolgreich hinter sich gebracht haben. Gleichzeitig gibt es für die Studierenden während der regelmäßig stattfindenden Stammtische die Möglichkeit, Führungspersönlichkeiten aus der Region zu treffen und sich mit ihnen auszutauschen.

Zu den Referenten zählen beispielsweise Prof. Dr. Reinhard Erfurth von der ERFURTH.PROJEKTDESIGN GmbH, der den Teilnehmern im Rahmen seines Praxisvortrags den Übergabeprozess aus Sicht des Unternehmers näher brachte, Dr. Stephan Kieselstein von der KIESELSTEIN GmbH oder auch Sebastian Münch, der mit 30 Jahren innerhalb von nur neun Monaten das Unternehmen seines Vaters übernahm. "Ich finde es wirklich faszinierend, wie unterschiedlich die Perspektiven auf das Thema sind und wie unterschiedlich auch die Unternehmerpersönlichkeiten sind. Es ist spannend, wie sie auf Übernahmeprobleme reagieren und wie sie die Abläufe und Prozesse strukturieren - dadurch habe ich viel gelernt", befindet Thomas Am Ende, der selbst Wirtschaftsingenieurwesen studiert. Doch nicht nur der Unternehmeralltag und die Herausforderungen bei einer Übergabe sollen möglichst realistisch vermittelt werden. "Wer überlegt, diesen Karriereweg einzuschlagen, der sollte auch ein realistisches Bild von sich selbst haben", fasst Initiator und Projektgeschäftsführer Mario Geißler zusammen. Deswegen wird in Kooperation mit der Professur für Persönlichkeitspsychologie und Diagnostik der TU Chemnitz eine Potenzialanalyse mit den Teilnehmern durchgeführt. Dadurch erfahren die Teilnehmer noch einmal dezidiert eigene Stärken und Schwächen und können auf Basis der Ergebnisse auch ihren eigenen "Fahrplan" innerhalb des Workshop-Angebots erstellen. "Viele meiner Stärken waren mir vielleicht schon klar", so Monique Rücker aus dem Masterstudiengang Management and Organisation Studies, "aber es ist noch einmal etwas anderes, sie im Hinblick auf den Führungsaspekt gebündelt vor mir zu sehen und sie dann noch in den Workshops ausbauen zu können."

Während der Wochenend-Workshops kann sich der eine mehr auf das Training seiner rhetorischen und kommunikativen Fähigkeiten konzentrieren, der andere vielleicht auf die Teamführung oder das Konfliktmanagement. Norbert Lehnert, der im vierten Master-Semester Mikrosysteme und Mikroelektronik studiert, sieht hierin die besondere Stärke des Programms: "Am meisten profitiere ich wirklich von den Workshops, weil ich meine Fähigkeiten testen und verbessern kann und neue Impulse bekomme. Außerdem kann und muss ich dort mit vielen verschiedenen Leuten aus anderen Studienrichtungen zusammenarbeiten - das ist eine schöne Abwechslung zu meinem Studienalltag. Wenn ich all diese Fähigkeiten im Rahmen eines Führungskräftecoachings vermittelt bekommen würde - das wäre kaum bezahlbar."

Das intensive Konzept aus wöchentliche Vorträgen, Workshops an den meisten Wochenenden, regelmäßigen Stammtischen und zusätzlichem Praxisprojekt, das die Studierenden bearbeiten, gibt sehr viel, aber fordert die Teilnehmer zeitlich und inhaltlich. "Man muss schon wissen, worauf man sich einlässt. Aber man bekommt eben auch wahnsinnig viel dafür geboten und es hat sich für mich bisher wirklich gelohnt", erzählt Dirk Eidner, Masterstudent des Kundenbeziehungsmanagements. Er sieht in der Analyse, dem Training und dem fortwährenden Feedback, das man durch die Teilnahme an dem Workshop-Programm bekommt, eine der Stärken von Unternehmenszukunft Sachsen. "So ausgiebiges Feedback zu mir, zu meinen Fähigkeiten und meiner Persönlichkeit, das bekomme ich an der Universität sonst nicht. Aber wir bekommen ja nicht nur Feedback, sondern wir müssen es auch regelmäßig geben. Das schult ungemein und ist sicherlich eines der wichtigsten Dinge, die ich aus diesem Programm für mich mitnehme."

Feedback haben die Teilnehmer inzwischen auch für das Programm selbst gegeben. Die Zwischenevaluation brachte viele positive Rückmeldungen. "Wir sind bisher sehr zufrieden", sagt Mario Geißler und ergänzt: "Es freut uns unheimlich, dass wir erste Ergebnisse auf einem so hohen Niveau erzielen konnten." Besonders hervorgehoben wurden die Vielfalt des Programms und die Austauschmöglichkeiten mit Geschäftsführern der regionalen Wirtschaft. Für den nächsten Durchgang wird das Programm in dieser Hinsicht noch erweitert, auch die Kontakte zur Wirtschaft werden weiter ausgebaut. Bereits konkreter ist die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Industrieverein Sachsen 1828 e.V., der den Teilnehmern ab dem nächsten Semester exklusiv und kostenfrei den Besuch der Vereinsmeetings ermöglichen will. Doch schon für diesen Durchgang der Zusatzqualifikation steht fest: Alle Teilnehmer würden "Unternehmenszukunft Sachsen" weiterempfehlen - ein schöner Erfolg für Teilnehmer und Veranstalter und gute Aussichten für das nächste Semester.

Für das Wintersemester 2012/13 kann man sich ab sofort unter http://www.tu-chemnitz.de/unternehmensnachfolge/bewerbung/ bewerben.

Kontakt: Mario Geißler, Telefon 0371 531-36685, E-Mail mario.geissler@wirtschaft.tu-chemnitz.de, http://www.tu-chemnitz.de/unternehmensnachfolge

(Autorin: Imke Hans)

Katharina Thehos
06.07.2012

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