Viel Lärm um nichts ... oder warum die bundespolitische Konsequenz der Niedersachsenwahl überschätzt wird
Zwei Chemnitzer Studierende der Politikwissenschaft berichten über die heutige Vorlesung von Prof. Dr. Gerd Strohmeier, die durch aktuelle Geschehnisse in der Bundesrepublik beeinflusst wurde
Morgens, 7.30 Uhr in einem Hörsaal der Chemnitzer Uni: Prof. Dr. Gerd Strohmeier, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität, bereichert seine Vorlesung mit einem aktuellen Brennpunkt zur Niedersachsenwahl. Nahtlos fügt er den Praxisexkurs in das eigentliche Thema seiner Vorlesung ein: Parlamentsstrukturen und -funktionen im Vergleich.
Wir und die Studierenden um uns herum werden mit der Frage konfrontiert, welche Folgen die Landtagswahl in Niedersachsen für die Bundesregierung mit sich bringt. Ein Studierender stellte einen erheblichen Machtverlust für Schwarz-Gelb fest. Diese Einschätzung ähnelt, so Strohmeier, der Berichterstattung diverser Medien kurz nach dem Ende der Wahl. So wurde berichtet, dass nun Rot-Grün die Mehrheit im Bundesrat halte und infolgedessen Gesetzesvorhaben der Bundesregierung im Bundesrat blockieren könne. Die Opposition sei überdies auch in der Lage, über die Länderkammer Gesetzesentwürfe einzubringen. Der Chemnitzer Politikwissenschaftler relativiert in seiner Vorlesung diese Darstellung erheblich. Richtig sei zwar, dass die Oppositionsparteien - also SPD, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und SSW - nun über die absolute Mehrheit im Bundesrat verfügen, denn sie halten - eine rein parteipolitische Abstimmung vorausgesetzt - 36 von insgesamt 69 Stimmen, doch führt dies nicht zu einer gravierenden Veränderung der machtpolitischen Situation. Denn selbst vor dem Verlust der sechs niedersächsischen Stimmen im Bundesrat hatte die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht die Möglichkeit, Zustimmungsgesetze im Alleingang durch die Länderkammer zu bringen. Da hierfür eine absolute Mehrheit erforderlich ist, Bundesländer nur einheitlich abstimmen können - siehe Art. 51 Abs. 3 GG - und Enthaltungen praktisch "Nein"-Stimmen sind, war sie auch bisher auf die Kooperation der Opposition angewiesen. Diese Besonderheiten waren nicht jedem der Studenten zuvor klar.
Darüber hinaus ist es zwar richtig, so Strohmeier weiter, dass die Mehrheit im Bundesrat Gesetze einbringen kann. Doch dies war der Opposition auch bisher im Bundestag möglich. Da die Regierungskoalition weiterhin die Mehrheit des Bundestags hält, sind Gesetzesinitiativen der Opposition zudem wenig erfolgversprechend. Daran ändern auch die neuen Machtverhältnisse nach der Wahl in Niedersachsen nichts. Das leuchtet allen Zuhörern ein. Es zeigt sich, dass die Darstellung der Auswirkungen der niedersächsischen Landtagswahl durch Politik und Medien - bewusst oder unbewusst - überbewertet wird. Für uns war die praxisnahe Vorlesung ein wichtiger Informationsgewinn und die 90 Minuten vergingen wie im Flug.
(Autoren: Lea Herzog und Erik Vollmann)
Mario Steinebach
23.01.2013