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In wenigen Minuten um Jahrzehnte altern

Ein Besuch im Labor für Biometrik der TU Chemnitz zeigt, welcher Aufwand hinter der Messung körperlicher Beanspruchung steckt, und wie es möglich ist, mit nur einem Kleiderwechsel um Jahre zu altern

  • Das Labor für Biometrik der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement ist im Universitätsteil Erfenschlager Straße angesiedelt. Die hier durchgeführten Messungen werden stets per Video aufgezeichnet, um den Versuch jederzeit noch einmal nachvollziehen zu können. Foto: Wolfgang Thieme
  • Der Blick auf den Monitor verrät den Probanden, mit welcher Geschwindigkeit und in welchem Abstand die Bewegungen auszuführen sind. Foto: Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement
  • Eine gleichmäßige Ausführung der Bewegungen ist wichtig, um die Rahmenbedingungen der Messungen konstant zu halten. Foto: Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement
  • Von der Messung bis zur Auswertung: Die aus dem Versuch resultierenden Daten werden an ein Messsystem weitergeleitet und können schließlich am Computer ausgewertet werden. Foto: Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement
  • Trizeps in Aktion: Die Beanspruchung der einzelnen Muskelfasern wird aufsummiert und kann anhand der graphischen Darstellung auch optisch nachvollzogen werden. Foto: Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement
  • Einschränkung der fünf Fähigkeitsklassen Hören, Sehen, Beweglichkeit, Kraft und Fühlen: Der modulare Alterssimulationsanzug MAX lässt seine Träger um Jahrzehnte altern. Foto: Wolfgang Thieme
  • MAX im Einsatz: Der Anzug soll unter anderem jüngeren Mitarbeitern helfen, Verständnis für altersbedingte Probleme ihrer älteren Kollegen zu entwickeln. Foto: Wolfgang Thieme

Aufgabe der Biometrik ist die wissenschaftliche Messung an Lebewesen - insbesondere an Menschen. So werden im Rahmen biometrischer Verfahren nicht nur körperliche und verhaltenstypische Merkmale erfasst, sondern zudem mit Hilfe mathematisch-statistischer Methoden systematisch ausgewertet. Eben diesem Zweck von biometrischen Messungen der menschlichen Physiologie sowie körperlichen Belastungen und Beanspruchungen dient auch das Chemnitzer Labor für Biometrik der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement, das im Gebäude C im Universitätsteil Erfenschlager Straße angesiedelt ist.

Den optischen Mittelpunkt des etwa 15 Quadratmeter großen Laborraumes bildet ein Versuchsstand, auf dessen Sitz Probanden während der Untersuchungen Platz nehmen. "Ganz bewusst haben wir uns für mehrere Studien entschieden, die Versuche immer im Sitzen durchzuführen. Nur so können die Rahmenbedingungen konstant gehalten werden", erklärt Dr. Jens Mühlstedt, Teamleiter des Bereiches Innovation Engineering der Professur Arbeitswissenschaft und Innovationsmanagement, und fügt hinzu: "Natürlich werden gerade in der Produktion viele Bewegungen auch im Stehen durchgeführt. Würden wir die Versuchspersonen jedoch aus dem Stand beispielsweise immer wieder eine Kiste anheben lassen, wäre die Variationsbreite bei der Ausführung zu groß und eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse nicht mehr gegeben". Mit der Messung im Sitzen haben die Arbeitswissenschaftler hingegen deutlich bessere Möglichkeiten, die Versuchsbedingungen zu standardisieren. Dazu dienen unter anderem auch diverse Gurte der Apparatur, mit deren Hilfe die Probanden am Versuchsstand fixiert werden können. Eine Variation der Bedingung ist trotz der hohen Kontrolle aber immer noch möglich und vielfach auch gewollt - so können je nach wissenschaftlichem Interesse die Belastung in Form des einwirkenden Gewichtes auf die Muskulatur des Probanden, aber auch die Auswahl der zu messenden Körperpartie wie Schulter, Ellenbogen oder Knie sowie die Geschwindigkeit des Bewegungsablaufes angepasst werden. Selbst minimale Unterschiede können dabei mit Hilfe von Elektromyografie - der Messung elektrischer Muskelaktivitäten - festgehalten werden. Zu diesem Zweck werden Elektroden auf die relevanten Muskelpartien der Versuchsteilnehmer geklebt. Diese leiten anschließend die ermittelten Informationen an ein Messsystem für nachträgliche Auswertungen weiter. "Neben einzelnen Elektroden können wir bei der Messung beispielsweise auch sogenannte Goniometer einsetzen. Dabei handelt es sich um jeweils zwei durch einen flexiblen Draht verbundene Elemente, die den Winkel bei der Beugung von Armen oder Beinen bestimmen können", so Mühlstedt, der anschließend den Mehrwert derartiger Versuche erklärt: "Natürlich dienen all diese Untersuchung in erster Linie dafür, ein genaueres Bild über mögliche Belastungen und Beanspruchungen des menschlichen Körpers zu erhalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist aber auch, dass aus den resultierenden digitalen Bewegungswerten wichtige Informationen für die Entwicklung von Bewertungsverfahren beispielsweise zur Nutzung digitaler Menschenmodellen gewonnen werden." Letztlich findet das Labor für Biometrik seinen Einsatz jedoch nicht nur in der Forschung. Auch die Studenten der TU Chemnitz können in kleineren Gruppen im Rahmen des Lehrbetriebes Beispielmessungen durchführen.

Weniger von den Studenten, dafür mehr von Vertretern der Wirtschaft, wird der modulare Alterssimulationsanzugextra (kurz: MAX) als eine weitere wichtige Komponente des Biometrik-Labors genutzt. Dabei handelt es sich um den weltweit ersten Alterssimulationsanzug, der in der Lage ist, verschiedene Einschränkungsgrade des Alterungsprozesses modular nachzubilden. Auf drei Stufen - von gering bis hoch - können so die fünf Fähigkeitsklassen Hören, Sehen, Beweglichkeit, Kraft und Fühlen eingeschränkt werden. "Eine spezielle Brille behindert zum Beispiel die Sehkraft. Das Gehör wird durch Kopfhörer gedämpft und an den Gelenken beeinträchtigen Metallgewichte die individuelle Beweglichkeit", so Christian Scherf, der den Altersanzug im Rahmen seiner Promotion entwickelt. Anders als vergleichbare Alterssimulationsanzüge gibt MAX seinem Träger kein starres Alter vor, sondern ermöglicht dem jeweiligen Nutzer entsprechend der eigenen körperlichen Voraussetzungen ein ganz individuelles Alter nachzuempfinden. Der Vorzug des modularen Aufbaus verschafft dem in Chemnitz entwickelten und produzierten Altersanzug auf diesem Weg eine Vielzahl von Einsatzgebieten. "Gerade junge Ergonomen oder Arbeitsplaner sollen mit Hilfe des Alterssimulationsanzuges eine Vorstellung davon bekommen, wie es ist alt zu sein. Er soll ihnen helfen, sich in ältere Kollegen und deren Arbeitsweise besser hineinversetzen und sich für deren Bedürfnisse sensibilisieren zu können", sagt Scherf, der vom Lerneffekt derartig praktischer Erfahrungen überzeugt ist. Längst ist die Forschungsarbeit am Anzug noch nicht abgeschlossen. Auch hier wird beim derzeitigen Einsatz des Anzuges in den Wirtschaftsunternehmen noch Optimierungsarbeit geleistet und zahlreiche Weiterentwicklungsmöglichkeiten werden getestet. So wird es auch zukünftig im Labor für Biometrik der TU Chemnitz vieles zu entdecken geben.

(Autorin: Ina Huke)

Katharina Thehos
25.04.2013

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