"Das Wissenschaftsforum gibt einem schon bestehenden Körper eine Gestalt"
Verstärkte Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft soll Sachsen noch besser voranbringen - Startschuss beim "Wissenschaftsforum Chemnitz" am 26. April 2013
Sachsens Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) veranstaltete am 26. April 2013 erstmals ein Wissenschaftsforum, mit dem ein Kommunikations- und Austauschprozess in Bewegung gesetzt werden soll. Das "Wissenschaftsforum Chemnitz 2013" war der Auftakt zu weiteren Wissenschaftsforen in diesem und im nächsten Jahr, um Herausforderungen und Chancen der jeweiligen Region zu diskutieren und auf einem Abschlusssforum landesweit zu spiegeln. Dabei werden Strategien, Konzepte und Maßnahmen entwickelt, die die Sichtbarkeit, Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschaftsregionen erhöhen sollen.
Der globale Wettbewerb innerhalb der Wissensgesellschaft um Drittmittel, Fachkräfte, Studierende oder Wissenschaftler steigt. Da die Akteure jedoch auf die gleichen standortgebundenen Rahmenbedingungen angewiesen sind, sieht der Sächsische Hochschulentwicklungsplan 2020 vor, diesen Herausforderungen mit dem Konzept der Wissenschaftsregionen zu begegnen. Er benennt vier solcher Regionen: Chemnitz, Dresden, Freiberg und Leipzig. Die Wissenschaftsforen dienen dabei als Kommunikationsplattform, bei der sich regionale Vertreter von Forschungseinrichtungen, Hochschulen und Studienakademien, von Bibliotheken, Kultureinrichtungen und Museen, von Studentenwerken und Studierendenvertretungen, von Vertretern der Wirtschaft, von Kammern und Verbänden sowie aus den Kommunen treffen und austauschen.
Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Sabine von Schorlemer, sagte anlässlich der Eröffnung des Wissenschaftsforums: "Die Wissenschaftsforen sind Orte des Dialoges zu Zukunftsfragen, Orte der Einbindung von vielfältigen Akteuren in regionale Planungs- und Gestaltungsprozesse, Orte des Informations- und Erfahrungsaustausches. Gemeinsam mit diesen Akteuren möchte das sächsische Wissenschaftsministerium Strategien, Maßnahmen und Konzepte entwickeln, um den vor uns befindlichen Herausforderungen zu begegnen." Sie fasste zusammen: "Das Wissenschaftsforum ist eine echte Chance, sich abseits des Alltagsgeschäftes Zukunftsfragen zuzuwenden und zu sehen, welche Weichen wir stellen müssen. Wir wollen einen Diskurs anstoßen zu Themen, die uns alle angehen." Es gehe um eine bessere Vernetzung der Hochschulen mit ihrem Umfeld und darum, Kooperationsmöglichkeiten, die bisher noch brach liegen, zu nutzen. Dabei sieht sie Potenzial zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, aber vor allem auch zwischen kleinen und mittleren Unternehmen und den Akteuren der Forschung. Es gelte, den Wissens- und Technologietransfer als dritte wichtige Säule der Hochschulen neben Forschung und Lehre zu stärken.
"Neben dem strategischen Ausbau bestehender Partnerschaften zwischen der TU Chemnitz, den benachbarten Hochschulen und Berufsakademien sowie außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind in unserer Wissenschaftsregion gemeinsam mit der Stadt Chemnitz und dem Freistaat Sachsen neue Netzwerke in Forschung und Lehre zu bilden. Diese sollten die Wettbewerbsfähigkeit aller Akteure erhöhen und zu deren stärkeren internationalen Sichtbarkeit beitragen", sagte der Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Arnold van Zyl. "Wir werden die Kommunikationsplattform, die das Wissenschaftsforum bietet, in eine Kooperationsplattform überführen", betonte der Rektor und verwies auf ein umfangreiches Positionspapier, das von den Hochschulrektoren in Vorbereitung der Veranstaltung erarbeitet wurde. Als Beispiel für ein mögliches konkretes Projekt, das entstehen könne, nannte er die Einrichtung eines Projektakquisebüros, auf das Universitäten, Fachhochschulen und Unternehmen zurückgreifen könnten, um beispielsweise Anträge für die Forschungsförderung an die Europäische Union zu stellen. Weitere konkrete Handlungsfelder könnten, so der Konsenz des Arbeitskreises Internationales des Wissenschaftsforums, ein abgestimmtes Regionalmarketing, die Etablierung einer Willkommenskultur für Studierende, Promovierende und Wissenschaftler aus dem Ausland sowie eine gemeinschaftliche Sprach- und interkulturelle Ausbildung sein. "Das Wissenschaftsforum gibt einem schon bestehenden Körper eine Gestalt", fasste der Rektor zusammen und spielte damit unter anderem an auf eine Kooperation zwischen der TU Chemnitz und der Westsächsischen Hochschule Zwickau bei der Ausbildung von Ingenieuren für die Textilbranche.
Handlungsbedarf sieht Staatsministerin von Schorlemer unter anderem dabei, die Bleibequote der ausländischen Studierenden und Gastwissenschaftler zu erhöhen. Sie benannte Ergebnisse eine Befragung, laut der 80 Prozent der ausländischen Masterstudierenden sich vorstellen könnten, in Deutschland zu bleiben - doch nur wenige blieben tatsächlich. Es brauche weitere Bemühungen aller Akteure - unter anderem der Wirtschaft und der Kommunen - um kluge Köpfe nach ihrem Studium in Sachsen zu halten. Wichtige Partner seien dabei auch Technologie- und Gründerzentren sowie Gründungsnetzwerke - als positive Beispiele in der Region benannte die Ministerin das Technologie Centrum Chemnitz und das Gründernetzwerk der südwestsächschischen Hochschulen SAXEED.
Prof. van Zyl zitierte in diesem Zusammenhang den US-amerikanischen Wirtschaftsprofessor Richard Florida, der in seinem "Modell der drei T" die Indikatoren Talent, Technologie und Toleranz benennt, die Regionen bieten müssten, um kreative Köpfe anzuziehen. Talent böten die Hochschulen der Wissenschaftsregion bereits, so van Zyl. Technologie decke das unternehmerische Umfeld ab. Wichtig für die Zukunft sei es deshalb, so der Rektor, auch die Toleranz nicht zu vergessen, die sich unter anderem durch die schon herrschende hohe Kulturdichte erreichen ließe. "Die Hochschulen sind auch kulturelle Impulsgeber", sagte van Zyl und verdeutlichte, dass dafür "vollständige Universitäten" wichtig seien, die nicht nur die technischen und naturwissenschaftlichen Fächer abdecken.
Für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen der Region erklärte PD Dr. Welf-Guntram Drossel, Leiter des Fraunhofer-Institutes für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU: "Das Fraunhofer IWU hat sich mit einem klaren Fokus auf anwenderorientierte Forschung und Entwicklung für eine energie- und ressourceneffiziente Produktion zu einem wichtigen Pfeiler innerhalb der deutschen sowie insbesondere sächsischen Wissenschaftsregionen entwickelt. Wir wissen daher um die Bedeutung von Synergieeffekten im Zusammenwirken zwischen Forschung, Lehre und Anwendung. Umso mehr freut es uns, das Wissenschaftsforum zu unterstützen, das hierbei als Plattform für den Wissens- und Erfahrungsaustausch eine wichtige Rolle einnimmt." Vernetzung sei einfach bei kurzen geographischen Wegen, aber es sei wichtig, auch kurze Wege in den Köpfen zu erreichen. "Die Wissenschaftsregion Chemnitz ist gekennzeichnet durch eine hohe Wertschöpfung und eine enge Vernetzung von Wissenschaft und Industrie. Verbesserungsbedarf gibt es noch bei der Sichtbarkeit der Region", so Dr. Drossel.
Prof. Dr. Gunter Krautheim, Rektor der Westsächsischen Hochschule Zwickau, hob die zentrale Rolle von Hochschulabsolventen hervor: "Sie sind die Brückenköpfe in den Unternehmen. Die entscheidenden Transferelemente sind die handelnden Personen." Das unterstrich auch Dr. Drossel, Leiter des Fraunhofer IWU: "Wir müssen lernen, dass Absolventen Bestandteil einer Hochschule bleiben. Wir brauchen ein permanentes Feedback von den Absolventen hinein in die Wissenschaft. Denn nur über Menschen funktionieren Kommunikationsprozesse."
Der Hauptredner des Chemnitzer Wissenschaftsforums, Prof. Dr. Matthias Kleiner, Leiter des Instituts für Umformtechnik und Leichtbau der TU Dortmund und ehemaliger Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, erklärte: "Wissenschaft und Forschung gedeihen nur im Wettbewerb - die Suche nach den besten Methoden, leitenden Erkenntnissen und stimmigen Lösungen gelingt am besten in der Auseinandersetzung mit anderen Ideen. Wenn dazu Köpfe und Kapazitäten zusammenkommen, stärkt dies die beteiligten Akteure im internationalen Austausch und fördert, dass ihre Wirkungsstätten weithin leuchten, Wege weisen und weitere Kooperationspartner zur Teilnahme einladen - im Sinne einer stets voranschreitenden Wissenschaft." Aus Sicht des Globalplayers Volkswagen unterstrich auch Dr. Andreas Schmidt, der die Gläserne Manufaktur in Dresden leitet, die Bedeutung und Notwendigkeit einer engen Kooperation von Wirtschaft und Wissenschaft in der Region, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit und Sichtbarkeit zu erhöhen.
Der Prozess der in den Wissenschaftsforen angestoßen wird, soll künftig in verschiedenen Arbeitskreisen kontinuierlich fortgesetzt werden. Zur Koordination der Arbeit in den Arbeitskreisen und der Wissenschaftsregion finanziert das Sächsische Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst die Stellen von Projektmanagern.
Kontakt: Matthias Pohl, Referent (Schwerpunkt Wissenschaftsregion Chemnitz) im Büro des Rektors der TU Chemnitz, Telefon 0371 531-33662, E-Mail matthias.pohl@verwaltung.tu-chemnitz.de
(Autoren: Katharina Thehos und Mario Steinebach)
Mario Steinebach
26.04.2013