Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis
Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften feierte ihr 20-jähriges Bestehen mit einem Festakt
Am 15. November 2013 feierte die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften mit einer wissenschaftlichen Tagung zu "Perspektiven der Wirtschaftswissenschaften" ihr 20-jähriges Bestehen.
Unter dem Forschungsfeld "Ökonomie der Arbeit" wurde das Thema "Diversity Management" von drei Seiten beleuchtet: Prof. Dr. Rainhart Lang (TU Chemnitz) zeigte unter dem Titel "Diversity (Management) - ein neues Thema in Organisationstheorie und Organisationsgestaltung!?" auf, welche großen Unterschiede zwischen der rein verbalen Thematisierung des "Diversity Management" und der gelebten Umsetzung im Unternehmen bestehen. Auch die Kreis-Symbolik, die Unternehmen verwenden, um sich als "Diversity"-orientiert zu präsentieren, nahm er kritisch unter die Lupe: Die Vereinheitlichung der Gedanken, die mit der Einbindung der unterschiedlichen Menschen in einen Kreis einhergehe, widerspräche gerade dem Grundgedanken der Vielfalt. Das Verständnis von "Diversity" in der Forschung zeigte Prof. Dr. Gertraude Krell (FU Berlin) in ihrem Vortrag über "Diversity Konzepte: Chancengleichheit für alle - und auch Wettbewerbsvorteil?": Die Spannweite reicht von einer Fokussierung auf Geschlechterforschung über Altersfragen bis zur Untersuchung von "Rassen"-Gleichstellung. Prof. Krell machte in diesem Zusammenhang unter anderem deutlich, dass die Betonung von Unterschieden (etwa "ethnischer", "geschlechtlicher" oder "rassischer" Art) bereits unterstelle, dass diese natürlich gegeben seien - welches als überaus kritisch zu sehen ist. Gelebte Diversity wurde von Dr. Micaela Schönherr, Geschäftsführerin von Niles Simmons, präsentiert: Die Notwendigkeit, Erfahrungswissen und junge Ideen zusammenzubringen, um die erreichte Spitzenposition im weltweiten Markt zu erhalten, erfordert neue Konzepte der Arbeitsorganisation, Teamzusammensetzung und Wissensweitergabe, sowohl mit Blick auf die Förderung von weiblichen Mitarbeiterinnen als auch hinsichtlich der internationalen Kooperation im Unternehmen und der Sicherung des Wissens der ausscheidenden Erfahrungsträger. Wissenschaftliche Unterstützung ist dazu nachdrücklich erwünscht.
Zum Forschungsthema "Nachhaltige Entwicklung wirtschaftlicher Systeme" rüttelte Prof. Dr. Fritz Helmedag (TU Chemnitz) mit seinem Vortrag "Mit der Schuldenbremse zum Systemcrash" an allgemeinen Überzeugungen: So demonstrierte er anhand empirischer Daten, dass die Belastung durch den Schuldendienst weitaus geringer ist als überlicherweise behauptet. In einer Situation, in der die Unternehmen (ebenso wie die Haushalte) Geldvermögen bilden, statt sich zu verschulden (wie es früher der Fall war), während sich das Ausland in nicht sinnvoller und dauerhaft auch nicht tragbarer Weise verschuldet, bleibe nur noch der Staat als Defizitmacher, damit die Kreislaufströme nicht zusammenbrächen. Wenn man es richtig anstelle, profitierten die Bürger sogar von einer Staatsverschuldung, ohne dass die Schuldenquote steige. Prof. Dr. Kai A. Konrad (MPI für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, München) zeigte in seinem Vortrag über "Föderalismus und nachhaltige Finanzpolitik" überzeugend auf, warum sich keine Gebietskörperschaft, die nicht selbst für die Schulden, die sie aufgenommen hat, einstehen muss, an eine Schuldenbremse halten werde - in Deutschland muss die Ländergemeinschaft aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben für überschuldete Länder einstehen. Das Anreizmodell ließe sich jedoch auch auf die EU übertragen, solange man keinen Staat in die Insolvenz gehen lasse. Konrad kritisierte an der Schuldenbremse vor allem ihre von ihm nachgewiesene Wirkungslosigkeit. Der Vortrag von Prof. Dr. Karl-Heinz Binus (Präsident Sächsischer Rechnungshof) "Nachhaltig, wirtschaftlich und effizient? - Haushaltspolitik im Spannungsfeld von Wachstum und Konsolidierung" schloss die Reihe mit einer sehr dezidierten Ausarbeitung über die Notwendigkeiten in der Politik und betonte - in diametralem Gegensatz zu Helmedag - die Notwendigkeit eines Abbaus von Staatsdefiziten. Um die verschiedenen Positionen entspann sich eine durchaus kontroverse Diskussion mit dem Auditorium.
Der Themenblock "Innovations- und Technologieökonomie" wurde von Prof. Dr. Ludwig Gramlich (TU Chemnitz) mit einem Vortrag über "Wissen im Recht: Erfassen, Innehaben, Nutzen, (Ver-)Teilen" eröffnet. Die erheblichen Schwierigkeiten, die der Schutz von Ideen und geistigem Eigentum, sofern er wirtschaftlich erforderlich oder gewünscht ist, mit sich bringt, ganz besonders dann, wenn in anderen Fällen die freie Verfügbarkeit von Wissen erforderlich ist, zeigten sich noch einmal deutlich in den Themen der beiden nachfolgenden Vorträge. Die "Share Economy - Fremdkörper in der Marktwirtschaft?", vorgetragen von Prof. Dr. Margit Osterloh (Universität Zürich), erfordert "copy left"-Rechte statt "copy right": Sie muss sich davor schützen, von einzelnen vereinnahmt zu werden. Wichtiges Thema war in ihrem Vortrag die Frage, wie man den erheblichen Wert der "share economy" für die Gesellschaft messen könne, wenn sie nahezu allein durch freiwillige und unentgeltliche Tätigkeit entstehe. Klare Rechtsverhältnisse bestehen dagegen beim Teilen von Wissen auf Innovationsplattformen. Ein Beispiel, das bei der Thüga AG entwickelt und gelebt wird, präsentierte Marcus Getta (Leiter Innovationsmanagement, Thüga AG): Mit Hilfe eines kurzen Films wurde den Mitarbeitern nahegebracht, alles, was ihnen in ihrem Alltag - vom Aufstehen und dem Einschalten der Kaffeemaschine, über die Fahrt ins Büro bis hin zum letzten Meeting - an Verbesserungsbedarf auffalle, sofort in ein Internetforum einzustellen. In diesem Forum können die Vorschläge von allen Teilnehmern diskutiert werden. Es zeigte sich ein sprunghafter Anstieg der Nutzung und der eingebrachten Ideen. Zu dem gesamten Themenblock entspann sich eine lebhafte Diskussion zwischen Auditorium und Vortragenden, bei der wegen des Zeitrasters kaum alle Fragen beantwortet werden konnten.
Den Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Festrede von Prof. Dr. Arnold Picot. "Digitalisierung und die Zukunft der Arbeit" war sein Thema. Anhand von Daten aus verschiedenen Ländern und unterschiedlichen Zeitpunkten zeichnete er nicht nur die Entwicklung der Digitalisierung insgesamt und in der Arbeitswelt nach, sondern stellte fest, dass klassische Arbeitsformen sich aufgelöst, traditionelle Positionierungen sich zum Teil radikal verändert und Sach- und Dienstleistungsprozesse einer zunehmenden Automatisierung unterlegen hätten. Er sprach die schon von Kurz/Rieger 2013 geäußerte Gefahr einer "Automatisierung des Geistes" an und stellte eine zunehmende Transparenz, Analysierbarkeit und Steuerbarkeit von Prozessen aller Art mit einem digitalen Anteil fest. Wichtig erscheint es, eine Balance zu finden zwischen den Vorteilen zunehmender Transparenz und individuellen Freiräumen. Fragen, mit denen Prof. Picot das Auditorium zum Nachdenken anregte, bezogen sich unter anderem auf die Anfälligkeit und Kontrollierbarkeit der komplexer werdenden Systeme und auf die Frage, ob eine Gefahr der Polarisierung des künftigen Arbeitsplatzangebots bestehe.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurden zwei Studierende für herausragende Masterarbeiten mit dem Preis der Chemnitzer Wirtschaftswissenschaftlichen Gesellschaft geehrt. Die Fakultät dankte ihrem anwesenden Gründungsdekan Prof. Dr. Peter Rütger Wossidlo mit einem Blumenstrauß und minutenlangem Beifall.
Mit einem abendlichen Empfang klang der Festakt anlässlich des 20-jährigen Bestehens der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der TU Chemnitz in angeregter und harmonischer Atmosphäre aus.
(Autorin: Prof. Dr. Silke Hüsing, Dekanin der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften)
Katharina Thehos
21.11.2013