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"Wo niemand ist, ist keine Lehre möglich"

250 Personen tauschten sich am ersten "Tag der Lehre" an der TU Chemnitz aus - der Entwurf eines "Leitbildes Lehre" kann bis Anfang April kommentiert werden

  • Initiiert und moderiert wurde der "Tag der Lehre" von Prof. Dr. Christoph Fasbender, Prorektor für Lehre, Studium und Weiterbildung. Foto: Mario Steinebach
  • An der Abschlussveranstaltung in der Mensa nahmen Vertreter unterschiedlicher akademischer Gruppen teil - von Studierenden über Vertreter der Mittelbaus und der Universitätsverwaltung bis zu Professoren. Foto: Mario Steinebach
  • Prof. Fasbender stellte den Entwurf des "Leitbildes Lehre" zur Diskussion. Dieser fasste im Vorfeld im Blog und an Tafeln eingebrachte Aspekte und Ansichten zusammen. Foto: Mario Steinebach
  • Im Mittelbaucafé trafen sich Lehrende, die an der Schnittstelle zwischen Studierenden und Professoren in Lehre, Beratung und Prüfung agieren, zum fakultätsübergreifenden Austausch. Foto: Alice Glaßmann
  • In der Session "Tandems Diversity" kamen die Studierenden zusammen, die bereits im Vorfeld des Tages in transdisziplinären Tandems fachfremde Lehre beobachtet und reflektiert hatten. Foto: Alice Glaßmann

Der erste Chemnitzer Tag der Lehre hat am 30. Januar 2014 rund 250 Personen - darunter ca. 100 Blogger und Tafel-Kommentatoren - auf den Weg gebracht, sich einen Tag lang mit anderen Mitgliedern der TU über Aspekte Guter Lehre auszutauschen. Als Initiator des "Tag der Lehre" resümiert der Prorektor für Lehre, Studium und Weiterbildung, Prof. Dr. Christoph Fasbender, dass "die relativ kurzfristig anberaumte und eher dezent beworbene Veranstaltung von ihrer Glaubwürdigkeit lebte. Es wurden keine pädagogischen Phrasen gedroschen, es wurde kein didaktisches Rezeptwissen verteilt, es wurden keine falschen Versprechungen gemacht." Die sich über drei Stunden hinziehende Schlussdebatte zum "Leitbild" habe von der intensiven und offenen Beteiligung der rund 100 Anwesenden gelebt. "Das Leitbild erfuhr vermutlich auch deswegen viel Zuspruch, weil es sich im Grunde auf Eckwerte guter wissenschaftlicher Praxis konzentriert", so Fasbender.

In der Abschlussveranstaltung wurde der Entwurf eines "Leitbildes Lehre" präsentiert und vom Prorektor moderiert. Das Leitbild war wesentlich aus Beiträgen an Tafeln in allen Universitätsteilen und in einem Blog zum Tag der Lehre montiert worden. Dass die Lehrenden wie auch die Lernenden gleichermaßen in die Pflicht genommen werden, zeigt eine Forderung im Blog: "Studenten scheinen mitunter alles zu dürfen und nicht zu müssen: eine unschöne Interpretation der (Pseudo?) Freiwilligkeit der höheren Bildung." Fasbender erfasste diesen Gedanken im Leitbild folgendermaßen: "Gute Lehre setzt voraus, dass sie stattfindet und stattfinden kann; wo niemand ist, ist keine Lehre möglich. Gute Lehre sollte daher die Modi der Interaktion zwischen den beteiligten Gruppen in einer angemessen differenzierten Weise auszuhandeln bestrebt sein." Insgesamt gliedert sich der Entwurf des Leitbildes in fünf Themenfelder. Schrittweise wurde jeder Satz mit den Anwesenden abgestimmt. Korrekturen wurden direkt eingearbeitet, Korrekturvorschläge als Anmerkungen notiert. "Insgesamt wurden, von kleineren Formulierungen abgesehen, alle Vorschläge vom Publikum akzeptiert", fasst Fasbender zusammen.

Der überarbeitete Text des "Leitbildes" wird bis Anfang April im Blog "Leitbild Lehre" stehen, wo es weitere Möglichkeiten zur Kommentierung gibt. "Erwägenswert ist eine Einbindung der Fakultäten und ihrer Gremien, die allerdings bereits die Gelegenheit hatten, sich zu artikulieren", so Fasbender. Auch studentische Interessenvertreter beteiligten sich an der Diskussion des Leitbildes. Die Kommission für Lehre und Studium soll sich dann Anfang April mit dem Dokument befassen.

Im Vorfeld der Abschlussveranstaltung hatten die Akteure der Lehre an der TU Chemnitz in vier parallel stattfindenden Sessions die Gelegenheit, sich zu speziellen Leitfragen und Themenkomplexen zum Thema Gute Lehre zu positionieren, die später in die Leitbilddiskussion einflossen.

Session 1: Tandems "Diversity"

Hier engagierten sich zehn Studierende in transdisziplinären Tandems. Dabei besuchten sie im Vorfeld über drei Tage jeweils zu zweit Vorlesungen, Seminare und Übungen, die stets für einen von ihnen fachfremd waren. Dadurch hatten sie die Gelegenheit, sowohl ihre eigene Lehre als auch die des Tandempartners anhand eines Beobachtungsbogens zu reflektieren. In der anschließenden Erfahrungsrunde am Tag der Lehre konnten so durch die 20 daran Teilnehmenden oftmals verblüffende Erkenntnisse zusammengetragen werden. Wurde beispielsweise eingangs ein vielseitiger Methoden- und Medieneinsatz als ideale Vermittlungsmethode gepriesen, berichtete Sarah Riedel, Studentin der Wirtschaftswissenschaften, von der scheinbar überholten Lehrmethode des Fließtextes aus Kreide an der Tafel, der die Studierenden der Elektro- und Informationstechnik dennoch effektiv erreichte. Die Lehramtsstudentin Antje Strobel mit bereits 20-jähriger Berufserfahrung hielt bislang den regen Austausch und die Mitarbeit in ihren Seminaren für eine Art Standard. Umso mehr wunderte sie sich über Studierende, die den vermittelten Stoff in Seminaren kommentarlos hinnehmen. "Gerade durch den aktiven Austausch lernen die Studierenden ja doch auch voneinander", so Antje Strobel. Sara Rodefeld, die den Austausch moderierte, betont: "Die Studierenden erwarten von Guter Lehre drei Dinge. Zum einen den Raum für Persönlichkeitsentwicklung, damit sie als künftige Absolventen einen angemessen Platz in der Gesellschaft finden können. Zum anderen die Möglichkeit zur Vertiefung persönlicher wissenschaftlicher Interessen, um Spitzenergebnisse in Forschung und Entwicklung zu erzielen sowie schließlich die dafür notwendigen räumlichen, technischen und strukturellen Rahmenbedingungen."

Session 2: Treffpunkt für Tutoren und Tutorenbeauftragte

In der zweistündigen Session trafen sich Tutoren und Tutorenbeauftragte der Fakultäten, um über den aktuellen Stand und die Bedarfe der Tutorienarbeit an der TU Chemnitz zu diskutieren. "Die Teilnehmer wünschen sich vor allem eine bessere Vernetzung der Qualifizierungsangebote für Tutoren, aber auch einen stärkeren Austausch von Erfahrungswerten in der Tutorenarbeit", fasst Mitorganisatorin Nicole Schott zusammen. "Ein erster Kooperationsansatz wurde noch während des Workshops zwischen Teilnehmern aus dem Institut für Anglistik/Amerikanistik und der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik hergestellt. Wir sind gespannt und werden die Arbeit weiter mit begleiten", so Schott.

Session 3: Mittelbaucafé

Im Mittelbaucafé trafen sich die Lehrenden, die an der Schnittstelle zwischen Studierenden und Professoren in Lehre, Beratung und Prüfung agieren. Der fakultätsübergreifende Austausch im Rahmen der Worldcafé-Methode wurde entlang von fünf Themen geführt, die Lehre und Lernen aus der Perspektive des Mittelbaus maßgeblich prägen. Der Austausch in der lockeren Atmosphäre ließ viel Raum für konstruktive Diskussionen über Gute Lehre zu. Dr. Andreas Neubert, der sich als Tischmoderator mit dem Thema "Rahmenbedingungen Guter Lehre" beschäftigte, fasst zusammen: "Die Teilnehmer forderten eine stärkere Wertigkeit der Lehre. So sollen Wissenschaftler-Portfolios neben den Forschungsleistungen - wie Publikationen, Vorträge und Drittmittel - stärker auch Nachweise und Indikatoren guter Lehre berücksichtigen. Professoren sollten sich von der Eignung ihrer Mitarbeiter auch dadurch überzeugen, dass sie mal eine Übung, ein Seminar ihrer Schützlinge besuchen und quasi persönlich evaluieren." Tischmoderatorin Dr. Nicole Thurner, die Qualitätssicherung in der Lehre zum Thema gemacht hat, stellt fest: "Im Zuge der Diskussion kristallisierte sich heraus, dass qualitatives Feedback - vermittelt durch das direkte Gespräch oder offene Fragen in Fragebögen - für Lehrende oft hilfreicher ist als die Ermittlung einer statistischen Größe bei quantitativer Befragung. Evaluation wird von den Mittelbaulern als Chance zur Verbesserung der Lehre gesehen, wenn man ihre Grenzen erkennt und akzeptiert." Thurner ergänzt: "Viele Mitarbeiter waren sehr motiviert und froh über die hier gewährten Austauschmöglichkeiten. Sie wünschen sich öfters einen Tag der Lehre, um denen eine Stimme zu geben, die sich immer und überall für eine gute Lehre einsetzen."

Session 4: Gute Lehrpraxis aus den Fakultäten

Die vierte Session unter dem Titel: "Gute Lehrpraxis aus den Fakultäten" widmete sich ganz den seit 2012 an der TU Chemnitz vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Lehr-Lern-Projekten, die über "Lehrpraxis im Transfer" in Zusammenarbeit mit einer anderen sächsischen Universität beantragt werden können. Sieben Projekte präsentierten sich anhand eines Posters oder einer Powerpoint-Präsentation der Hochschulöffentlichkeit. Prorektor Fasbender moderierte in Zusammenarbeit mit dem Team von "Lehrpraxis im Transfer" diese Session. Jedes Projekt stellte innerhalb von zehn Minuten seine Inhalte, Ziele und Ergebnisse vor, nachdem dann das Publikum Gelegenheit bekam den Präsentatoren Fragen zu stellen. Isabel Heinze vom Projektteam Lehrpraxis im Transfer bestätigt: "Es herrschte ein reger Austausch zu den einzelnen Lehr-Lern-Projekten. Viele Teilnehmer möchten sich nun an weiteren Anträgen von Seiten der TU Chemnitz für die nächste Projektkohorte 2015/2016 beteiligen."

Der Blog zur Kommentierung des "Leitbildes Lehre": https://blog.hrz.tu-chemnitz.de/tagderlehre/category/vorwort

(Autorin: Dr. Maria Worf)

Katharina Thehos
05.02.2014

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