Von Kulturschock und Integration
Nguyen van Duc kam vor 33 Jahren zum Studium an die TH Karl-Marx-Stadt – Heute unterstützt er seine Landsleute bei der Buchhaltung und engagiert sich ehrenamtlich
Sein Büro in der Reichsstraße in Chemnitz ist nicht groß, aber dafür voll von Aktenordnern und Unterlagen. Am Schreibtisch hinter einem großen Monitor sitzt Nguyen van Duc und bearbeitet Lohnabrechnungen und die Buchhaltung seiner Kunden. „Ich berate meine Landsleute, die sich selbstständig machen wollen, aber auch Migranten beispielsweise aus Indien oder der Türkei bei Unternehmensgründungen.“
Als er 1981 nach Karl-Marx-Stadt kam, wusste er noch nicht, dass er für immer in Deutschland bleiben und hier eine Familie gründen würde. „Ich weiß es noch ganz genau: Am 13. September 1981 kam ich mit insgesamt 73 Studenten aus Hanoi in die DDR“, sagt der Vietnamese. Van Duc wurde von der damaligen Regierung zum Studium nach Karl-Marx-Stadt delegiert. Bereits die Anreise war ein wenig abenteuerlich: „Ich flog von Hanoi nach Berlin, von dort aus ging es eigentlich mit dem Bus weiter nach Zwickau.“ Doch für van Duc und zwei weitere Studenten war kein Platz mehr im Bus. „Deshalb fuhren wir zu dritt allein und mit gebrochenen Deutschkenntnissen mit dem Zug weiter nach Karl-Marx-Stadt und wurden von einem Dozenten der Hochschule am Bahnhof abgeholt.“
Was folgte, war ein Jahr lang Studienvorbereitung. „Wir hatten Intensiv-Deutschkurse und Grundlagen der Physik und Mathematik.“ Van Duc wohnte in einem Zimmer im Thüringer Weg zusammen mit einem anderen Studenten. „Nach dem Jahr wurden wir auf die Studiengänge verteilt, ich landete im Maschinenbau.“ Viereinhalb Jahre studierte er, im Anschluss folgten noch ein halbes Jahr Kurse in angewandter Informatik. „Weil ich so eine gute Abschlussnote hatte und eine damals sehr spezielle Studienrichtung, durfte ich noch in Deutschland bleiben und arbeiten.“ Nach dem Diplom arbeitete van Duc zwei Jahre an der TH Karl-Marx-Stadt, fand dann eine Anstellung bei DKK Scharfenstein. Dort kümmerte er sich bis 1999 um die EDV-Anlagen. Seit 2000 ist er selbstständig. Inzwischen engagiert sich Nguyen van Duc neben seiner Arbeit ehrenamtlich im Chemnitzer Ausländerbeirat und als Vorsitzender des „Vereins vietnamesischer Landsleute Ha Nam Ninh in der BRD e.V.“.
Heute ist van Duc voll integriert, auch wenn er zuerst Berührungsängste mit der deutschen Kultur hatte. „Kurz nach unserer Ankunft wurden wir zum Ernteeinsatz herangezogen. Und nach der Apfelernte waren wir alle dreckig. Als wir in unsere Unterkunft zurückkamen, zogen sich plötzlich alle, egal ob Mann oder Frau, aus und gingen zusammen duschen. Heute kann ich darüber lachen, damals war ich ein wenig schockiert.“
Seine Zeit an der TH Karl-Marx-Stadt möchte der heute 51-Jährige und Vater zweier Töchter nicht missen. „Es war eine schöne Zeit mit viel Spaß. Allerdings wünsche ich mir wieder mehr Kontakt zu allen, die damals mit mir nach Chemnitz kamen.“ Das letzte Treffen war 2012 mit 40 ehemaligen Studenten in Berlin. Mit manchen habe er aber auch in Verbindung bleiben können. „Einer der Studenten von damals arbeitet heute sogar in einer höheren Funktion im Ministerium für Industrie in Vietnam.“
(Autorin: Caroline Staude)
Katharina Thehos
02.06.2014