Trainieren für die Schlacht um Hastings
"Mittelalterliche Schwertkämpfer" der TU Chemnitz belagern Burgen und Dörfer im In- und Ausland – Nächster Einsatz am 8. und 9. Juli 2006 zur Dorfverteidigung bei Frankenberg
Die Exoten im Chemnitzer Universitätssport sind die "mittelalterlichen Schwertkämpfer" Foto: Lars Patzig (Quelle: Thomas Krause) |
Wenn sich am 14. Oktober 2006 die legendäre Schlacht um Britannien zwischen den Angelsachsen unter König Harald II und den Invasoren aus der Normandie unter Herzog Wilhelm I im englischen Hastings jährt, wird der kleine aber geschichtsträchtige Ort an Englands Südküste zum Schauplatz einer besonderen Attraktion. 940 Jahre nach der für den weiteren Verlauf der Eroberung Englands entscheidenden Auftaktniederlage der Angelsachsen am 14./15. Oktober 1066 kommt es am Originalschauplatz zur Neuauflage der "Battle of Hastings". Auf dem "Senlac-Hügel" stellen dann über 2.000 Darsteller aus aller Herren Länder die Kampfhandlungen an beiden Tagen originalgetreu nach. Es ist mit insgesamt 60.000 zu erwartenden Zuschauern die größte Veranstaltung dieser Art weltweit. Mit dabei ist auch ein Kontingent der TU Chemnitz, das auf der Seite der Normannen kämpft: "Wir stellen insgesamt 16 Teilnehmer und sind Teil des Franco-Flämischen Contingents, kurz FFC", erläutert Thomas Krause, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Mittelalterlichen Schwertkämpfer an der TU Chemnitz. "Das FFC versucht alle deutschen Kämpfer zu vereinen und zusammen mit dem Thüringer Ritterbund stellen die Teilnehmer der TU Chemnitz das Gros in diesem 200 Mann starken Verbund", so der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Professur Prozessautomatisierung.
Mit von der Partie sind Infanterie, Reiter sowie Bogenschützen, ausgerüstet mit Schaukampfwaffen und allesamt Teilnehmer des Hochschulsportkurses "Mittelalterlicher Schwertkampf": "Um das Verletzungsrisiko zu minimieren, trainieren und kämpfen wir mit so genannten Schaukampfwaffen, das heißt, keine Schwerter mit scharfen Kanten oder Spitzen, keine Schilde mit Metallrahmen. Die Pfeile der Bogenschützen sind außerdem mit Gummi-Pfropfen versehen, streng nach Vorschrift", erklärt Thomas Krause, der noch keine ernsthafte Verletzung im Sportkurs zu beklagen hatte.
Abgesehen von der Verwendung von Schaukampfwaffen wird auf Seiten der Veranstalter von "Hastings 2006" Wert auf größtmögliche Authentizität gelegt. Das englische Kultusministerium legt die Statuten und Bestimmungen für die Darsteller und Komparsen mit Nachdruck fest, vor allem was Kleidung und Auftreten in der Öffentlichkeit anbelangt. Die exakte historisch korrekte Kleidung ist ebenso unerlässlich wie der Lageraufbau nach geschichtlichen Vorgaben. Öffentliches Rauchen im Lager, das Tragen von Brillen, das Essen von Kartoffeln oder das Tragen von schwarzem Leder - die Liste der Verbote ist lang. "Das hat einen einfachen Grund: Tabak und Kartoffeln kommen aus dem noch nicht entdeckten Amerika und Fähigkeiten, wie das Färben von Leder, waren zu Beginn des Hochmittelalters noch unbekannt", weist Thomas Krause auf die harten Bedingungen hin.
Die Kleidung und zum Teil auch die Waffen werden mit Liebe zum Detail in mühevoller Kleinarbeit hergestellt. "Finanzielle Unterstützung gewähren uns glücklicherweise der Studentenrat der TU Chemnitz und andere Sponsoren. Den Großteil der Kleidung basteln wir selbst. Secondhand-Läden oder der großelterliche Dachboden werden dabei zu wahren Fundgruben", schmunzelt der Diplom-Ingenieur.
Neben der Herstellung der historisch korrekten Ausstattung läuft natürlich auch das Training für den Saison-Höhepunkt an Englands Küste auf Hochtouren. Dabei macht sich das regelmäßige Training im Rahmen des Hochschulsportkurses "Mittelalterlicher Schwertkampf" bezahlt. Die Abteilung der TU Chemnitz ist mit über 20 regelmäßigen Teilnehmern an Veranstaltungen die größte nach dem Thüringer Ritterbund. "Wir sind außerdem die einzige Hochschulgruppe Deutschlands und haben als Sportkurs die einzigartige Möglichkeit des regelmäßigen Trainings mit vielen Teilnehmern. Unsere Ausbildung ist sehr gut, im Formationslaufen oder Salvenschießen der Bogenschützen mischen wir ganz vorne mit", freut sich Thomas Krause, der übrigens auch den Reitern "Die Freien von der Karlshöhe" angehört.
Von den Kampfkünsten der Chemnitzer Schwertkämpfer konnten sich die Gegner bei einigen bundesweiten Veranstaltungen überzeugen: "Am 25./26. Mai stand beispielsweise die Burgverteidigung der Brandenburg bei Lauchröda in Thüringen an. Dabei haben wir als Muslime die Verteidigung der Burg Turon aus dem Jahre 1136 nachgestellt. Die Veranstaltung war kein Wettkampf im eigentlichen Sinne, da sich der Verlauf und das Ergebnis der Belagerung an die historischen Begebenheiten hielten", erklärt der 27-jährige.
Weitere Veranstaltungen auf dem Weg nach Hastings sind: am 8./9. Juli 2006 die Dorfverteidigung bei Frankenburg, am 16./17. Juli 2006 das Kaiserlager auf der Königspfalz Tilleda sowie am 23./24. September 2006 das Pflichttraining des FFC für Hastings auf der Kaiserpfalz in Goslar.
Die Veranstaltung in Goslar ist zugleich die Generalprobe für Hastings. "Dort trifft sich das gesamte FFC und probt für England. Es werden militärische Übungen und gemeinsame Trainings abgehalten. Dabei wird die Abstimmung weiter verfeinert, beispielsweise das Formationslaufen oder das Salvenschießen der Bogeschützen" erläutert Thomas Krause, der auch um die Ansprüche des Kontingents weiß. "Das FFC ist ein sehr ambitionierter Verbund und möchte bei der Schlacht um Hastings ganz vorne mit dabei sein".
Wer mit eigenen Augen sehen möchte, wie sich die Chemnitzer Delegation in Hastings schlägt, der sollte sich schon mal um Tickets bemühen, denn: "Die Schlacht bei Hastings wird nur dann nachgestellt, wenn das Originaldatum, also der 14./15. Oktober, auf ein Wochenende fällt und das wäre dann erst wieder 2017 der Fall", erläutert der passionierte Reiter. Eine Ausnahme wird es wohl erst 2066 geben, 1000 Jahre nach der bedeutsamen Schlacht um Hastings, die Wilhelm I und den Normannen den Weg zur Eroberung Englands ebnete.
Weitere Informationen erteilt Thomas Krause, Tel. (03 71) 5 31 - 33 357, E-Mail thomas.krause@etit.tu-chemnitz.de
Die "Dorfverteidigung bei Frankenberg" am 8. und 9. Juli 2006 findet in der Nähe des Schlosses Sachsenburg statt, Anfahrtsskizze und Informationen zum Freilichtmuseum "Mittelalterliche Bergstadt Bleiberg" siehe: http://www.bergstadt-bleiberg.de
Informationen zum "Franco-Flämischen Contingent": http://www.ffc1066.de
(Quelle: TU-Spektrum 2/2006, Autor: Thomas Doriath)
Mario Steinebach
05.07.2006