Semantische Kämpfe in Politik und Medien
Auf Einladung der Politikwissenschaftler der TU referierte ein Sprachwissenschaftler der Universität Passau in Chemnitz und gab Impulse für weitere transdisziplinäre Projekte
Sprache ist unabdingbar für die moderne Demokratie. Sie dient der Argumentation und dem Ringen um gesellschaftliche Mehrheiten – und führt zum Kampf um die Deutungshoheit des verwendeten Vokabulars. An dieser Schnittstelle zwischen Politikwissenschaft, Soziologie und Linguistik wirkt Dr. des. Lars Bülow von der Universität Passau. Im Rahmen eines von der Professur für Europäische Regierungssysteme im Vergleich der TU Chemnitz veranstalteten Gastvortrags gewährte der Passauer Sprachwissenschaftler am 22. Januar 2015 Einblicke in Wirkmechanismen und Prozesse des modernen „Sprachmanagements“, das im demokratischen Prozess sämtliche Akteure betreiben – und das mitunter nicht intendierte Nebenwirkungen zeigt.
So war die Nutzung des Begriffs „Asylant“, der im Zuge der islamfeindlichen PEGIDA-Proteste eine aktuelle Brisanz erhält, Anfang der 1980er-Jahre noch nicht negativ konnotiert. Befürchtungen, der Begriff würde mit den negativen Bezeichnungen „Querulant“ oder „Bummelant“ assoziiert werden, führten jedoch dazu, dass der „Asylant“ im öffentlichen Sprachgebrauch nur noch stigmatisiert verwendet werden kann und zum Beispiel im Bundestag stattdessen die Begriffe „Asylsuchender“ und "Asylbewerber" benutzt werden. Das Ziel, durch politische Korrektheit eine Minderheit vor Anfeindungen zu schützen, führte dazu, dass der Begriff "Asylant" eine abwertende Bedeutungskomponente entwickelte. "Heute ist es kaum noch möglich, dass eine Person des öffentlichen Lebens diese Vokabel in einem unschuldigen Sinne gebraucht", so Bülow.
Gleichsam lässt sich an diesem Beispiel deutlich der große Einfluss von Medien auf die Vermittlung und Bewertung von Bedeutungen nachvollziehen: So wird der Begriff "Asylant" im Diskurs sowohl von den Medien als auch von PEGIDA gezielt genutzt. So nutzt PEGIDA "Asylant" im Wissen um die politisch unkorrekte Verwendung, um sich gegen die von ihr als "Lügenpresse" etikettierten Medien zu stellen. Die Medien nutzen "Asylant" indessen, um die Anhänger der Bewegung als rechtspopulistisch zu kennzeichnen, was unter anderem dazu führt, dass der Begriff weiter zum Unwort wird.
Bülow zeichnete in seinem transdisziplinären Vortrag ein differenziertes und umfassendes Bild des Kampfes um die Bedeutung von Sprache und gab Impulse für zukünftige gemeinsame Projekte mit der Professur für Europäische Regierungssysteme im Vergleich.
(Autor: Erik Vollmann)
Katharina Thehos
26.01.2015