Interreligiosität funktioniert doch
TU-Absolventin Mirjam Stricker beschäftigte sich in ihrer Abschlussarbeit mit christlich-muslimischen Begegnungen und wurde mit dem Marie-Pleißner-Preis ausgezeichnet
Zehntausende trieb es in den vergangenen Monaten in Deutschland auf die Straße, um im Rahmen der Pegida-Demonstrationen ihre Ablehnung gegenüber der befürchteten Islamisierung des Abendlandes kundzutun. Bei den wöchentlichen „Abendspaziergängen“ geht es vor allem um eines: Den Kontakt mit Muslimen im eigenen Land vermeiden. Und doch funktioniert das Miteinander von Christen und Muslimen vielerorts. Mirjam Stricker studierte in Chemnitz Interkulturelle Kommunikation und setzte sich in ihrer Masterarbeit mit der Frage auseinander, wie Menschen unterschiedlicher Glaubensansichten, Religionen und Weltanschauungen miteinander kommunizieren und zusammenleben können. Dafür verbrachte die 29-Jährige viele Stunden in einem christlich-muslimischen Begegnungszentrum in Süddeutschland und nahm an interreligiösen Gesprächskreisen teil, um Daten für ihre Forschung aus teilnehmenden Beobachtungen sowie Interviews mit den Dialogteilnehmern zu generieren. „Ich finde das Thema nach wie vor sehr spannend“, erzählt Stricker und ergänzt: „Insbesondere vor dem Hintergrund des heutigen kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Kontextes stellt sich die Frage, was passiert, wenn Christen und Muslime dezidiert über Glaubensfragen diskutieren. Die ganze Thematik beinhaltet einerseits viel Konfliktpotenzial, andererseits ist aber auch ein friedliches Zusammenleben möglich – insofern sich beide Seiten darauf einlassen.“ Für ihre Arbeit mit dem Titel „Analyse interreligiöser Begegnung in der Praxis – Kontext, Bedingungen, Strategien und Konsequenzen am Beispiel lebensgeschichtlicher Erzählungen aus einem christlich-muslimischen Begegnungszentrum in Deutschland“ erhielt die Absolventin das Prädikat „sehr gut“. Eine viel größere Ehre ist für Stricker jedoch die Auszeichnung mit dem Marie-Pleißner-Preis, der an der TU Chemnitz jährlich engagierten Studentinnen mit herausragenden Noten zuteilwird. „Die Bewerbung um den Preis wurde durch meinen Betreuer Dr. Arne Weidemann eingereicht. Als ich von der Auszeichnung erfuhr, habe ich mich sehr gefreut. Es ist eine schöne Form der Anerkennung, insbesondere wenn man in seine Forschungsarbeit viel Herzblut steckt“, erinnert sich Stricker.
Engagement und vielseitiges kulturelles Interesse zählten schon immer zu Strickers besonderen Charaktereigenschaften. Nach dem Abitur reiste die damals 20-Jährige fünf Monate durch Neuseeland und sammelte dabei jede Menge Auslandserfahrung sowie Fremdsprachenkenntnisse. Zurück in Deutschland begann sie ihr Lehramtsstudium an der Pädagogischen Hochschule in Karlsruhe. Bereits zu dieser Zeit entdeckte sie ihre Vorliebe für Thematiken rund um Interreligiosität und das Spannungsfeld zwischen Christentum und Islam. Nach einem weiteren halbjährigen Auslandsaufenthalt im britischen Wales und dem erfolgreichen Ablegen des ersten Staatsexamens im Jahr 2010 verspürte Stricker den Drang nach Weiterentwicklung: „Ich wollte noch mehr lernen, mich breiter aufstellen. Daher entschied ich mich gegen das Referendariat, zog nach Chemnitz und schrieb mich für den Masterstudiengang Interkulturelle Kommunikation ein.“ Nach dem Abschluss zog es sie zurück nach Karlsruhe, wo sie nun als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft, einer Einrichtung des Karlsruher Instituts für Technologie, tätig ist. Zu ihren Hauptaufgaben zählen Projekt- und Veranstaltungsmanagement sowie Public Relations. Als Projektkoordinatorin im Bereich interkulturelle Projekte betreut sie dort zudem das deutsche Netzwerk der Anna Lindh Stiftung und koordiniert eine Projektgruppe, die halbjährlich bei interreligiösen Dialogveranstaltungen zusammen kommt.
Ihre Pläne für die Zukunft? „Jobtechnisch habe ich mich bisher noch nicht festgelegt. Eine Promotion im Bereich eines interreligiösen Begegnungsprojekts für Studierende strebe ich zwar an, doch ich werde sehen, was sich ergibt“, erzählt die gebürtige Stuttgarterin. „Privat jedoch lerne ich seit einem Semester Arabisch. Durch eine neue Sprache erhält man auch eine neue Perspektive, einen anderen Zugang zu den Menschen. Das möchte ich bei einer Jordanienreise Ende des Jahres auch gerne in der Praxis anwenden.“
Das wissenschaftliche Poster der Abschlussarbeit von Mirjam Stricker ist unter folgendem Link zu finden: https://www.tu-chemnitz.de/gleichstellung/Wissenschaftliches_Poster_Mirjam_Stricker.pdf
(Autorin: Katharina Preuß)
Katharina Thehos
02.02.2015