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Tagung der Kontraste

"HipHop meets Academia" präsentiert den HipHop in einem neuen Licht

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Die Vortragenden Malte Friedrich, Jörg-Uwe Nieland und Marcus S. Kleiner (v.l.) zeigten, dass auch Humor ein wichtiger Bestandteil wissenschaftlicher Arbeit sein kann. Foto: Sara Rodefeld

Breite Hosen, teure Autos, protzige Posen. Tags, Grooves, Images. Aufstand, Kritik und gesellschaftliche Reflexion. So vielseitig das Phänomen HipHop auch sein mag, so klischeebesetzt erscheint es. Doch wer im Zuge des "splash!-Wochenendes" die Stadt räumt und der "Kopfnickergeneration" mit Unverständnis aus dem Weg geht, hat etwas versäumt. Die zweitägige Veranstaltungsreihe "HipHop meets academia", von der TU in Zusammenarbeit mit der splash! Entertainment AG initiiert, läutete das Festival mit einem wissenschaftlichen Diskurs ein, der ganz neue Sichtweisen auf das "Ghettokind der Musik" ermöglichte.
Dabei schlugen die 21 Wissenschaftler aus aller Herren Länder mehr als nur die eine Brücke zwischen Theorie und Praxis und kreierten eine Veranstaltung stimmiger Kontraste. International bekannte Forscher wie Murry Forman und Malte Friedrich gaben zunächst einen Einblick in das grundlegende Verhältnis zwischen HipHop und Wissenschaft und beschäftigten sich mit globalen Phänomenen in diesem Bereich. Forscher und Szeneaktivisten, Lebensgefühl und Greifbarkeit, Authentizität und Inszenierung - Gegensätzlichkeiten, die sich durchaus bedingen. Wobei Forman die Rolle der Wissenschaft selbstkritisch in Frage stellte: “What happens when you bring hip hop to university and build a theory around it? And what benefit are we for hip hop?” Doch auch wenn seine Antwort darauf den Akademikern eine eher geringe Bedeutung zukommen ließ, zeigten sich ihre Verdienste im Rahmen der Tagung besonders im Kleinen.
„HipHop in Slovenia“, „Aboriginal HipHop”, „Rap Gospel in Poland“ hießen unter anderem die Vorträge, die durch ihre Analyse spezieller Ausprägungen und fremder Kulturen, fern ab von den großen HipHop-Hochburgen dieser Welt, den Blick auf den HipHop veränderten und ein ganz neues Verständnis dafür schufen.
So veranschaulichte Peter Stankovik, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Professur für Cultural Studies an der Universität von Ljubljana, dass die massiven politischen Umbrüche in Slowenien den dortigen HipHop stark beeinflusst und eine extrem kritische Reflexion hervorgerufen haben. Andererseits sei er im Vergleich zu anderen Bewegungen, wie der Amerikanischen, eher untypisch und minimalistisch aufgebaut.
Untypisch wirkt auch der HipHop der Aborigines, der moderne und traditionelle Elemente in sich vereint und neben amerikanischen Einflüssen besonders die eigene Kultur nach außen trägt. Tony Mitchel, Professor für Cultural Studies an der Universität Sydney, berichtete von Musikern, die sich auf ihre ursprüngliche Sprache besinnen, die Tradition des Geschichtenerzählens weitergeben und moralisches Handeln propagieren.
Die Texte polnischer Rapper transportierten in der postkommunistischen Zeit in erster Linie christliches Lehrgut, wie der Sozialwissenschaftler Bart Reszuta erläuterte. Hier fungierten Armut und soziale Missstände als Katalysator für den Aufruf nach Veränderung, Antimaterialismus und den Glauben an Gott. Doch heute schwindet diese Thematik zunehmend, die Sprache ist nicht mehr wirksam und die Probleme komplexer. Die Entwicklung des polnischen HipHop hält für die Zukunft vieles offen.
Über einen geschlossenen Raum referierten Markus S. Kleiner und Jörg-Uwe Nieland. Sie beschäftigten sich mit dem Deutschen Musiklabel „Shokmuzik“, dessen „Gangsta-Rapper“ in einem Kreislauf aus Gewalt und Grenzerfahrungen gefangen sind und diesen gekonnt vermarkten. Das Ghetto als Ort der Authentizität und Mythenbildung, oder etwa als Mythos selbst? Mit ironischer Leichtigkeit näherten sich die beiden diesem Thema. Bedacht darauf, sich nicht zu ernst zu nehmen, zeigten sie, dass auch Humor wichtiger Bestandteil wissenschaftlicher Seriosität sein kann.
Generell sorgten zahlreiche Beispiele, Hörproben und visuelle Darbietungen aller Vortragenden für Schmunzeln im Zuge der Veranschaulichung.
Doch am Ende konnte nicht nur das Klischee von der trockenen Wissenschaft negiert werden. Die Präsenz profaner Massenkultur wich der Erkenntnis über subtile Randerscheinungen, Subkulturen und lokale Differenzen. Und wenn Murry Forman sagt:“ academia needs hiphop more than hip hop needs academia“, dann lässt er außer acht, dass ein anderer Blick auf den HipHop manches Unverständnis beseitigen und jener Kultur einen neuen Zugang schaffen kann.

Weitere Informationen erteilt Dr. Gunter Süß, Telefon (0371) 531-4920, Fax (0371) 531-4053, E-Mail gunter.suess@phil.tu-chemnitz.de.

(Autorin: Sara Rodefeld)

Mario Steinebach
08.08.2006

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