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„Jeder hat Spaß am Verstehen“

Mathematikstudent Aaron Münch leitet am Agricola-Gymnasium Chemnitz die AG „Begabtenförderung Mathematik“, die mathematisch interessierte Schüler unterstützt

  • Seine Verantwortung in der Lehre nimmt Mathematikstudent Aaron Münch sehr ernst: „Wenn die Schüler etwas verstehen wollen, was sie noch nicht können, wissen sie, dass ich mir Zeit für sie nehme.“ Foto: Andy Schäfer

„Man kann sagen, dass ich schon lange mathematisch gedacht habe, bloß viele Jahre nicht wirklich erfolgreich“, fasst Aaron Münch seine frühe Schulzeit am Georgius-Agricola-Gymnasium Chemnitz zusammen. Viele Jahre sind vergangen, in denen ihm das Folgen im Mathe-Unterricht schwerfiel und er gezielt Nachhilfe in Anspruch nahm, um überhaupt dem Mathe-Stoff bis zur 10. Klasse folgen zu können. Die Wende kam mit dem Eintritt in die Oberstufe und dem damit verbundenen Eigenaufwand: „Das, was ich durch das Erklären des Lehrers nie verstand, hat durch mein eigenständiges Nachdenken in meiner Freizeit plötzlich funktioniert“, sagt er heute. So konnte der gebürtige Darmstädter nicht nur seine Freude an der Naturwissenschaft entdecken, sondern auch persönlich wachsen: „Die Mathematik hat mir dann auch irgendwo die Sicherheit gegeben, dass ich nicht ganz doof sein kann“, so der 22-Jährige. Das hat Aaron Münch darin bestärkt, 2011 ein Studium der Mathematik an der TU Chemnitz aufzunehmen. Hier nimmt er aktiv an Vorlesungen teil und betrachtet das dort Gelernte kritisch. „Zu Hinterfragen bedeutet auch immer Mut zu haben, weil man sich dabei im Prinzip von den anderen isoliert“, führt er an. Dass Selbstdenken aber durchaus eine Stärke ist, will Aaron Münch an die nachfolgende Generation weitergeben.

Seit September 2014 leitet er in der Schulzeit die „Begabtenförderung Mathematik“, eine Arbeitsgemeinschaft an seinem ehemaligen Chemnitzer Gymnasium. Entstanden ist die Idee, eine wöchentliche Schulstunde für mathematisch interessierte Schüler ins Leben zu rufen, durch eine Lehrerinitiative. Die sonst im regulären Unterricht unterforderten Neunt- und Zehntklässler sollen so die Möglichkeit einer bedarfsgerechten Förderung bekommen. Durch seine Kontakte zu Köpfen der Schule wurde Aaron Münch, den der „Spaß am Lehren“ auszeichnet, dafür ausgewählt. Der Mathematikstudent setzte zu Beginn auf reine Wissensvermittlung und ging dann dazu über, durch viele Übungsaufgaben seinen AG-Schülern Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Stoff zu vermitteln und zu mehr Selbstdenken anzuregen. Damit will Aaron Münch davon abrücken, ein bloßes Wiedergeben von Informationen zu fördern, sondern das Verstehen durch Eigeninitiative zu motivieren. „Neulich habe ich mir erst 90 Minuten Zeit genommen und nur über das Selbstdenken mit den Schülern geredet“, sagt der 22-Jährige und führt weiter aus: „Wenn ich die 90 Minuten nutze, den Schüler ‚heiß‘ auf die Mathematik zu machen, dann setzt er sich zu Hause mehr als 90 Minuten hin und beschäftigt sich damit. Dort liegen die Ressourcen.“

Aaron Münch hält in der AG bei Übungsblättern und Rechenaufgaben seine Gruppe dazu an, sich selbst einzuschalten, selbst zu fordern und stets kritisch zu hinterfragen. Dabei stößt er immer wieder auf Hindernisse. „Der Geist der Schüler ist nicht darauf ausgerichtet, sich selbst zu bedienen, sondern immer nur gesagt zu bekommen“, so der Student. Er versucht anhand seiner eigenen Erfahrungen, den Kindern die Chancen des Selbstdenkens näherzubringen und ihr mathematisches Selbstbewusstsein zu stärken. Dabei versteht er die Aufgaben als Dialog. Empfindet ein Schüler eine Rechnung als besonders knifflig, löst sie im Falle des Scheiterns eine gewisse Frustration aus. Wurde sie trotz aller Anstrengungen dennoch gelöst, kann dies als Erfolgserlebnis verbucht werden und der Schüler gestärkt daraus hervorgehen. „Erst wenn man die Aufgabe besiegt hat, kann man sich ihren Skalp umhängen – so funktioniert Mathe“, sagt Aaron Münch, der eine ausdauernde Herangehensweise als Lernprozess begreift. In der Gestaltung seiner Inhalte setzt er auf Vielfältigkeit. Neben der Diskussion philosophischer Fragen, wozu man eigentlich die Zahlen braucht, lässt er seine Schüler mit erweiterten Sudokus eigene Heuristiken aufstellen oder erklärt die mathematischen Prinzipien hinter dem Pokern. Dabei ist ihm wichtig, die Individualität des Einzelnen zu berücksichtigen. Für eine Stunde konzipierte er Aufgaben, die sich für jeden Schüler einzeln unterscheiden, um so eine individuelle Belohnung zu schaffen und Wettbewerb zu vermeiden.

„Ich habe den Schülern schon in der ersten Stunde gesagt, dass ich sie kontinuierlich überfordern werde und dass sie keine Angst davor haben sollen“, erklärt Aaron Münch und fügt hinzu: „Das ist ganz normal, dass man nicht sofort alles versteht.“ Dieses Verständnis führt dazu, dass Schule und Schüler die wöchentlichen Stunden in der AG positiv bewerten und dies an Aaron Münch rückmelden. „Für mich gibt es dieses tiefe Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“, sagt der Student über seine Motivation. Er empfiehlt jedem Lernenden auch in die Lehre hineinzuschauen: „Dinge zu lehren macht einen nicht nur stofflich richtig fest, sondern auch als Lernenden wieder offen“, so Münch, der seine Schüler noch bis zum Abitur begleiten wird. Dass das Projekt weitergeführt und mehr Interessierte gewonnen werden können, wünscht der Student sich für die Zukunft der AG. „Jeder hat grundsätzlich Spaß am Verstehen, aber die Ängste und Hemmungen hindern einen oft daran, überhaupt erst dort hin zu kommen“, sagt Aaron Münch und will mit seiner Arbeit an der Schule diese Freude gerne teilen.

(Autor: Andy Schäfer)

Katharina Thehos
27.07.2015

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