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25 Jahre Deutsche Einheit – ein Rückblick

Im Redaktionsarchiv geblättert: Prof. Dr. Günther Hecht, der von 1991 bis 1997 Rektor der TU Chemnitz war, spricht über die Zeit nach der Wiedervereinigung

Der 3. Oktober ist der Tag der Deutschen Einheit und damit der für Gesamtdeutschland wichtigste Feiertag. 2015 feiert Deutschland den Nationalfeiertag. Jemand, der die Zeit nach der Wiedervereinigung an der Technischen Universität Chemnitz sehr gut beurteilen kann, ist Prof. Dr. Günther Hecht. Als Rektor prägte er von 1991 bis 1997 das Gesicht der Universität. 2011 erinnerte er sich in einem Interview für „175 - Das etwas andere Jubiläumsbuch“ an die personelle und inhaltliche Erneuerung der sächsischen Hochschulen in den 1990er-Jahren. Aus Anlass des 25. Jahrestages der Deutschen Einheit veröffentlicht „Uni aktuell“ dieses Gespräch, das Mario Steinebach, Pressesprecher der TU Chemnitz, mit ihm führte.

Prof. Dr. Günther Hecht, Sie navigierten die TU von 1991bis 1997 durch die schwierigen und entscheidenden Jahre nach der friedlichen Revolution in Ostdeutschland. Was war der größte Kraftakt Ihrer Amtszeit?

Es war die personelle Neugestaltung der TU. Der vom Sächsischen Landtag verabschiedete Strukturplan für die Universität sah einen Personalbestand vor, der weniger als die Hälfte des eigenen Personalbestandes und der aller integrierten Einrichtungen – dazu gehörten unter anderem die Institute für Lehrerbildung – enthielt. Nach der Feststellung der persönlichen Integrität aller Mitarbeiter und deren fachlichen Evaluation erfolgte damals durch Auswahlkommissionen die Besetzung der neu zugeordneten Stellen und die Eingliederung der Beschäftigten in das ab dem damaligen Zeitpunkt geltende Tarifsystem. Für viele von uns war das auch deshalb nicht nur eine spannende, sondern zugleich nervenaufreibende Zeit. denn die Stellen von Hunderten ehemaligen Kollegen waren fast über Nacht weggefallen, weitere galt es in den Folgejahren abzubauen. Das ging sehr stark an die Substanz – an die der TU und an die eigene.

Wie vollzog sich die deutsche Wiedervereinigung an der TU Chemnitz?

In den ersten Jahren kamen viele Wissenschaftler und Beamte von West nach Ost. die meisten – sicher nicht alle – trugen ein Gefühl der Solidarität in sich. Sie wollten helfen und im wahrsten Sinne Aufbauarbeit leisten. zum Beispiel die beiden aus Bayreuth kommenden Gründungsdekane der Philosophischen Fakultät und der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Prof. Ruppert und Prof. Wossidlo, die wichtige Standards gesetzt haben. Überhaupt war die Neugründung dieser beiden Fakultäten für uns äußerst wichtig, um uns weiterhin als Universität im zunehmend stärker werdenden Wettbewerb um Studierende und Forschungsgelder behaupten zu können. dadurch erhielt unsere Hochschule erstmals ein echtes universitäres Fächerspektrum, was auch für einen enormen Anstieg der Studierendenzahlen sorgte. Dennoch gab es damals einige in der Politik, die aus unserer TU am liebsten eine Fachhochschule gemacht hätten. Hinzu kamen Kollegen – insbesondere aus Westdeutschland – die unser wissenschaftliches Leistungsvermögen in Frage stellten. Hier galt es immer wieder, selbstbewusst gegenzusteuern und so manches unbegründete Vorurteil zu entkräften. Wir mussten lernen, uns gut zu verkaufen – etwa auf Konferenzen und Messen –, um besser wahr- und ernst genommen zu werden.

Welche Einschnitte empfinden Sie aus heutiger Sicht an der TU am gravierendsten?

Das Wort "Abwicklung" prägte die Zeit. Alle Mitarbeiter im Hochschulwesen wurden formal entlassen und konnten sich anschließend auf die reduzierten Stellen bewerben. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass ich an einem Wochenende mehr als 200 Kündigungen für das wissenschaftliche Personal unterschrieben habe, das bedeutete natürlich auch Einschnitte auf vielen Wissenschaftsgebieten. Zudem verabschiedeten wir uns von Bewährtem aus der DDR-Zeit. Damals mussten noch alle Nachwuchswissenschaftler eine hochschulpädagogische Ausbildung absolvieren. Nach der Wiedervereinigung verschwanden die dafür notwendigen Strukturen. Heute beobachte ich, wie man sie vielerorts wieder aufbaut.

Was blieb auf der Habenseite?

Nun, wir haben die sächsische Hochschulstrukturreform zügig durchgesetzt. Als Folge erreichten wir sehr schnell einen sehr hohen Stand bei der Forschung. Hierzu trug bei, dass es uns gelang, die technische Ausrüstung unserer Universität umfassend zu erneuern, wofür wir von vielen beneidet wurden. Am Ende meiner Amtszeit hatten wir drei Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft, drei Innovationskollegs und drei Graduiertenkollegs. Aber auch die anderen Schwerpunktprogramme der Deutschen Forschungsgemeinschaft, an denen Wissenschaftler der TU beteiligt waren, belegen das hohe Niveau der wissenschaftlichen Zusammenarbeit an unserer Universität. Konsequent haben wir auch die vielen früheren Standorte der Uni auf vier reduziert. Dadurch ist an der Reichenhainer Straße ein richtiger Campus entstanden. Das neue Hörsaal- und Seminargebäude war dafür ein wichtiger Meilenstein. Viele Wissenschaftler, die sich nach dem Wegfall ihres Fachgebietes außerhalb der TU völlig neu orientieren mussten, haben beispielsweise den Sprung in die Selbstständigkeit mit Erfolg gemeistert.

Gibt es dafür Beispiele?

Nicht nur aus unserer Universität, auch aus den Instituten der Akademie der Wissenschaften und den zahlreichen Industrieforschungszentren drängten viele Forscher und Techniker in die Selbstständigkeit. Dank der Weitsicht der Stadt und des Landkreises Chemnitz, der IHK Südwestsachsen und der TU Chemnitz sowie der Unterstützung durch IHK und das Technologiezentrum Aachen, ist es unter Leitung von Prof. Dieter Tischendorf gelungen, die Gründer im Technologie Centrum Chemnitz zu unterstützen – mit Infrastruktur und Wissen. Dort, wo einst zwei Firmen mit insgesamt sechs Mitarbeitern begannen, wurden bis heute mehr als 180 Unternehmen betreut und 1.500 Arbeitsplätze geschaffen. Zahlreiche Absolventen und Wissenschaftler der TU Chemnitz fanden hier ein Sprungbrett in eine pannende berufliche Perspektive. einige konnten sogar ihre Technik aus der Hochschule mit in die Firma nehmen. Wenn man bedenkt, dass 95 Prozent der hier gegründeten Unternehmen noch immer am Markt erfolgreich agieren, so ist die Gründung des TCC mehr als ein gewinnbringender Rettungsplan in der Nachwendezeit, es war und ist eine wichtige Investition in die Zukunft der Region. Das TCC gilt heute als eines der erfolgreichsten Technologiezentren Deutschlands – darauf können auch die Stadt Chemnitz und die Universität stolz sein.

(Bibliographische Angaben der Quelle: Gesellschaft der Freunde der Technischen Universität Chemnitz e. V. (Hrsg.): 175 - Das etwas andere Jubiläumsbuch, Chemnitz 2011. 200 Seiten, Universitätsverlag, ISBN 978-3-941003-28-6, Preis: 17,50 Euro. Hinweis: Das Buch kann nur noch über die Geschäftsstelle der Freundesgesellschaft bezogen werden.)

Mario Steinebach
30.09.2015

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