Chemnitz sagt Ja zur Aufnahme von Flüchtlingen
Viele Studierende der TU Chemnitz engagieren sich im Rahmen des Patenschaftsprogramms der Initiative Save Me Chemnitz und begleiten Flüchtlinge bei ihren ersten Schritten in Deutschland
Refugees welcome: Allein in Januar und Februar 2016 wurden laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bisher mehr als 70.000 Asylanträge in Deutschland gestellt, Tendenz steigend. Knapp 3.000 davon wurden im Bundesland Sachsen eingereicht. Auch die Technische Universität Chemnitz wird vom Zuzug neuer Geflüchteter tangiert; so waren im vergangenen Jahr zwei Gebäude auf dem Campus zu Erstaufnahmeeinrichtungen umfunktioniert worden. Von studentischer Seite ist das Engagement zur Hilfeleistung groß. Zahlreiche Studierende unterstützen die Initiative Save Me Chemnitz im Ehrenamt und setzen sich somit für ein klares Bekenntnis der Stadt und ihrer Einwohner zum Flüchtlingsschutz und zur Aufnahme von Flüchtlingen ein. Ziel des Projekts ist es, diese Forderung in die Öffentlichkeit zu tragen, um die öffentliche Wahrnehmung sowie die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in Chemnitz zu verbessern.
Save Me Chemnitz wurde im Jahr 2011 ins Leben gerufen und leitet sich aus der Save Me Kampagne ab, die – von der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL initiiert – 2008 gestartet ist und mittlerweile ein bundesweites Netzwerk lokaler Initiativen in 56 Städten hat. Die Leitung am Chemnitzer Standort hat die 29-jährige Germanistik-Studentin Runa Richter inne, die mit ihrem Engagement interkulturelle Brücken schlagen möchte und sich „für ein buntes, nicht braunes Chemnitz“ einsetzt. Das Projekt wird vom Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. getragen, von der Stadt Chemnitz gefördert und von Freiwilligen unterstützt. Dazu zählen auch die beiden TU-Absolventen Alexandra Rieve und Cedric Mikus. „Ich bin vor knapp einem Jahr bei den Interkulturellen Filmwochen in Chemnitz auf Save Me aufmerksam geworden und war sofort von der Idee dahinter begeistert. Also trug ich mich in die Helferliste auf der Webseite www.save-me-chemnitz.de ein und schon eine Woche später war ich mit dabei“, erinnert sich Rieve, die im März 2015 ihr Masterstudium der Interkulturellen Kommunikation an der TU Chemnitz erfolgreich abschloss. Der ehemalige Soziologiestudent Mikus thematisierte in seiner Bachelorarbeit sogar die Save Me Kampagne als zentrales Untersuchungsobjekt: „Mein gewählter Studienschwerpunkt war Bevölkerung, Migration und Soziologie des Raumes. Dass ich in meiner Abschlussarbeit eine Organisationsanalyse von Save Me Chemnitz mache, war für mich naheliegend.“ Seit Juli 2015 arbeitet Mikus als Sozialbetreuer beim Sächsischen Flüchtlingsrat e.V. und ist weiterhin nebenbei unterstützend für Save Me tätig. „Mein Job ist sozusagen eine Professionalisierung des Patenschaftsgedankens von Save Me Chemnitz“, so der 23-Jährige.
Das Patenschaftsprogramm ist das Herzstück bei Save Me Chemnitz. Ambitionierte Chemnitzer sowie Flüchtlinge werden dabei zusammengebracht, um diese auf freundschaftlicher Basis bei ihrem Neustart zu unterstützen und gegenseitigen Austausch zu ermöglichen. Patenschaften werden hauptsächlich an Familien und Einzelpersonen vermittelt, die ganz neu in Chemnitz und dezentral in Wohnungen untergebracht sind. Der Aufenthaltsstatus kann dabei unterschiedlich sein: noch im Asylverfahren, nach dem Asylverfahren mit Anerkennung oder auch Resettlement, das heißt Neuansiedlung ohne Asylverfahren. Bei den meisten im Patenprogramm aufgenommenen Flüchtlingen ist der Asylantrag jedoch noch in Arbeit und sie besitzen eine vorläufige Aufenthaltsgenehmigung. Bei Save Me Chemnitz gibt es derzeit etwa 100 aktive Paten aus verschiedenen Bevölkerungsschichten. Egal ob Student, Rentner oder Mittelständler – die Hilfsbereitschaft der Chemnitzer Bürger ist in hohem Maße vorhanden. Die ehemalige TU-Studentin Rieve betreut in diesem Rahmen gemeinsam mit einer Freundin eine serbische Familie, die im Januar 2014 nach Deutschland kam. „Das Besondere an den Patenschaften ist, dass wir die Flüchtlinge auf ihrem Weg in ein neues Leben begleiten. Meine Patenfamilie besteht aus Vater, Mutter, drei Söhnen und vier Töchtern. Im Schnitt treffen wir uns einmal die Woche und ich stehe ihnen in allen sozialen Lebensbereichen zur Seite. Manchmal vereinbaren wir gemeinsam einen Arzttermin oder ich helfe beim Ausfüllen von amtlichen Anträgen. Inzwischen geht unsere Beziehung aber weit über eine funktionelle Patenschaft hinaus und unsere Treffen laufen auf sehr freundschaftlicher Basis ab. Gemeinsames Kochen oder Spielen sind keine Seltenheit und bei jedem Besuch sehe ich in den Augen der Familie die Dankbarkeit. Es sind keine großen Dinge, sondern die kleinen Gesten der Gastfreundschaft, mit denen sie sich bei mir für die Unterstützung revanchieren“, erzählt die gebürtige Schleswig-Holsteinerin. Grundsätzlich gibt es für die Paten und die Betreuten keine festen Verpflichtungen, jede Patenschaft wird ganz individuell gestaltet unter Beachtung der persönlichen Bedürfnisse der Flüchtlinge. Auch Mikus pflegt heute zu seiner Patenfamilie, die im Sommer 2012 aus der iranischen Hauptstadt Teheran nach Deutschland floh, freundschaftlichen Kontakt: „Dank des Projekts konnte ich meiner Patenfamilie die anfängliche Orientierungslosigkeit nehmen und sie bei ihren ersten Schritten in Deutschland begleiten. Ich sehe das Patenprogramm vor allem als Hilfe zur Selbsthilfe, denn mit der Zeit konnte ich beobachten, wie meine Patenfamilie unheimlich an Selbstständigkeit dazugewonnen hat und nun endlich richtig in Deutschland angekommen ist.“
Neben dem Patenprogramm zählen auch Veranstaltungen zur Aufklärung und Information über die Themen Flucht und Asyl sowie Lese-, Konzert- und Filmabende oder Aktionen wie „save me macht mobil“, bei der Fahrräder für Flüchtlinge gesammelt wurden, zu den Bestandteilen von Save Me Chemnitz. „Es geht uns darum zu helfen und etwas zu machen, was sofort einen Effekt hat. Es wird immer Gegner geben, doch mit Save Me möchten wir für Chemnitz eine klare Botschaft vermitteln: Bei uns ist jeder willkommen. Wer Interesse an einer Mitarbeit im Projekt hat oder am Patenprogramm mitwirken möchte, kann sich auf der Internetseite www.save-me-chemnitz.de oder bei Facebook informieren“, so Mikus.
Weitere Informationen erteilt Runa Richter, Telefon 0371 903133, E-Mail richter@sfrev.de.
(Autorin: Katharina Preuß)
Katharina Thehos
26.02.2016