Goethe mitgestalten
TU-Studierende arbeiten in Kooperation mit dem Schauspielhaus Chemnitz an der modernen Inszenierung von Goethes Stella
Ein hoher Praxisbezug ist bei jedem Studenten gerne gesehen; das Seminar „Literatur- und Kulturgeschichte der Polygamie“, geleitet von Prof. Dr. Christoph Fasbender und Jun.-Prof. Dr. Gala Rebane, brachte die Praxis jedoch auf ein neues Level: So durften die Bachelor-Studierenden der Fächer Interkulturelle Kommunikation und Germanistik bei der vom Schauspielhaus Chemnitz inszenierten Theateraufführung „Stella“ mitwirken, die eine moderne Interpretation von Goethes Trauerspiel über eine Liebesbeziehung zwischen einem Mann und zwei Frauen darstellt. Die moderne Inszenierung des Schauspielhauses, die am 4. März 2016 Premiere feiert, stellt sich der Frage, wie sich Goethes Protagonisten in den dargestellten Situationen heutzutage verhalten hätten und wie sich die heutigen Gesellschaftsstrukturen auf die Beziehung ausgewirkt hätten.
Den Studierenden wurde die Möglichkeit geboten, den bearbeiteten Text für die Chemnitzer Inszenierung mit der Dramaturgin Kathrin Brune zu diskutieren, die Proben zu besuchen und eine Plakatausstellung im Theaterfoyer zu gestalten, die die zentralen Fragestellungen des modernisierten Stückes abbildet und während der Spielzeit zu sehen sein wird. Darüber hinaus halfen die Seminarteilnehmer der Dramaturgin und dem Regisseur bei der Gestaltung des Programmhefts zum Stück, in dem die im Rahmen der Ausstellung aufgegriffenen Themen vertieft werden und eine enge Knüpfung an das Trauerspiel „Stella“ geschaffen wird. „Die Studierenden waren wirklich froh, mit der Praxis in Berührung zu kommen, und zwar mit dem Ernstfall, nicht mit einer Simulation“, informiert Prof. Fasbender, Professor für die Deutsche Literatur- und Sprachgeschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. „Das ist natürlich für alle Parteien mit einem Risiko verbunden, schließlich muss alles klappen.“
Damit eben alles klappt, wurden von den Dozenten im Seminar zunächst umfassend die Theorie zur Polygamie, Bigamie und Polyamorie vermittelt und themenbezogene Texte, unter anderem „Decamerone“ von Boccaccio, Charlotte Brontes „Jane Eyre“ und natürlich Goethes „Stella“, gelesen und erörtert. „Ich wusste vorher nicht, wie vielschichtig und facettenreich die gesamte Thematik ist“, berichtet Seminarteilnehmer Marco Blüher, der im dritten Semester Interkulturelle Kommunikation studiert. „Es war sehr interessant, sich den Themen Polygamie und Polyamorie aus verschiedenen Perspektiven zu nähern. Das Schöne an dem Seminar war, dass man mit zwei, drei Fragen reingeht und mit unzähligen wieder herauskommt. Warum ist die Ehe zwischen Mann und Frau für uns so selbstverständlich? Wäre die Gesellschaft offen für Veränderungen? Inwiefern lässt sozialer Druck offenere Beziehungskonzepte überhaupt zu?“ Auch besonders der hohe Praxisbezug konnte den 28-Jährigen begeistern: „Es war toll, mit Leuten außerhalb der Uni in Kontakt zu treten und zu sehen, wie am Schauspielhaus gearbeitet wird. Die Möglichkeit, durch Programmheft und Schaubilder einen Teil beizutragen, bot jenseits von Klausuren und Hausarbeiten die Chance, sich kreativ auszuleben und einen kleinen Teil zum Ganzen beizutragen.“
Doch nicht nur für die Studierenden, auch für die Dozenten war das Seminar eine Bereicherung. „Für mich persönlich war es besonderes interessant zu sehen, wie Theorien und Konzepte an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Kunst reflektiert und plastisch dargestellt werden“, reflektiert Dr. Rebane, Juniorprofessorin der Interkulturellen Kompetenz. „Bei den Bühnenbildern und dem Schauspiel, aber auch vor allem bei der von den Studierenden vorbereiteten Begleitausstellung und in dem Programmheft zu Stella. Alles in allem ist es eine unglaublich dankbare Zusammenarbeit gewesen.“
(Autorin: Sabrina Schäfer)
Katharina Thehos
04.03.2016