Hauptsitz Chemnitz, Zweigstelle New York
Aus der Uni auf den Chefsessel: Staffbase-Geschäftsführer Dr. Martin Böhringer berichtet über den nicht immer einfachen Sprung in die Selbstständigkeit
Das aus der Technischen Universität Chemnitzer heraus gegründete Startup „Staffbase“ entwickelt eine App für Firmenangestellte. Unter den Kunden befinden sich bereits nach kurzer Zeit weltbekannte Unternehmen. Die Gründer Dr. Martin Böhringer und Dr. Lutz Gerlach verbindet eine gemeinsame Zeit an der TU Chemnitz. Sie haben beide als wissenschaftliche Mitarbeiter zu Web 2.0 und insbesondere Enterprise Microblogging, dem Twitter für Unternehmen, geforscht. Böhringer bei Prof. Dr. Peter Gluchowski als Wirtschaftsinformatiker vor allem mit Blick auf vorhandene Produkte und Technologien, und Gerlach an der Professur Organisation und Arbeitswissenschaft bei Prof. Dr. Rainhart Lang stärker aus Management-Sicht. Im Interview berichtet Staffbase-Geschäftsführer Dr. Martin Böhringer von „FuckUps“ und Erfolg, sowie über nützliche Kontakte zur TU Chemnitz, insbesondere zum Gründernetzwerk SAXEED.
Herr Dr. Böhringer, was ist Staffbase?
Lutz Gerlach und ich kennen uns aus unserer Zeit als Mitarbeiter an der TU Chemnitz und haben vor Staffbase bereits das Startup Hojoki gegründet. Auf der Suche nach einer neuen Idee haben wir Frank Wolf, den dritten Gründer und Leiter unseres New Yorker Büros, kennengelernt. Er ist ein ausgewiesener Intranet-Experte und hat über Jahrzehnte Unternehmen im Bereich Interne Kommunikation beraten. Die Idee, Mitarbeiterkommunikation mobil zu machen, war schnell geboren. Staffbase ist nun der führende Anbieter einer Software-as-a-Service-Lösung zum Betrieb einer unternehmenseigenen Mitarbeiter-App für Unternehmen von fünf bis 500.000 Mitarbeitern.
Was macht die App?
Staffbase unterstützt Unternehmen weltweit dabei, all ihre Mitarbeiter unabhängig von Arbeitsort und -zeit zu informieren. Zwei Drittel aller Mitarbeiter haben keinen Büroarbeitsplatz und sind deshalb aktuell kaum in die Informationsflüsse im Unternehmen eingebunden. Darüber hinaus bietet die App für die Angestellten zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten und vereinfacht administrative Aufgaben. Staffbase ist die ideale Plattform für zeitgemäße und effiziente Unternehmenskommunikation.
Warum ist Staffbase ein typisches Startup-Unternehmen?
Zum einen wegen des rasanten Wachstums. In weniger als zwei Jahren haben wir seit der Gründung bereits zahlreiche Kunden weltweit gewonnen, die auf unser Produkt und dessen stetige Weiterentwicklung vertrauen. Zum anderen sind wir noch ein kleines Team von 15 Leuten. Entsprechend flach sind Hierarchien und sehr offen die Kommunikationskultur.
Wann haben Sie gemerkt, dass der Stein ins Rollen gerät?
Die Smartphone-Evolution hat keine zehn Jahre gebraucht, um unsere tägliche Kommunikation und Medienrezeption völlig zu verändern – mobil ist nicht die Zukunft, es ist bereits die Gegenwart. Wir sind überzeugt, dass in spätestens fünf Jahren jedes Unternehmen mit mehr als 100 Angestellten eine eigene Mitarbeiter-App haben wird, auch wenn einige Unternehmen davon heute noch nichts wissen. Als wir das Thema in unseren persönlichen Netzwerken bei Unternehmen ins Gespräch gebracht haben, war die Resonanz riesig. Nach wenigen Monaten hatten wir die ersten konkreten Projekte und waren entsprechend gut aufgestellt für Investorengespräche.
Was sind die bisherigen Erfolge von Staffbase?
Unternehmen wie Siemens, Viessmann, Adidas oder T-Systems MMS nutzen bereits eine eigens gebrandete Mitarbeiter-App basierend auf Staffbase. Wir haben über 70 Kunden auf der ganzen Welt und kürzlich in New York ein zweites Büro eröffnet, um näher am internationalen Markt agieren zu können. Der Markt der Mitarbeiter-Apps ist noch jung, jedoch global. Um sich als Unternehmen auf diesem zu etablieren, muss man sich an Kunden auf der ganzen Welt wenden. Auch unser Team wird zunehmend internationaler, was nicht nur den Horizont jedes Einzelnen erweitert, sondern auch neue Perspektiven mit sich bringt, die uns voranbringen.
Was ist das Wichtigste, was Sie an der TU Chemnitz gelernt haben?
Mir war wichtig, dass ich während des Studiums genügend Freiräume hatte. Ich habe damals als Freiberufler Webseiten erstellt, der Grundstein für alles weitere.
Warum bleiben Sie in Chemnitz – ließe es sich an anderen Orten nicht besser vernetzen?
Jeder von uns hat persönliche Gründe, weshalb er sich in Chemnitz wohlfühlt, viele von uns haben Familie und ihren Freundeskreis hier. Wir bewegen uns in einem digitalen Business, wo persönlicher Kontakt zu Kunden eher die Ausnahme ist. Chemnitz bietet günstige Mieten und den Raum, zu wachsen und selbst etwas zur Stadtentwicklung beizutragen. Die Infrastruktur ist natürlich stark verbesserungswürdig, aber vielleicht tut sich ja auch da in den kommenden Jahren etwas.
Wie stark ist noch der Kontakt zu der Technischen Universität Chemnitz?
Die TU Chemnitz ist für uns vor allem ein wichtiger Ansprechpartner für zukünftige Mitarbeiter. Etwa die Hälfte unserer Mitarbeiter kommen von dort. Gerade im Entwickler-Bereich wollen wir für Absolventen eine attraktive Alternative zu den Jobangeboten außerhalb Sachsens bieten.
Wie sieht Ihre Kooperation mit dem sächsischen Gründernetzwerk SAXEED aus?
SAXEED hat vor allem bei meinem vorherigen Startup mit Investoren-Kontakten und Feedback zum Businessplan unterstützt. Von diesem Wissen konnten wir vieles auch bei Staffbase anwenden. Wir versuchen auch, unsere Erfahrung zurückzugeben, indem ich als Mentor aktuelle SAXEED-Gründer betreue.
Sie haben bereits mit der Firma „Hojoki“ auf sich aufmerksam gemacht. Sie sollen Millionen Euro an Risikokapital gesammelt haben. Was war das für ein Projekt und warum ist es gescheitert?
Hojoki ist ein prämierter Clouddienst, der das Arbeitsleben der Kreativindustrie hätte revolutionieren können – leider haben sich zu wenige Nutzer bei unserem Freemium-Modell für einen zahlungspflichtige Premiumaccount entschieden. Nachdem wir die Hojoki GmbH geschlossen haben, musste ich mich erst einmal arbeitslos melden.
Wie lange haben Sie gebraucht, um Mut für neue Ideen zu fassen?
Wenn man in den Boxring steigt, kann man auch mal ein blaues Auge bekommen. Zum Startup-Gründen gehört ein gewisses Grundrisiko einfach dazu. Wir haben viel gelernt und waren sofort heiß darauf, die selben Fehler nicht noch einmal zu machen. Mit Staffbase haben wir die Hürden, über die wir bei Hojoki gestolpert sind, viel früher genommen.
Wie groß ist das Risiko und die Angst davor, nochmal auf die Nase zu fallen?
Das Risiko ist natürlich immer da. Angst davor haben wir keine.
Sie treten demnächst bei einer „FuckUp Night“ auf. Was und wann ist das?
Die „FuckUp Nights“ sind eine international etablierte Event-Reihe, auf der Menschen vor Publikum über das Scheitern in ihrem Leben sprechen. In Chemnitz finden sie in der dritten Ausgabe Ende Oktober im Weltecho statt.
Welche Tipps geben Sie anderen Startup-Unternehmern oder jungen Menschen an der Uni mit einer Geschäftsidee?
Nicht groß zögern, unbedingt so schnell wie möglich einfach mal starten. "Better done than perfect" ist der passende Silicon Valley-Spruch dafür.
Wo soll es mit Staffbase in der Zukunft hingehen?
Wir wollen unsere Führungsposition auf einem jungen, aber schnell wachsenden Markt ausbauen und uns international als der Ansprechpartner für mobile Mitarbeiterkommunikation etablieren. Im nächsten Schritt geht es darum, unsere Prozesse zu professionalisieren, zu wachsen und den Standort New York aufzubauen, um international für Kunden noch attraktiver zu werden.
Eine letzte Frage für interessierte TU-Studenten: Bieten Sie auch Praktika oder studentische Jobs?
Wir haben bereits zwei Werkstudenten, die uns tatkräftig in verschiedenen Bereichen unterstützen und sind immer auf der Suche nach engagierten Nachwuchskräften. Voraussetzungen sind ausgezeichnete Englischkenntnisse. Die Bewerber sollten auch menschlich in unser Team passen. Wir suchen Leute im IT-Bereich, aber auch für Marketing/Sales. Noten sind hingegen kein Erfolgskriterium.
(Das Gespräch führte Timon Ostermeier)
Mario Steinebach
19.10.2016