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Paradebeispiel: Chemnitzer Stadtgebiet „Brühl“ wird mit Sonnenkraft beheizt

TU entwickelte mit dem Energieversorger eins energie in sachsen, dem Netzbetreiber inetz und der Stadt Chemnitz ein umweltfreundliches energetisches Quartierskonzept, das erfolgreich umgesetzt wurde

„Jedes Stadtwerk in Deutschland sollte mittelfristig zehn Prozent solare Wärme in Fernwärmesysteme einspeisen. Damit können die Energieversorger einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leisten und eine Kostenerhöhung in Zukunft mindern“, fordert Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, Bereichsleiter Thermische Energiespeicherung an der Professur Technische Thermodynamik der Technischen Universität Chemnitz. Ein Paradebeispiel dafür, dass diese Zielstellung realistisch ist, sei das Stadtgebiet „Brühl“ mitten in Chemnitz. Um dieses sanierungsbedürftige Quartier mit seiner gründerzeitlichen Karree-Struktur neu zu beleben, wurden im Rahmen des Städtebauförderprogramms „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ mehrere Maßnahmen eingeleitet. Dazu zählt auch eine neue Wärmeversorgung, die maßgeblich von der Professur Technische Thermodynamik der TU Chemnitz gemeinsam mit dem Energieversorger eins energie in sachsen und seinem Netzbetreiber inetz sowie der Stadt Chemnitz, entwickelt und erfolgreich umgesetzt wurde. Initialzündung dafür waren die städtebaulichen Anstrengungen der Stadt Chemnitz. In diesem ganzheitlichen Ansatz spielt auch der voranschreitende Umbau der ehemaligen Aktienspinnerei zur Zentralbibliothek der TU Chemnitz durch den Freistaat Sachsen eine herausragende Rolle.

Ökologische Wärme kommt per „Rohrpost“

Das Besondere des Konzepts: „Die Wärmeversorgung des etwa zehn Hektar großen Brühls wurde vom bestehenden Fernwärmesystem entkoppelt und ein neues Niedertemperaturnetz aufgebaut, damit eine große Solarthermie-Anlage eingebunden werden konnte“, berichtet Ulf Uhlig, Abteilungsleiter bei inetz. Das energetische Quartierskonzept für den Brühl hat Vorzeigecharakter, denn es ist eines von zwölf Stellvertreterprojekten des Bundesbauministeriums für eine energetische Stadtsanierung. Bereits 2016 wurden die neue solarthermische Großanlage und ein Wärmespeicher in unmittelbarer Nähe des Brühls an der Georgstraße in Betrieb genommen. Bis heute wurden bereits mehr als vier Kilometer Fernwärmeleitung in diesem Quartier verlegt. „Aktuell werden beinahe 200 Häuser des Stadtviertels mit rund 1.300 Wohneinheiten mit Sonnenkraft beheizt, weitere Abnehmer sollen noch folgen. Pro Jahr kann nun etwa ein Äquivalent von 100.000 Litern Heizöl eingespart werden”, verdeutlicht Uhlig die nachhaltige Dimension des Projektes. Die Mieter bekommen ökologische Wärme sozusagen per „Rohrpost“, ohne sich um komplexe Fragen der Technik kümmern zu müssen. Und die Gebäudeeigentümer kommen mit einer normalen Wärmedämmung ihrer Immobilien aus, die Fassaden bzw. der Gesamteindruck des Quartiers bleiben so erhalten.

Technisch betrachtet, funktioniert das Niedertemperatur-Netz für dieses Quartier recht einfach: „Die Sonne erwärmt das Fernwärmewasser in zwei Kollektoren-Feldern mit einer Gesamtfläche von 2.100 Quadratmetern auf mehr als 70 Grad Celsius“, erläutert Uhlig. Abhängig vom Bedarf werde das heiße Wasser entweder in einem 1.000 Kubikmeter großen Wärmespeicher zwischengelagert oder direkt dem Quartier-Fernwärmenetz des Brühls über gedämmte Rohrleitungen zugeführt. „Reicht die Sonnenkraft zum Beispiel in den Wintermonaten oder bei anhaltender Bewölkung nicht aus, wird Energie aus dem Rücklauf des zentralen Fernheiznetzes zur Erwärmung des Heizwassers genutzt“, so Uhlig.

Chemnitzer Pilotprojekt sorgt bundesweit für Furore

„Bis 2020 fließen rund zehn Millionen Euro in die neue Wärmeversorgung des Brühls, darunter rund 1,8 Millionen Euro Fördermittel von Bund, Land und Stadt. Gleichzeitig fördern wir seit 2010 mit rund zwölf Millionen Euro die Sanierung der Gebäude und werten den Boulevard auf. Wir haben ein einzigartiges Probenhaus für Bands in einer leeren Schule ermöglicht und unterstützen kreative Ideen junger Zuziehender am Brühl“, berichtet Grit Stillger, Abteilungsleiterin Stadterneuerung im Stadtplanungsamt der Stadt Chemnitz. Der Energieversorger eins investierte rund 0,7 Millionen Euro in die neue Solarthermie-Anlage direkt am Chemnitzfluss. Uhlig erklärt: „Durch die Anlage können jährlich 313 Tonnen CO2-Emissionen gegenüber konventionellen Heizungsarten vermeiden werden.“ Urbaneck ergänzt: „Wenn künftig weitere erneuerbarer Energien in dieses Fernwärmenetz eingespeist werden, erhöht sich dieser Anteil natürlich noch.“

„Die technische Umsetzung ist schon anspruchsvoll. Deutlich schwieriger erscheint die Umsetzung mit vielen Akteuren, jedoch läuft dies in Chemnitz sehr gut. Interessenten aus anderen Kommunen kamen letzten Herbst extra in unsere Stadt, um von den Erfahrungen bei der Umgestaltung eines Quartiers zu lernen. Hier nimmt Chemnitz eine Vorreiterrolle ein“, sagt Uhlig zufrieden. „Das Bauministerium von Nordrhein-Westfalen hat mich gebeten, unser energetisches Quartierskonzept Brühl als Impuls für NRW-Kommunen vorzustellen“, fügt Stilger hinzu. Auch in Chemnitz werde es weitere derartige Projekte geben. „Wir sind stolz, dass wir mit solchen innovativen Vorhaben und Partnern in 2015 den European Energy Award in Gold erhalten konnten“, so Stillger. „Ich freue mich, dass das Chemnitzer Pilotprojekt in ganz Deutschland und darüber hinaus Schule macht“, sagt Urbaneck. Interessenten, die mehr zum Konzept und zur Begleitforschung wissen möchten, können sich gern an ihn wenden.

Weitere Informationen zur Forschung an der Professur Technische Thermodynamik: https://www.tu-chemnitz.de/mb/TechnThDyn/

Hintergrundinformationen zur messtechnischen Langzeitüberwachung der Wärmeversorgung des "Brühls" und zur Betriebsoptimierung des Wärmeversorgungssystems mit modernen mathematischen Methoden: www.solfw.de und www.wn-navi.de

Kontakt: Prof. Dr. Thorsten Urbaneck, Professur Technische Thermodynamik, Telefon 0371 531-32463, E-Mail thorsten.urbaneck@mb.tu-chemnitz.de; Grit Stillger, Telefon 0371 488-6030, E-Mail grit.stillger@stadt-chemnitz.de; Christian Stelzmann, Telefon 0371 525-5212, christian.stelzmann@eins.de

Mario Steinebach
18.09.2018

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