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„Schnee kenne ich nur aus dem Film“

Der Äthiopier Teklebirhan Fisseha kann mit Hilfe eines DAAD-Stipendiums seine Doktorarbeit im Bereich Werkstoffverbunde an der TU Chemnitz schreiben – eine große Chance, die auch mit vielen Herausforderungen verbunden ist

Knapp 8.000 Kilometer – so weit ist der Promotionsstudent Teklebirhan Fisseha von seinem Heimatland Äthiopien entfernt. Der 32-Jährige schreibt seit Oktober an seiner Doktorarbeit an der Professur Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde (Univ.-Prof. Dr.-Ing. Guntram Wagner) der Technischen Universität Chemnitz. Sein Thema: „Experimentelle Untersuchungen und Simulation an rührreibgeschweißten Aluminium- und Titan-Werkstoffverbunden“. Möglich macht es das „Home Grown PhD Scholarship Program“ des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), für das sich Fisseha erfolgreich an der TU Chemnitz beworben hatte.

Von den knapp 25 Stellen der Professur für Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde am Institut für Werkstoffwissenschaft und Werkstofftechnik (IWW) der Fakultät für Maschinenbau sind 15 mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besetzt – unter anderem mit Doktoranden und Doktorandinnen aus Indien oder Russland. An der Fakultät ist es jedoch der erste Wissenschaftsaustausch mit Äthiopien.

Herausforderungen bei der Ankunft – „starke Professur“

Die TU Chemnitz hat sich der Doktorand Fisseha aus verschiedenen Gründen ausgesucht: „Die Professur Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde ist ein zentraler Bestandteil des IWW mit insgesamt drei Professuren. Das Institut ist technologisch modern und hochwertig ausgestattet und verfügt über gut ausgebildete Spezialisten auf meinem Forschungsgebiet – daher wollte ich hier her.“ Um einen reibungslosen Wissenstransfer in sein Heimatland zu gewährleisten, wird er sich innerhalb der drei Jahre seines Stipendiums jeweils sechs Monate pro Jahr in Äthiopien aufhalten und dort weiter forschen.

Den ersten persönlichen Kontakt hatte die Professur Verbundwerkstoffe und Werkstoffverbunde mit Fisseha über eine Videokonferenz. Als er dann in Chemnitz ankam, stand die Dissertation vor einigen Herausforderungen: So mussten unter anderem ein Konto eröffnet und eine Unterkunft gefunden werden. Gar nicht so leicht für jemanden aus dem Ausland. Der DAAD und die Arbeitsgruppe um Guntram Wagner halfen dem Äthiopier unbürokratisch, die erforderlichen organisatorischen Aufgaben zu regeln. Durch das Stipendien-Programm konnten auch dringend benötigte Geräte für ihn angeschafft werden. Darunter ein Laptop.

Heute lebt der Doktorand in einem der Studentenwohnheime der TU. Über sein eigenes Zimmer freut er sich besonders: „In Äthiopien wohnen viele Studierende in einem Raum. Das ist schon anstrengend. Ich genieße jetzt hier die Privatsphäre.“

Unterschiede zwischen Äthiopien und Deutschland

Auch sonst gibt es einige Unterschiede beim Vergleich des deutschen mit dem äthiopischen Wissenschaftssystemen. Fisseha: „In Deutschland legt man in Studium und Forschung mehr Wert auf Praxisnähe.“ Auch in den Seminaren sieht er Unterschiede: „An den äthiopischen Universitäten sind die Seminare viel größer. Hier sitzen manchmal bis zu 60 Studierende in einem Seminar.“

Kurz nach seiner Ankunft sorgte der 32-Jährige bei seiner ersten Dienstberatungsteilnahme für große Aufmerksamkeit und Respekt. Prof. Wagner: „Er hat für uns einen Vortrag über sein Land auf Englisch gehalten und berichtet, dass dort bis zu 50 unterschiedliche Sprachen gesprochen werden. Darüber hinaus hat er direkt die ersten gelernten Wörter und Redewendungen aus seinem gerade begonnenen Deutschsprachkurs eingebaut. Das hat uns alle positiv berührt“.

Den Geist offen halten – „Ich kann hier viel lernen“

Fisseha arbeitete sich schnell ein und knüpfte Kontakte zu den anderen Mitarbeitern. „Die Arbeitskultur in Deutschland ist sehr angenehm“, findet der Doktorand. „Alle sind sehr engagiert. Ich kann hier viel lernen. Es ist genauso, wie ich es mir vorgestellt habe.“

Prof. Wagner: „Dass Hr. Fisseha Freude hat, hier seine Forschungsarbeiten fortzusetzen, merkt man ihm täglich an“. Wagner ergänzt: „Zudem zeigt seine Arbeitsweise, dass er aus Äthiopien eine gute Grundausbildung mitgebracht hat.“ Ferner ist Prof. Wagner überzeugt, dass es kurzfristig gelingen wird, Teklebirhan Fisseha als wissenschaftlichen Mitarbeiter voll zu integrieren und aus den natürlich vorhandenen kulturellen Unterschieden für alle beteiligten Seiten einen deutlichen Mehrwert zu generieren.

„Vielfalt und unterschiedliche Herangehensweise sind die Basis für das kreative wissenschaftliche Denken und Arbeiten“, so Wagner. Daher legt der Wissenschaftler auch Wert auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unterschiedlicher Herkunft. Es sei wichtig, seinen Geist auch für andere Kulturen offen zu halten und seine eigenen Standards regelmäßig zu reflektieren, ergänzt er.

Mit weltweitem Wissenschaftskosmos vernetzen

Prof. Wagner und sein Team versuchen, die internationalen Forscherinnen und Forscher so schnell wie möglich in die wissenschaftlichen Prozesse einzubeziehen. Neben gemeinsamen Publikationen schicke die Professur die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem In- und Ausland regelmäßig auf internationale Tagungen, um sie bestmöglich mit dem weltweiten Wissenschaftskosmos zu vernetzen.

Teklebirhan Fisseha profitiere von der weltoffenen Wissenschaftskultur an der TU Chemnitz – und strebe an, nach seiner Promotion weiter an einer Universität zu arbeiten: „Ich möchte das Wissen rund um die Materialwissenschaft erweitern und diese Erkenntnisse auch an meine Studierenden in Äthiopien weitergeben.“ Darüber hinaus freue er sich jetzt schon über die ersten erzielten Ergebnisse, die er für seine Doktorarbeit nutzen könne.

Reisen durch Deutschland

Neben der Arbeit will der 32-Jährige auch etwas von Deutschland sehen, denn er ist zum ersten Mal hier. Fisseha: „Ich war schon in Leipzig. Aber ich würde gerne auch Dresden besuchen und mir die Sächsische Schweiz anschauen.“ Besonders interessiert ihn ebenfalls das „Haus der Geschichte“ in Bonn. Auch den frostigen Temperaturen begegnet er hier in Deutschland das erste Mal. Fisseha: „Schnee kenne ich bisher nur aus dem Film.“

Ende März 2019 wird Fisseha wieder den weiten Weg nach Hause antreten. Wenn er dann Ende 2019 zurückkommt, hat er schon einen Plan im Gepäck: „Ich will echten äthiopischen Kaffee mitbringen. Kaffee kommt ja ursprünglich aus Äthiopien. Der Kaffee in Deutschland ist zwar gut, aber wir werden beide hier mal vergleichen!“ Ein interkultureller Austausch also, der in diesem Fall im wahrsten Sinne durch den Magen geht.

Zur Person: Teklebirhan Fisseha

Teklebirhan Fisseha wurde in Tigray, einer Region in Nord-Äthiopien, geboren und studierte in Dire Dawa (Äthiopien) Maschinenbau und Fertigungstechnik. Später arbeitete er als Dozent für Maschinenbau an der Dire Dawa University. Die Stadt gehört zu den größten Städten Äthiopiens und liegt im Nordosten des Landes.

Matthias Fejes
06.02.2019

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