Viele Gründe für den Tracker-Verzicht
Forscher aus Chemnitz und Lübeck haben untersucht, warum Personen die Nutzung von Fitness-Trackern beenden - Podcast verfügbar
Fitness-Tracker sind beliebt und tragen dazu bei, eigene sportliche Leistungen zu kontrollieren, zur Bewegung zu motivieren und Erfolge mit anderen Menschen zu teilen. Trotzdem legt etwa ein Drittel der Nutzerinnen und Nutzer den Tracker schon nach kurzer Zeit wieder zur Seite. Warum das so ist, haben Christiane Attig, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Angewandte Gerontopsychologie und Kognition des Instituts für Psychologie der Technischen Universität Chemnitz, und Prof. Dr. Thomas Franke, Inhaber der Professur für Ingenieurpsychologie und Kognitive Ergonomie am Institut für Multimediale und Interaktive Systeme der Universität zu Lübeck, untersucht. Es handelt sich um die erste Studie aus dem deutschsprachigen Raum, die systematisch Gründe des Nutzungsverzichts herausarbeitet. Darüber hinaus untersuchte das Forschungsduo, durch welche Nutzungscharakteristika sich ehemalige Nutzerinnen und Nutzer auszeichnen. Zum Beispiel, ob sie das Gerät am Handgelenk ohnehin häufig abgelegt und nur sporadisch genutzt haben. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung sind nun im Fachmagazin „Computers in Human Behavior“ erschienen.
Online-basiertes Studiendesign
„Die Gruppe der Personen, die mit der Nutzung aufgehört haben, wurde bisher selten eingehend in der psychologischen Forschung untersucht. Einige Studien gaben zwar Aufschluss darüber, welche Beendigungsgründe eine Rolle spielen, aber welche von diesen Gründen besonders ausschlaggebend sind oder wie sich diese Gruppe beispielsweise hinsichtlich der Nutzungsintensität auszeichnet, war bisher nicht bekannt“, so Attig. Außerdem haben die Chemnitzer Forscherin und ihr Lübecker Kollege herausfinden wollen, welche Gründe besonders sicher zur Beendigung des Trackens führen. Das heißt, dass diese Gründe für die Nutzerinnen und Nutzer subjektiv besonders schwerwiegend seien. Um diese Fragen zu beantworten, konzipierten Attig und Franke eine Online-Studie auf Basis einer umfangreichen Literaturrecherche.
Motivationsverlust und neue Lebensumstände sind wichtige Gründe
Laut Studie, an der 159 ehemalige Tracker-Nutzerinnen und -Nutzer teilnahmen, war ein Motivationsverlust einer der ausschlaggebendsten Gründe für den Tracker-Verzicht. Darauf folgte die Unterbrechung der Nutzungsroutine, beispielsweise durch Urlaub, Krankheit oder sonstige Änderungen der Lebensumstände, die das Tracken unmöglich oder unwichtig machen. Dazu zählen auch Schwangerschaft oder der Beginn einer neuen beruflichen Tätigkeit. „Jeweils über ein Drittel der Personen gaben außerdem an, dass wahrgenommene Messungenauigkeiten, geringer Tragekomfort sowie ein unattraktives Design dazu beigetragen haben, dass sie ihren Tracker nicht mehr nutzen“, so Attig.
Dabei sei aber nicht jede Nutzungsbeendigung aus negativen Gründen erfolgt: „Auch der Umstand, dass die Alltagsbewegung oder der Sport zur Gewohnheit geworden und der Tracker insofern nicht mehr als nötig erachtet wird, trug laut rund einem Drittel der Teilnehmenden zur Beendigung bei.“
Schaut man sich die ehemaligen Nutzungsgewohnheiten der Teilnehmenden an, fällt weiterhin auf, dass diese ihren Tracker im Schnitt intensiv genutzt haben: 97 Prozent nutzten den Tracker zur Erfassung ihrer gesamten Alltagsaktivität, 77 Prozent trugen ihn an sieben Tag der Woche und 56 Prozent an über 23 Stunden am Tag. Über 70 Prozent gaben außerdem an, dass sie sich vorstellen können, in Zukunft die Nutzung erneut zu beginnen.
Nachhaltige Tracker-Nutzung
„Dass so viele Personen angaben, eines Tages wieder mit dem Tracken weiterzumachen, zeigt, dass auch die ehemaligen Nutzenden den Wert eines Fitness-Trackers durchaus weiterhin zu schätzen wissen. Aber es gibt einige Barrieren, die die Ausschöpfung des vollen Potenzials erschweren, und die wir durch diese Studie sichtbar machen konnten“, sagt Franke. „Wir schlagen vor, dass das Tracker-Feedback bedeutsam gestaltet sein sollte. Statt bloßer Zahlen, von denen man sich möglicherweise sogar abhängig macht, sollte der Tracker zurückmelden, welche positiven Auswirkungen die Schritte ganz konkret auf das körperliche und psychische Wohlbefinden haben.“ Mit anderen Worten: Die Rückmeldung des Trackers soll die Motivation zum Tracken aus eigenem Antrieb heraus stärken. „Nicht nur: Was habe ich geschafft, sondern auch: Warum ist es super, dass ich es geschafft habe“, ergänzt Attig. Aber auch eine größere Transparenz hinsichtlich der Messung und der Weitergabe persönlicher Daten, beispielsweise an Krankenkassen oder Anbieter weiterer Apps, sind Ansatzpunkte, um das Tracken attraktiver zu machen.
Im nächsten Schritt wollen die Beiden herausfinden, ob auch die Persönlichkeit der ehemaligen Nutzenden eine Rolle bei der Entscheidung spielt, mit dem Tracken aufzuhören.
Veröffentlichung: Attig, C., & Franke, T. (2020). Abandonment of personal quantification: A review and empirical study investigating reasons for wearable activity tracking attrition. Computers in Human Behavior, 102, 223-237. doi:10.1016/j.chb.2019.08.025
Multimedia: Im „TUCscicast“ spricht TU-Psychologin Christiane Attig über helfende Maschinen und die Psychologie von Fitness-Trackern. Im Podcast „TUCpersönlich“ spricht Attig unter anderem darüber, warum sie den Buchhändlerberuf gegen die Wissenschaft getauscht hat und was ihre Tattoos für sie bedeuten.
Weitere Informationen erteilt Christiane Attig, M. Sc. Psych., Tel. +49 (0)371/531-34964, E-Mail christiane.attig@psychologie.tu-chemnitz.de
Matthias Fejes
18.09.2019