Gefragte Expertise zu Leichtbauwerkstoffen
Forschungsbereich „Leichtbau im Bauwesen“ der TU Chemnitz unterstützte in Chemnitz den Bau einer neuen Fußgängerbrücke in Leichtbauweise
Am 26. November 2019 wurde im Chemnitzer Ortsteil Einsiedel hinter dem Rathaus eine neue Fußgängerbrücke mit einer Spannweite von 23 Metern über die Zwönitz eingeweiht. Die neue Überquerung soll künftig starke Fluten überstehen, denn 2013 zerstörte ein Hochwasser das frühere Bauwerk. Die neue Brücke wurde in Leichtbauweise errichtet und entspricht den derzeitig gültigen Anforderungen. Die Gesamtkosten belaufen sich auf rund zwei Millionen Euro, die durch Fördermittel des Freistaates Sachsen für die Beseitigung der Schäden des Hochwassers 2013 zur Verfügung stehen. Die Technische Universität Chemnitz hat insbesondere das Planungsbüro Schulze & Rank sowie die Chemnitzer Firma Fiber-Tech beratend unterstützt.
„Das Haupttragwerk der neuen Brücke in Einsiedel besteht aus einer tragenden Stahlkonstruktion, die mit einem Gehbelag sowie einem Geländer aus glasfaserverstärkten Kunststoff kombiniert wurde“, berichtet Dr. Sandra Gelbrich, Leiterin des Forschungsbereiches „Leichtbau im Bauwesen“ an der TU Chemnitz, die das Vorhaben wissenschaftlich begleitete. Allein beim Gehbelag konnten im Vergleich zur konventionellen Stahlbetonbauweise 18 Tonnen Baumaterial eingespart werden. Zudem wurden die etwa sechs Meter langen barrierefreien Zugangsrampen komplett aus faserverstärkten Kunststoffen aufgebaut. „Jede Zugangsrampe wiegt ca. 1,3 Tonnen, eine vergleichbare Stahlkonstruktion würde in Abhängigkeit vom Belagsmaterial ein Gewicht ab ca. 3 Tonnen aufweisen“, erläutert Gelbrich.
Derartige Leichtbauprinzipien werden an der Professur für Strukturleichtbau und Kunststoffverarbeitung der TU Chemnitz bereits seit mehreren Jahren erforscht und für eine Vielzahl von Produkten, beispielsweise im Automotive-Bereich, sehr erfolgreich angewendet. Im Bereich des Bauwesens spricht die derzeit noch sehr restriktive deutsche Gesetzgebung gegen einen Einsatz neuer Bauweisen für faserverstärkte Kunststoffe an größeren Brückenbauwerken.
Ihre Expertise brachten die Forschenden aus der TU Chemnitz beispielsweise 2015 bei der Entwicklung der ersten interaktiven Wabenbrücke der Welt, die heute beide Ufer der Chemnitz neben der ehemaligen Haase-Fabrik an der Rochlitzer Straße verbindet. Hier kam ebenfalls ein Belag aus faserverstärkten Kunststoffen zum Einsatz. Gelbrich ist optimistisch, dass es künftig immer mehr Brücken aus modernen Leichtbauwerkstoffen geben wird. „Die Notwendigkeit der Ressourcenschonung zwingt uns künftig dazu, Leichtbauwerkstoffe und -bauweisen auch im Bereich der Infrastrukturbauten einzusetzen“, so Andreas Ehrlich vom Forschungsbereich „Leichtbau im Bauwesen“ der TU. Oft würden noch die hohen Kosten für die Erstinvestition gegen den Bau sprechen, jedoch solle man dabei auch immer die reduzierten Folgekosten für Wartung und Instandhaltung beachten.
Hintergrund: Glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK)
Dieser Leichtbauwerkstoff ist aus tragenden Glasfasern aufgebaut, die in einer sogenannten Matrix aus einem Polymer eingebettet sind. Die Glasfasern übernehmen überwiegend Zugkräfte, die polymere Matrix ist im Verbund wesentlich für die Aufnahme der Kräfte zwischen den Fasern sowie den Schutz der Glasfaser verantwortlich. Faserverstärkte Kunststoffe sind mit diesem Aufbau bei ähnlichen Festigkeiten wie Stahl bis zu viermal leichter und korrodieren nicht. Sie sind damit insbesondere für den Aufbau von Brückenbauwerken, die aufgrund ihrer naturgemäßen Lage an Gewässern hohen Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen ausgesetzt sind, hervorragend geeignet. Glasfaserverstärkte Kunststoffe werden in vielen Bereichen der Wirtschaft seit vielen Jahren erfolgreich eingesetzt.
Mario Steinebach
28.11.2019