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Migration und ihre Repräsentation

Studierende der TU Chemnitz besuchten das Auswanderermuseum Ballinstadt und die Initiative Lampedusa in Hamburg

Im Rahmen des Seminars „Wertegemeinschaft oder doch nur Zweck-WG: Die EU aus migrantischer Perspektive“ haben Studierende des Instituts für Europa Studien und Geschichtswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz am 23. November 2019 das Auswanderermuseum Ballinstadt besucht sowie die Initiative Lampedusa in Hamburg getroffen. Die Gegenüberstellung der Arbeiten des Museums und der Initiative zeigt Kontinuitäten, aber auch Diskrepanzen zwischen der Musealisierung von Migration und der verflochtenen Umstände von Migrationsbewegungen auf.

Das Museum legt den Fokus auf die Auswanderungsbewegungen aus Deutschland und Europa im 19. Jahrhundert und stellt eine Plattform für die Repräsentation von Migration als historisches Kontinuum dar. Die Umstände, unter denen die Auswandererhallen damals errichtet wurden, weisen deutliche Parallelen zur heutigen Konjunktur auf. Auch damals erschwerte etwa die „Abneigung“ der lokalen Bevölkerung gegenüber „den Anderen der Stadt“ den Aufenthalt von Migrantinnen und Migranten, insbesondere aus osteuropäischen Ländern, in Hamburg. Darüber hinaus wurden gesellschaftliche Missstände, wie die Verbreitung von Krankheiten und die Knappheit von Ressourcen in der Stadt gerne auf Migrantinnen und Migranten projiziert. Die Familie Ballin bot den Migrantinnen und Migranten gegen Geld eine Unterkunft in den letzten Tagen vor dem Boarding im Schiff und bereitete sie auf die Einwanderungsbehörden der Aufnahmeländer vor. Sie war eine erste Kontrollstelle, bei der Menschen noch vor der Einreise auf ihre Gesundheit und somit auf ihren potenziellen Beitrag für die Aufnahmegesellschaften überprüft wurden. Mit der Darstellung einzelner Schicksale betont das Museum die Heterogenität der Migrationsgründe. Mit dem Schwerpunkt auf der Migrationsroute von Europa in die USA fasst das Museum Migration als eine Reise mit einem Anfang und einem Endpunkt auf der globalen Landkarte.

Die Initiative Lampedusa entstand 2012 in Hamburg und ist ein aktuelles Beispiel für Selbstorganisierung von Migrantinnen und Migranten, die sich durch Aktionen auf verschiedenen Ebenen eine Stimme verschaffen und sowohl die Politik als auch die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Migration mitgestalten. Besonders aktiv ist die Initiative in der Stadt, etwa durch die Errichtung eines Info-Zeltes sowie, in Zusammenarbeit mit weiteren aktivistischen Gruppen, die Durchführung zahlreicher Proteste und Verhandlungen mit Politikerinnen und Politikern der Stadt. Ihre Wirkung zeigt sich aber auch über Hamburg hinaus. Beispiele hierfür sind die Mit-Organisierung der Demo We’ll come United in Hamburg, an der Tausende von Menschen aus ganz Deutschland teilgenommen haben sowie die Konzeptualisierung des Refugee and Migrant Parlament, ein europaweites Zusammenkommen verschiedener Initiativen von Migrantinnen und Migranten in Brüssel.

Die Aktivisten und Sprecher von Lampedusa in Hamburg, Ali Ahmed und Patrick Owsu, stellten in ihrem Vortrag Migration und ihre Regulierung als ein komplexes Phänomen dar, bei dem beispielsweise Hamburg und Lampedusa Stationen der europäischen Migrationsrouten darstellen. Diese Städte sind keine Punkte auf der globalen Karte, die verlassen bzw. erreicht werden. Vielmehr stehen sie zueinander sowie zu den Ländern, aus denen unsere Gesprächspartner kommen, in einem Geflecht politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse, die die Lebensprojekte von Migrantinnen und Migranten beeinflussen. Zum anderen prangert die Initiative Lampedusa in Hamburg den postkolonialen Rassismus in der Gesellschaft und das Durchdringen von Rassismus in den Institutionen Europas an. Dabei beleuchten die Erfahrungen der Aktivisten, dass sich die Regulierung von Migration und somit der globalen Bevölkerung durch ein Fragmentieren der Grenzen kennzeichnet: Ausgrenzungspraxen findet demnach an den nationalen Grenzen ebenso wie alltäglich bei Identitätskontrollen in Zügen oder in der Stadt und beim Verweigern des Zugangs zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt, zur medizinischen Versorgung oder zu Schulen statt.

Die Beobachtung, dass auf Repräsentationsebene, beispielsweise in der Politik und in den Berichterstattungen Migrantinnen und Migrantenoft nicht nur untergeordnet, sondern auch homogenisiert und rassialisiert werden, galt es im Museum zu überprüfen. Der Vortrag mit anschließender Diskussion mit Sprechern von Lampedusa in Hamburg stellte für die Studierenden eine Gelegenheit dar, von Menschen, die von der Flüchtlingspolitik betroffen sind und sich dagegen kollektiv organisieren, Strategien und Perspektiven der Bürgerschaft direkt zu erfahren.

Die eintägige Exkursion trug zum einen zum Seminar bei, indem sie der aktuellen Debatte um Migration eine historische Kontextualisierung bot; zum anderen ermöglichte sie die so oft fehlende Perspektive der Migrantinnen und Migranten miteinzubeziehen. Das Treffen mit den Sprechern von Lampedusa in Hamburg wurde über den Flüchtlingsrat Hamburg organisiert.

(Autorin: Ana Troncoso)

Mario Steinebach
06.12.2019

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